Medizinprodukthaftung: Unsere Reaktion auf das Urteil des Berufungsgerichts in Aix-en-Provence im Rechtsstreit um minderwertige PIP–Brustimplantate

Das Urteil des Berufungsgerichts in Aix-en-Provence vom 2. Juli 2015 im Rechtsstreit um minderwertige PIP–Brustimplantate, das den TÜV-Rheinland als benannte Stelle entlastet, ist für deutsche geschädigte Patientinnen belanglos. Zudem ist diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Die Geschädigten werden die Cour de Cassation anrufen.

In seinem an den EUGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen vom 09.04.2015 (VII ZR 36/14), veröffentlicht unter unserer Homepage, thematisiert nämlich der Bundesgerichtshof zutreffend die deliktsrechtliche Haftung des TÜV gemäß § 823 Abs.2 BGB, die eingreift wenn ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz oder eine Vertragspflicht vorliegt. Im Gegensatz zur zitierten französischen Entscheidung erklärt er ausdrücklich, er könne nicht zweifelsfrei feststellen, welchen konkreten Inhalt die Überwachungspflichten des TÜV gemäß der Richtlinie 93/42/EWG haben, wenn es um Medizinprodukte der höchsten Gefahrenstufe geht. Er hält es für möglich, dass sich aus dieser Richtlinie eine generelle Produktprüfungspflicht und eine generelle Pflicht zur Durchführung von unangemeldeten Kontrollen beim Hersteller ergeben. Außerdem fragt der BGH bei dem EUGH an, ob es Zweck und Intention der Richtlinie sei, alle potentiellen Patienten zu schützen, so dass bei schuldhafter Verletzung der bestehenden Überwachungspflichten der TÜV den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haftet.

Der Kanzler des EUGH hat vor wenigen Tagen die Mitgliedstaaten der EU, die EU Kommission und uns als anwaltliche Bevollmächtigte der betroffenen Klägerin aufgefordert, schriftliche Erklärungen zu dem Vorabentschei- dungsersuchen des BGH vorzulegen. Wir werden schon in den nächsten Tagen reagieren und darlegen, dass der TÜV Rheinland sehr wohl verpflichtet war, die Produktion der Brustimplantate zu überwachen und vor allem Stichproben zu entnehmen und unangemeldet Inspektionen der Betriebsstätte durchzuführen. Wir sind sehr zuversichtlich: Der EUGH wird in unserem Sinne entscheiden. Dann sind auch die französischen Gerichte daran gebunden.

Rechtsanwältin Dr. Ruth Schultze.-Zeu und Rechtsanwalt Hartmut Riehn, Vors. Richter am VG a.D. in Berlin