Cytotec – Ärzte verwenden umstrittenes Medikament in der Geburtshilfe

Aktuell im Fachgebiet Geburtsschadensrecht besonders bedeutsam: Berichte und Informationen zur Verwendung von Cytotec bei der Einleitung der Geburt!
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ARD Tagesschau 19.03.2020

Behörde warnt vor Cytotec
Das Problem mit der Dosierung

Laut BfArM geht aus den neuen Fallberichten auch hervor, „dass den Patientinnen häufig Teildosen der sechseckigen Cytotec 200 Mikrogramm-Tablette verabreicht wurden, obwohl diese nicht zur Teilung konzipiert ist, so dass eine ungenaue Dosierung resultiert.“ Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Einzeldosis von 25 Mikrogramm, quasi ein Achtel der Cytotec-Tablette.

Zitat:

„Juristische Folgen?

Verwenden Ärzte Medikamente im sogenannten Off-Label-Use, müssen sie – beziehungsweise die Klinik – im Falle einer Klage persönlich haften. Die Berliner Medizinanwältin Ruth Schultze-Zeu vertritt vor Gericht Mütter und Kinder, die einen Geburtsschaden erlitten haben und einen Zusammenhang mit Cytotec vermuten.

Nach den Berichten von BR und SZ hätten sich bei ihr mehr als 100 mutmaßlich betroffene Frauen gemeldet, berichtet die Anwältin. Derzeit sichtet sie die neuen Fälle, darunter seien Gebärmutterrisse und bei einem Bruchteil auch Schädigungen bei Kindern. Nach Worten der Anwältin ist der Rote-Hand-Brief „ein wunderbares Beweismittel“, denn er zeige klar die Risiken von Cytotec auf sowie die zugelassenen Alternativen dazu. „Jeder Gerichtsgutachter wird sich jetzt mit dem Statement der Bundesbehörde auseinandersetzen müssen“, sagt Schultze-Zeu.“

Rote-Hand-Brief zu Cytotec® (Misoprostol): Risiken im Zusammenhang mit einer Anwendung zur Geburtseinleitung außerhalb der Zulassung („off-label-use“)

Datum16.03.2020
Wirkstoff Misoprostol

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informiert, dass zahlreiche, neue Berichte über schwere Nebenwirkungen bei der Anwendung von Cytotec® außerhalb der zugelassenen Indikation vorliegen. Das Arzneimittel Cytotec® ist nicht zur Geburtseinleitung zugelassen. Cytotec®-Tabletten sind nicht für eine Teilung konzipiert, so dass bei Teilung eine korrekte Dosierung nicht gewährleistet werden kann. Cytotec® ist lediglich zur oralen Einnahme vorgesehen.

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Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 12.02.2020 (Seite 3)

In vielen deutschen Kliniken wird das Medikament Cytotec von Ärzten verwendet, um Wehen einzuleiten, obwohl es dafür gar nicht zugelassen wird. Oft kommt es dabei zu schweren Nebenwirkungen, einige Mütter starben, nachdem ihre Gebärmutter nach der Gabe von Cytotec gerissen war. Der Hersteller nahm die Arznei schon 2006 vom deutschen Markt, weil es zu oft außerhalb des vorgesehenen Anwendungsbereichs verwendet wurde. Der für die Überwachung zuständigen Behörde liegen nur unzureichende Daten vor.

Ein Artikel von Katrin Langhans in der Süddeutschen Zeitung

Jede zweite Klinik in Deutschland verwendet einer Umfrage der Universität Lübeck zufolge ein Medikament zur Einleitung von Geburten, das gar nicht für diesen Zweck zugelassen ist. Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks zeigen, dass es nach der Gabe der Tablette Cytotec zu schweren Komplikationen im Zusammenhang mit dem Medikament kommen kann: In seltenen Fällen verstarben Mütter, nachdem ihre Gebärmutter nach der Gabe von Cytotec gerissen war. Kinder kamen mit einem Hirnschaden zur Welt, weil sie einen Sauerstoffmangel unter der Geburt erlitten, mehrere Babys verstarben in Deutschland und Frankreich. Das geht aus Gutachten, Fallstudien, Klageschriften und Gerichtsurteilen hervor, die BR und SZ vorliegen.

Cytotec ist ein Magenschutzmittel, das Ärzte dafür verwenden, Föten abzutreiben und Wehen einzuleiten, weil man zufällig entdeckt hat, dass es die Gebärmutter anregt. Die amerikanische Behörde FDA und die französische Gesundheitsbehörde ANSM warnen vor Cytotec, weil die Tablette starke Nebenwirkungen hat. Der Hersteller Pfizer nahm das Medikament 2006 vom deutschen Markt, weil es zu oft außerhalb des vorgesehenen Anwendungsbereiches verwendet wurde. Pfizer schreibt auf Anfrage, es gebe bis heute keine ausreichenden, randomisierten und verblindeten Studien, die eine Anwendung zur Einleitung der Geburt rechtfertigen würden.

Fehlende Daten erschweren die Überwachung

Ärzte können Cytotec aber weiterhin innerhalb ihrer Therapiefreiheit verwenden, wenn sie Frauen darüber aufklären. Auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Wirkstoff Misoprostol, der in der Tablette steckt, allerdings in geringen Dosen von 25 Mikrogramm. Recherchen von SZ und BR zufolge verabreichen Ärzte mitunter das Doppelte bis Vierfache. Eine optimale Dosis wurde nie festgelegt, was daran liegt, dass das Mittel für die Geburtseinleitung niemals eine Zulassungsstudie durchlaufen hat und sich Ärzte auf Erfahrungswerte und Anwendungsbeobachtungen stützen.

Wegen der fehlenden Daten lässt sich nur schwer einschätzen, wie groß das Problem von Todesfällen und Gehirnschädigungen in absoluten Zahlen ist. „Es ist schon lange an der Zeit diesen Unsinn mit Cytotec zu beenden“, sagt Peter Husslein, Professor für Geburtshilfe und Leiter der Universitäts-Frauenklinik Wien. „Das Mittel ist weitestgehend unkontrollierbar und es gibt viel zu wenig Untersuchungen“, sagt Husslein. „Es hat viele mütterliche Todesfälle verursacht.“

Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Arzneimittel überwacht, liegen nur unvollständige Daten zu den Nebenwirkungen des Medikaments vor, was mitunter daran liegt, das Ärzte Komplikationen schlampig melden. Nicht einmal der Todesfall einer Mutter, die im Zusammenhang mit der Gabe der Tablette verstarb, liegt der Behörde nach Recherchen von SZ und BR vor.

Betroffene, die einen Geburtsschaden in Verbindung mit Cytotec vermuten, können sich an ihre Krankenkasse wenden, um den Fall prüfen zu lassen oder die Nebenwirkung selbst unter www.nebenwirkungen.pei.de an die deutsche Überwachungsbehörde melden. Als Kriterium für eine Meldung reicht der Verdacht, Betroffene müssen die Kausalität nicht belegen.

Den Artikel können Sie auf der Website der Süddeutschen Zeitung nachlesen. Außerdem ist er in der Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 12.02.2020 (Seite 3) erschienen. Die Druckausgabe des Artikels inklusive zweier Fallberichte können Sie hier als PDF nachlesen.

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