Urteile Medizinproduktehaftung

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 11. Zivilsenat, 07.04.2005, 11 U 132/98

Medizinrecht

Normen: § 823 Abs 1 BGB, § 286 ZPO

Produkthaftung: Anscheinsbeweis für die Verursachung einer Krebserkrankung durch einen bestimmten Risikofaktor.

Orientierungssatz

Zwar ist auch bei der Produkthaftung ein Anscheinsbeweis möglich. Bei Krebserkrankungen ist aber wegen der Vielzahl der Risikofaktoren ein derartiger Anscheinsbeweis nicht möglich, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehlt, denn allein das Bestehen eines Risikofaktors (hier: Kontakt mit Kühlschmiermittel) lässt nicht auf den späteren Eintritt einer Krebserkrankung schließen, die auf einer bestimmten Ursache beruht (Rn.64).

Fundstellen: ZfSch 2006, 442-445 (red. Leitsatz und Gründe) Verfahrensgang vorgehend LG Itzehoe, 19. März 1998, Az: 6 O 391/96, Urteil nachgehend BGH, 7. Februar 2006, Az: VI ZR 86/05, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. März 1998 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 126.743,74 Euro (= 247.889,82 DM) festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger sind die Ehefrau und die Kinder des am 7. März 1959 geborenen und am 20. Dezember 1993 verstorbenen Manfred D.. Sie werfen der Beklagten als Herstellerin des Kühlschleifmittels x. vor, dass dieses am Arbeitsplatz des Erblassers benutzte Kühlschleifmittel krebserregende Substanzen enthalten und dadurch den Tod des Erblassers aufgrund eines Dickdarmkarzinoms verursacht habe. Der Erblasser erlernte vom 1. September 1974 bis 23. Juli 1977 bei der Fa. K. und B. in T. den Beruf eines Maschinenschlossers. Nach Abschluss der Lehre war er bei der Fa. K. und B. vom 25. Juli 1977 bis 31. März 1979 als Dreher beschäftigt. Diese Tätigkeit wurde durch die Wehrpflicht des Erblassers in der Zeit vom 2. April 1979 bis 30. Juni 1980 unterbrochen. Im Anschluss daran war er vom 1. Juli 1980 bis 31. Oktober 1985 im Baustoffhandel seines Bruders als Kraftfahrer tätig. Daran schloss sich ab 4. November 1985 bis zur Erkrankung im September 1993 eine erneute Beschäftigung bei der Fa. K. und B. an. Hier wurde er vom 4. November 1985 bis 31. Januar 1987 als Dreher eingesetzt. Ab 1. Februar 1987 bis zu seiner Erkrankung war er als Schleifer an der Fortuna-Rundschleifmaschine tätig. An der Fortuna-Rundschleifmaschine wurde in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1987 der von der Beklagten hergestellte Kühlschmierstoff x. verwendet. Dieser enthielt nach dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils u.a. 18 % Natriumnitrit und 20 % Triethanolamin. Nach Auffassung der Kläger führen die in diesem Kühlschmierstoff enthaltenen Nitrite und Amine zur Nitrosaminbildung, die für den menschlichen Körper krebserzeugend sei. Die gefährlichen Stoffe des Kühlschmierstoffs x. habe der Erblasser über Haut und Atmung aufgenommen. Die Arbeitgeberin des Erblassers ließ 1987 die NDELA-Belastung von Arbeitnehmern, u.a. auch des Erblassers, messen. Sie entschloss sich, ab 1988 Kühlschmierstoffe ohne Nitrite und Amine einzusetzen. Ab Beginn des Jahres 1988 bis Mitte 1990 wurden Cimcool 5 Star 45 A und danach Cimplus D 14 A verwendet. Der Erblasser erhielt im Frühjahr 1991 von seinem Vater einen kleinen Weinberg mit einer Fläche von 0,91 ha. Den Weinberg bewirtschaftete er als Nebenerwerbswinzer, wobei eine jährliche Arbeitsleistung von ca. acht Stunden anfiel. Bei der Bewirtschaftung des Weinbergs kamen Insektizide und Fungizide zum Einsatz. Über die beim Versprühen dieser Mittel angewandten Schutzmaßnahmen sind die Parteien unterschiedlicher Auffassung. Am 7. September 1993 suchte der Erblasser seinen Hausarzt wegen akuter Bauchbeschwerden auf. Dieser überwies ihn an das Krankenhaus L., wo er vom 20. bis 26. Oktober 1993 untersucht wurde. Zur weiteren Abklärung wurde er in die chirurgische Universitätsklinik in W. verlegt und dort stationär vom 27. Oktober bis 22. November 1993 behandelt. Dort wurde am 4. November 1993 ein Eingriff vorgenommen, der zur Diagnose eines fortgeschrittenen, nicht mehr sinnvoll operablen Dickdarmkarzinoms mit Metastasenbildung führte. Bei dem Eingriff wurde eine künstliche Verbindung zwischen dem unteren Teil des Dünndarms und dem querliegenden Dickdarm hergestellt und ein künstlicher After angelegt. In der Zeit vom 22. bis 26. November 1993 wurde der Erblasser wiederum im Krankenhaus L. stationär behandelt. Die Behandlung bestand in einer palliativen Chemotherapie. Anschließend wurde er in der Klinik für Tumorbiologie Freiburg weiterbehandelt. Dort verstarb er am 20. Dezember 1993 aufgrund einer Insuffizienz bei eitriger Bronchopneumonie und diffuser Lungenmetastasen als Folgen des Dickdarmkarzinoms. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens, der Beerdigungskosten und eines dem Erblasser zustehenden Schmerzensgelds nebst krankheitsbedingtem Verdienstausfall in Anspruch. Des weiteren begehren sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund der Verursachung des Dickdarmkarzinoms des Erblassers durch das Kühlschmiermittel x.. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, allerdings den Unterhaltsschaden gekürzt. Es war nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass die Krebserkrankung des Erblassers vom Kühlschmierstoff x. verursacht worden sei und die Beklagte hierfür wegen Verletzung ihrer Produktbeobachtungs- und Warnpflicht hafte. Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf das von der Beklagten angefochtene Urteil des Landgerichts verwiesen. Die Beklagte ist der Auffassung: Die chemische Zusammensetzung von x. fördere nicht die Krebsbildung, denn für krebsverdächtige Nitrosamine sei ein sekundäres Amin erforderlich, während x. ein tertiäres Amin enthalte. Entsprechendes ergebe auch die Stellungnahme des Dr. T. in der Beiakte. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung habe im untergesetzlichen Regelwerk TRGS 611 noch 1996 die Verwendung der tertiären Amine in Kühlschmierstoffen zugelassen und lediglich eine möglichst hohe Reinheit des Produkts gefordert. Der Geschäftsführer der Beklagten habe darauf hingewiesen, dass x. reines Triethanolamin enthalte. Diesen Hinweis habe der sachverständige Zeuge Dr. S. mit unzureichenden Gründen abgetan. Die Ausführungen des Dr. S. enthielten keine sachliche Grundlage dafür, dass es auch bei der Verwendung von reinem Triethanolamin zur gefährlichen NDELA-Bildung komme. Auch sei völlig unbewiesen, dass es zu Verunreinigungen des Kühlschmierstoffs, wodurch die NDELA-Bildung hätte ermöglicht werden können, gekommen sei. Ein derartiger Zusammenhang sei ebenso offen wie die Feststellung des Landgerichts, dass bereits das Vorhandensein von Nitrit im Kühlschmiermittel zur NDELA-Bildung genüge. Eine mögliche Gefährdung des menschlichen Körpers durch Nitrite, denen er alltäglich ausgesetzt sei, sei wissenschaftlich nicht gesichert. Ebenso wenig sei die karzinogene Wirkung von Nitrosaminen wissenschaftlich gesichert. Deshalb habe die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft Entschädigungsansprüche der Kläger zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Berufsgenossenschaft habe sich ausführlich mit dem Meinungsstand befasst. Weitere Einzelheiten könnten den Akten über das beim Sozialgericht Würzburg geführte Verfahren entnommen werden. Dort sei die Klage der Kläger nach Einholung eines Gutachtens abgewiesen worden. Die Berufsgenossenschaft habe keinen Kausalzusammenhang zwischen der Verwendung von x. und dem Krebstod des Erblassers feststellen können. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Erblasser überhaupt mit x. gearbeitet habe. Dies habe weder die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben noch könne dies mit Sicherheit den Unterlagen des verstorbenen Betriebsleiters Z. entnommen werden. Nach der Aussage des Zeugen J. könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Erblasser im fraglichen Zeitraum Restbestände anderer Kühlschmiermittel verbraucht habe, deren Herkunft und Zusammensetzung nicht bekannt sei. Die Messungen und Aufzeichnungen des Betriebsleiters Z. könnten keine verlässliche Grundlage für ein Gutachten sein. Soweit Dr. S. mit dem verstorbenen Betriebsleiter Z. zusammengearbeitet habe, seien hierüber keine Einzelheiten bekannt. Dies gelte auch für die wissenschaftliche Qualifikation und das Thema der Dissertation des Betriebsleiters Z.. Möglicherweise sei Z. von Dr. S. in eine einseitige Richtung bei der Untersuchung von x. beeinflusst worden. Eine aus dem Jahre 1987 stammende Analyse, wonach x. stark Diethanolnitrosamin-kontaminiert gewesen sei, sei der Beklagten unbekannt. Ein weiterer Zweifel an der Ursächlichkeit von x. für den Dickdarmkrebs des Erblassers ergebe sich daraus, dass es wissenschaftlich nicht gesichert sei, dass der Dickdarm ein Zielorgan für die Tumorbildung bei längerer Kühlschmierstoff-Exposition sei. Naheliegender wäre ein Tumorbefall im Bereich der Atemwege, der Lunge oder der Haut. Es bleibe bestritten, dass es im Bereich der Rundschleifmaschine überhaupt zu einer nennenswerten Vernebelung des Kühlschmiermittels gekommen sei. Derartiges habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Derartiges gehöre auch nicht zum Fachwissen eines Richters. Das Landgericht habe weitere mögliche Ursachen der Krebserkrankung vernachlässigt. Hierzu gehöre die Schadstoffbelastung des Erblassers als Berufskraftfahrer, insbesondere die Belastung durch in einem Ofen in der Werkstatt verheiztes Altöl. Außerdem habe der Verstorbene seit seiner Jugend in nicht unerheblichem Umfang als Nebenerwerbswinzer gearbeitet. Hierbei sei er durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erheblich belastet worden, weil der Einsatz von Maschinen mit Kabinen aufgrund der Hanglage des Weinbergs nicht möglich gewesen sei. Sicherlich habe der Verstorbene auch keinen Schutzanzug getragen. Die Kläger treffe die Beweislast für das Vorliegen eines Produktfehlers und für die Ursächlichkeit zwischen Produktfehler und Krebserkrankung des Manfred D.. Anhaltspunkte für Beweiserleichterungen seien nicht vorhanden. Die Ursache für die Krebserkrankung müsse als ungeklärt angesehen werden. Die Beklagte treffe keinerlei Verschulden. Im Jahre 1987 habe der wissenschaftliche Kenntnisstand nicht ergeben, dass eine Verbindung von Nitrit und Triethanolamin zur Bildung von NDELA führen könne. Gegenstand der damaligen wissenschaftlichen Diskussion sei lediglich die krebserzeugende Wirkung von Nitrit in Verbindung mit Diethanolamin gewesen. Die Höhe des zuerkannten Unterhaltsschadens sei nicht nachvollziehbar. Von den Beerdigungskosten müsse der Zuschuss der Betriebskrankenkasse in Höhe von 2.100 DM abgezogen werden. Das Schmerzensgeld von 150.000 DM sei überhöht und auch nicht hinreichend begründet worden. Die Krankenhausbehandlung habe lediglich zwei Monate gedauert. Die seelische Belastung könne nicht stark gewesen sein, weil der Verstorbene auf Wunsch der Ehefrau nicht vollständig über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt worden sei. Im Fall einer Haftung sei ein Schmerzensgeld von allenfalls 20.000 bis 30.000 DM angemessen. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Die Kläger erwidern: Das von der Beklagten hergestellte Produkt sei in erheblichem Umfang mitursächlich für die tödliche Krebserkrankung des Erblassers gewesen. Die Gefährlichkeit des Produkts hätte die Beklagte durch entsprechende chemische Untersuchungen feststellen können und daraufhin ihr Produkt vom Markt nehmen müssen. Die Beweisaufnahme des Landgerichts habe ergeben, dass der Erblasser mit NDELA kontaminiert und dies auf x. zurückzuführen gewesen sei. Dies sei bereits den 1987 und 1988 von Dr. S. und dem damaligen Betriebsleiter angestellten Untersuchungen zu entnehmen, insbesondere den Urinproben vom 27. Oktober und 21. Dezember 1987. Beim Erblasser sei eine der höchsten NDELA-Belastungen, die beim Einsatz von Kühlschmiermitteln gemessen worden seien, festgestellt worden. Auch die übrigen Arbeiter der Werkhalle hätten erhöhte NDELA-Kontaminationen aufgewiesen, deren Stärke proportional mit der Entfernung des Arbeitsplatzes von der Rundschleifmaschine abgenommen habe. Der höchste Wert habe sich bei dem Erblasser ergeben, weil er an der Rundschleifmaschine tätig gewesen sei. Ab Januar 1988 seien Nitrit- und PCB-freie Kühlschmiermittel verwendet worden. Danach seien die Messungen der NDELA-Kontamination der Arbeiter aufgrund der durchgeführten Urinproben bis Null gesunken. Allein daraus ergebe sich die NDELA-Vergiftung aufgrund des an der Rundschleifmaschine verwendeten Kühlschmiermittels der Beklagten. Der verstorbene Herr Z. habe lediglich die Entnahme von Urinproben veranlasst und an das Deutsche Krebsforschungszentrum übersandt. Dort seien sie von Dr. S. im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit korrekt untersucht und ausgewertet worden. Die hohe NDELA-Kontamination könne ohne weiteres auf den an der Rundschleifmaschine Fortuna verwendeten Kühlschmierstoff zurückgeführt werden. Dass es sich bei dem im Untersuchungszeitraum 1987 verwendeten Kühlschmierstoff um x. gehandelt habe, stehe nach der Beweisaufnahme fest. Der frühere Betriebsleiter Z. habe dies in seinen Unterlagen festgehalten. Anhaltspunkte dafür, dass es hierbei zu Unrichtigkeiten gekommen sei, seien nicht vorhanden. Wegen der aufgekommenen Diskussion über Gesundheitsgefahren bei der Verwendung von Kühlschmiermitteln seien die Aufzeichnungen bereits aus arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten angefertigt worden. Auch der Zeuge J. habe bestätigt, dass x. an der Rundschleifmaschine bis Ende Dezember 1987 eingesetzt worden sei und er x. regelmäßig eingekauft habe. Zumindest ab August 1987 sei ausschließlich x. verwendet worden. Eine etwaige Resteverwertung habe vor August 1987 stattgefunden, wenn dies überhaupt geschehen sei. Die Behauptung der Beklagten, wonach es zu einer NDELA-Kontamination nur bei sekundären Aminen komme, bleibe streitig. Allein der Nitritgehalt des Kühlschmierstoffs der Beklagten könne zur NDELA-Bildung führen. Dies habe der sachverständige Zeuge Dr. S. im Einzelnen überzeugend dargestellt. x. sei wegen des hohen Nitrit-Anteils gesundheitsgefährlich. Der NDELA-Gehalt von x. sei im Rahmen der Untersuchungen im Jahr 1987 nachgewiesen worden. Auch das Gutachten des Prof. P. ergebe die Gefährlichkeit sowohl von Di- als auch Triethanolamin in Kühlschmiermitteln. Die Beklagte habe durch Schreiben vom 5. Mai 1987 an Herrn Z. auch eine nitritfreie Alternative angeboten und somit die Gefährlichkeit ihres Produkts gekannt. Die Angaben der Beklagten über die Zusammensetzung ihres Kühlschmierstoffes seien streitig. Hochreines Triethanolamin könne wegen der hohen Herstellungskosten nicht verwendet worden sein. Die Beweislast für die Behauptung, hochreines Triethanolamin verwendet zu haben, treffe die Beklagte aufgrund der Notwendigkeit der Befundsicherung. Des weiteren habe der Geschäftsführer der Beklagten eingeräumt, x. nicht auf den Nitrosamingehalt untersucht zu haben. Wegen der bereits Mitte der 80er Jahre aufgekommenen Diskussion über die Gefährlichkeit von Kühlschmierstoffen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihr Produkt im Labor und in der praktischen Anwendung auf den NDELA-Gehalt überprüfen zu lassen und die Befunde zu sichern. Aufgrund medizinischer Untersuchungen sei anerkannt, dass Nitrosamine mit einer hohen Wahrscheinlichkeit krebserzeugend seien. Dies zeige auch ein Gutachten von Prof. R., das auch auf erhöhte Zahlen von Krebserkrankungen bei in der Metallbearbeitung tätigen Schleifern, die mit wasserlöslichen Kühlschleifmitteln in Berührung gekommen seien, eingehe. Hierbei sei ein erhöhtes Vorkommen von bösartigen Tumoren im Verdauungstrakt und insbesondere auch im Dickdarmbereich festgestellt worden. Die Bildung von Karzinomen im Dickdarmbereich aufgrund von Nitrosaminen sei beim Menschen wissenschaftlich anerkannt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Erblasser mit x. durch Hautkontakt und Inhalation in Berührung gekommen sei. Dies könne den Aussagen der Zeugen J. und St. entnommen werden. Andere Ursachen für die Krebserkrankung des Erblassers müssten außer Betracht bleiben. Insoweit sei das Landgericht zutreffend von einer Beweislastumkehr ausgegangen. Die Beklagte habe x. ohne vorherige Kontrolle auf NDELA in Verkehr gebracht. Auf jeden Fall habe sie ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt. Mit der Krebserkrankung des Erblassers habe sich die Gefahr verwirklicht, die die Beklagte hätte verhüten müssen. Deshalb müsse sie beweisen, dass die Krebserkrankung nicht von ihrem Produkt verursacht worden sei. Während der Tätigkeit als Kraftfahrer sei der Erblasser nur in geringem Umfang einer Belastung durch das Verheizen von Altöl, wenn dies tatsächlich geschehen sein sollte, ausgesetzt gewesen. Auch die Belastung mit Schädlingsbekämpfungsmitteln während der Tätigkeit als Nebenerwerbswinzer sei allenfalls gering gewesen. Im Weinberg habe ein Schlepper mit Anbaugeräten benutzt werden können. Die Spritzmittel hätten weder PCB noch Nitrosamine enthalten. PCB könne Krebs nicht verursachen, sondern lediglich beschleunigen. Der Verschuldensvorwurf sei begründet, weil die Beklagte eingeräumt habe, dass ein Verdacht auf krebserzeugende Wirkung aufgrund des Nitritgehalts bestanden habe. Dennoch habe die Beklagte die erforderlichen Untersuchungen und Warnungen unterlassen. Die einzelnen Schadenspositionen könnten aufgrund der Aufstellung in der Klageschrift nachvollzogen werden. Erforderlichenfalls müssten die in der Berufungserwiderung enthaltenen zusätzlichen Hinweise beachtet werden. Auch die Höhe des Schmerzensgeldes sei nicht zu beanstanden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Erblasser gewusst habe, wie es um ihn gestanden habe. Der Tod des Erblassers sei durch grobe Fahrlässigkeit der Beklagten verursacht worden. Ergänzend wird wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben. Auf die Beweisbeschlüsse vom 29.02.2000 (Bl. 328 d.A.), 10.10.2000 (Bl. 376 – 378 d.A.), 30.09.2003 (Bl. 484 d.A.) und 10.05.2004 (Bl. 503 d.A.) wird Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 29.02.2000 (Bl. 327 – 335 d.A.) und 01.03.2005 (Bl. 532 – 537 d.A.) sowie auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 12.04.2001 (Bl. 402 – 414 d.A.) und vom 25.02.2005 (Bl. 531 b – 531 i d.A.) sowie des Sachverständigen Prof. B. vom 04.10.2004 (Bd. 2 hintere Dehntasche) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Beweisaufnahme hat nicht mit hinreichender Sicherheit ergeben, dass die Darmkrebserkrankung des Erblassers durch das Kühlschleifmittel x. verursacht wurde.

Grundvoraussetzung für die einzelnen Ansprüche der Kläger ist eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB, die eintreten würde, wenn die Beklagte als Hersteller des Kühlschmierstoffs x. vorwerfbar ein krebserregendes Produkt in den Verkehr gebracht und dadurch den beim Erblasser aufgetretenen Dickdarmkrebs verursacht hätte. Ist dies der Fall, können die Kläger von der Beklagten aus eigenem Recht gemäß § 844 Abs. 2 BGB die Zahlung einer Geldrente und gemäß § 844 Abs. 1 BGB die Erstattung der Beerdigungskosten verlange. Als Erben könnten sie darüber hinaus im Fall einer Haftung der Beklagten gemäß §§ 847 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB die Zahlung des dem Erblasser zustehenden Schmerzensgeld und gemäß §§ 843 Abs. 1, 252, 1922 Abs. 1 BGB die Zahlung der Differenz zwischen dem Arbeitseinkommen und dem Krankengeld bis zum Tod des Erblassers verlangen.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte zumindest ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt hat, weil sie noch 1987 x. mit möglicherweise krebsfördernden Substanzen vertrieb, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Veröffentlichung entsprechender Untersuchungen das Risiko der Krebsbildung aufgrund von Nitrosaminen zumindest in Fachkreisen bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Im Rahmen des Zumutbaren hat der Hersteller alle Gefahren abzuwenden, die sich bei der Benutzung seines Produkts ergeben und von denen er im Rahmen der Produktbeobachtung Kenntnis erhält. Ein Hersteller muss einen Produktmangel unabhängig davon abstellen, ob Konkurrenten ihre Produkte schon umgestellt haben. Darüber hinaus darf er nicht die Änderung von DIN-Normen oder Unfallverhütungsvorschriften abwarten, weil derartige Normen oder Vorschriften häufig die technische Entwicklung erst mit einer Verzögerung nachvollziehen. Bei medizinischen Risiken muss ein Hersteller laufend die Entwicklung der Technik auf seinem Arbeitsbereich weiter verfolgen (BGH NJW 1990, 906, 907 f.; 1994, 3349, 3350). Der Sachverständige Dr. S. hat bei seiner Anhörung durch das Landgericht bekundet, es habe seit 1976 Untersuchungen und Veröffentlichungen über das Vorkommen von NDELA in Kühlschmiermitteln gegeben. US-Hersteller hätten seit 1985 keine nitrithaltigen Kühlschmierstoffe mehr hergestellt. x. sei eindeutig als stark Diethanolnitrosamin-kontaminiert erkannt worden. Diese Analyse sei 1987 angestellt worden. Der Sachverständige Dr. S. hat seine vor dem Landgericht gemachten Bekundungen im Rahmen der Anhörung durch den Senat bestätigt. Im Rahmen der Anhörung vom 29.02.2000 hat er ausgesagt, er habe eine eigene Analyse von x. vorgenommen, weil ihm die Produktspezifikation nicht offengelegt worden sei. Aufgrund eigener Messungen stehe unzweifelhaft fest, dass in dem Produkt x. in erheblichem Umfang NDELA vorhanden sei. Bei einem Konzentrat habe er nach Untersuchungen seines Labors 0,95 % NDELA festgestellt. Bei der Nitrosierung sei im Allgemeinen ein sekundäres Amin im Zusammenhang mit einem Nitrit erforderlich. Es sei auch schon Anfang bis Mitte der 80er Jahre Wissensstand gewesen, dass sich Nitrosamine auch bei Verwendung eines tertiären Amins bilden könnten. In diesen Fällen sei die Ausbeute nur schlechter. Der Sachverständige Dr. S. hat die zitierten Ausführungen auch in seinem wissenschaftlich-toxikologischen Gutachten vom 12.04.2001 wiederholt. Aufgrund dieser gutachterlichen Ausführungen und der Anhörung des Sachverständigen Dr. S. ist der Senat davon überzeugt, dass x. krebserzeugende Amine enthielt und die Beklagte aufgrund von einschlägigen Veröffentlichungen noch vor 1987 dies hätte erkennen können und müssen. Die gegenteiligen Ausführungen des Privatsachverständigen H. lassen keine Zweifel an dem vom Sachverständigen Dr. S. gewonnenen Untersuchungsergebnis aufkommen, denn ein Privatsachverständigengutachten stellt im Regelfall nur einen substantiierten Parteivortrag dar. Soweit einem Privatsachverständigengutachten im Einzelfall auch Beweiswert zukommen kann, reicht die vom Privatsachverständigen H. an den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. geübte Kritik nicht aus, um Zweifel an den Untersuchungsmethoden und dem gewonnenen Ergebnis des Sachverständigen Dr. S. hervorzurufen. Aufgrund seiner unabhängigen Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger und seiner langjährigen einschlägigen Befassung mit der toxischen, krebsfördernden Wirkung einzelner Bestandteile von Kühlschmierstoffen ist seinen gutachtlichen Feststellungen der Vorzug zu geben. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. S., wonach die Nitrosaminbildung aufgrund von Aminen in Kühlschmierstoffen bereits Anfang bis Mitte der 80er Jahre Wissensstand gewesen sei, ist eine Verletzung der Produktbeobachtungspflicht durch die Beklagte anzunehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, x. darauf zu untersuchen, ob es auch die nach Auffassung der Wissenschaft krebserzeugend wirkenden Substanzen enthielt und, falls dies der Fall gewesen sein sollte, x. vom Markt zu nehmen. Eine bloße Warnung der Abnehmer wäre nicht ausreichend gewesen, weil es sich bei der krebsfördernden Wirkung um ein besonders gefährliches Gesundheitsrisiko handelt und keine Sicherheit bestand, dass bei der Verwendung von x. Übertragungen krebsfördernder Stoffe oder die Veranlassung krebsfördernder Reaktionen beim Menschen ausgeschlossen werden konnten. Im Übrigen hat es auch an Warnungen der Beklagten bei der Anwendung von x. gefehlt. Dies steht bereits deshalb fest, weil die Beklagte ihr Produkt für ungefährlich hielt und hält und deshalb aus ihrer Sicht kein Anlass für eine Warnung bestand. Ein derartiger unterlassener Hinweis kann ebenfalls schadensersatzpflichtig machen, weil ein Produzent trotz Einhaltung der technischen Regeln und Wahrung behördlicher Zulassungsvoraussetzungen eine von seinem Erzeugnis ausgehende, erkennbare Gefahr dem Benutzer mitteilen muss (BGH NJW 1999, 2815, 2816).

Die vom Senat für bewiesen erachtete Verletzung der Produktbeobachtungspflicht macht es entbehrlich, auch darauf einzugehen, ob möglicherweise ein Konstruktionsfehler oder lediglich ein haftungsfreier Entwicklungsfehler bei der Herstellung von x. vorlag, weil auch ein weiterer Haftungsgrund die Rechtsstellung der Kläger nicht verbessern würde. Die Kläger können gleichwohl von der Beklagten nicht Schadensersatz wegen der Verletzung der Produktbeobachtungspflicht verlangen, weil nur bewiesen ist, dass der Erblasser der Einwirkung von x. ausgesetzt war, nicht aber daß dies zur Darmkrebserkrankung führte. Aufgrund der Aussagen der Zeugen O., J., St. und R. ist davon auszugehen, dass an der Rundschleifmaschine Fortuna in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1987 x. zum Einsatz kam. Dies ergaben nicht nur die Beobachtungen der Zeugen, sondern auch die Einkaufsunterlagen belegen, in welcher Zeit welcher Kühlschmierstoff gekauft und verwendet wurde. Nach der Aussage des Zeugen J. wurden die Kühlschmiermittel regelmäßig untersucht. Anhaltspunkte dafür, dass andere nitrosaminverdächtige Produkte verwendet wurden, hat die Beweisaufnahme nicht bekräftigt. Der vom Landgericht vernommene sachverständige Zeuge Dr. S. hat bekundet, dass er an den Untersuchungen in der Firma K. und B. mitgewirkt habe. Soweit der verstorbene Betriebsleiter Z. Urinproben von Mitarbeitern und auch vom Erblasser entnommen hatte und die Beklagte bezweifelt, dass dies ordnungsgemäß geschehen sei, lässt sich der Einwand durch die Bekundung des Dr. S. widerlegen, der ausgesagt hat (Bl. 147 d.A.):

„Wir haben sowohl durch Untersuchung verdünnter Lösungen als auch durch Lösungen, wie sie vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden, als auch durch die Urinuntersuchungen festgestellt, dass eindeutig zu hohe Nitrosaminwerte in diesem Produkt enthalten waren.“

Wenn das vom Hersteller überlassene Kühlschmiermittel x. zu hohe Nitrosaminwerte enthielt, liegt es nahe, dass diese Werte aufgrund der Tatsache, dass der menschliche Körper Nitrosamine aufnahm, auch in Urinuntersuchungen auftauchten. Da somit die Urinuntersuchungen zu den neutralen Untersuchungen passten, ist der durch nichts belegte Verdacht der Beklagten, der verstorbene Betriebsleiter Z. sei bei den Urinproben möglicherweise nicht korrekt vorgegangen, unbegründet. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Betriebsleiter Z. für den Arbeitsschutz seiner Arbeitnehmer verantwortlich war und er darüber hinaus die Untersuchungen für eine Dissertation verwenden wollte und somit besonders genau sein musste, dafür, dass er bei der Kennzeichnung der Urinproben mit der erforderlichen Sorgfalt vorging. Auch wenn nach Auffassung des Senats feststeht, dass der Erblasser in der Zeit vom 01.02. bis 31.12.1987 an einer Rundschleifmaschine mit dem Kühlschmierstoff x. arbeitete, hat der Senat sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen können, dass die Darmkrebserkrankung des Erblassers durch x. verursacht wurde. Der Sachverständige Prof. B. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2004 zur Frage der Ursächlichkeit zwischen dem Einsatz von x. an der Rundschleifmaschine im Betrieb des Erblassers und dessen Darmkrebserkrankung Stellung genommen. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Erblasser sei im Jahre 1987 gegenüber dem Kühlschmiermittel x. exponiert gewesen. Während dieser Exposition ließen sich im Urin stark erhöhte Belastungen mit N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) nachweisen. Nach Wechsel des Kühlschmiermittels sistierte diese innere Belastung. NDELA habe sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Beim Menschen könne eine krebserzeugende Wirkung von NDELA nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht nachgewiesen werden, insbesondere würden keine überzeugenden Hinweise für das überhäufige Auftreten von bösartigen Dickdarmtumoren vorliegen. Demzufolge könne es auch keine Erkenntnisse geben, ab welcher Urin-Konzentration das Risiko für Dickdarmtumore beim Menschen ansteigen könne. Somit würden die gemessenen NDELA-Konzentrationen im Harn auch keine erhöhte Dickdarmkrebsgefährdung oder eine akute Gesundheitsgefährdung im Sinne einer Intoxikation belegen. Die geringe Dauer von Expositions- und Tumorinduktionszeit spreche gegen einen Zusammenhang zwischen der x. -Belastung im Jahr 1987 und der Dickdarmkrebserkrankung im Jahr 1993. Darüber hinaus werde das Auftreten von Dickdarmkrebs bei jüngeren Menschen auch ohne Nachweis prädisponierender Faktoren in der internationalen wissenschaftlichen Literatur mehrfach beschrieben. Es Lasse sich nicht mit dem erforderlichen Grad der Sicherheit feststellen, dass der von der Beklagten hergestellte Kühlschmierstoff x. die Dickdarmkrebserkrankung des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters der Kläger verursacht habe. In der mündlichen Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige B. bekundet, für ihn würden mehr Argumente gegen als für einen Zusammenhang zwischen x. und dem Tod des Erblassers sprechen. Schon die Unsicherheit, dass man Erkenntnisse aus Tierversuchen möglicherweise nicht auf Menschen übertragen könne, spreche dagegen. Auch die relativ kurze Zeit zwischen dem Einwirken von x. auf Herrn D. und seinem Tod spreche dagegen. Die Zeit habe lediglich sechs Jahre betragen. Auch wenn sich in dieser kurzen Zeit Krebs entwickeln könne, sei es weniger wahrscheinlich als nach etwa 15 Jahren. Das Krebsrisiko von Schleifern sei gegenüber der Normalbevölkerung nicht einmal verdoppelt. Es gebe keine Untersuchungen, wonach NDELA speziell im Dickdarm Krebs auslöse. Es gebe nur allgemeine Untersuchungen zum Dickdarmkrebs. Die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung durch x. sei durch die nur elf Monate dauernde Exposition gesenkt worden. Diese Umstände führten zu Zweifeln daran, dass der Tod von Herrn D. auf x. zurückzuführen sei. Auszuschließen sei dies aber nicht. Ohnehin könne bei mehr als 50 % der Dickdarmkrebsfälle die Ursache nicht festgestellt werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. B. ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der Darmkrebserkrankung des Erblassers und der elfmonatigen Verwendung von x. an seinem Arbeitsplatz eher unwahrscheinlich. Während der Sachverständige Prof. B. aus medizinischer Sicht die Darmkrebserkrankung des Erblassers aufgrund der Verwendung von x. für unwahrscheinlich gehalten hat, hat der Sachverständige Dr. S. als Toxikologe die Ursächlichkeit der Krebserkrankung durch x. für hinreichend wahrscheinlich bzw. wahrscheinlich angesehen. Diese Einschätzung gibt aber keine sichere Überzeugung von der Ursächlichkeit wieder, so dass sich zwischen den Gutachten der Sachverständigen Prof. B. und Dr. S. lediglich graduelle Unterschiede hinsichtlich der Bewertung des Nachweises einer durch x. verursachten Krebserkrankung ergeben. Aufgrund der im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten ist deshalb die Ursächlichkeit nicht bewiesen worden. Auch die in weiteren Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergeben keinen sicheren Hinweis auf die Ursächlichkeit von x. für die Darmkrebserkrankung des Erblassers. Lediglich Prof. R. hielt die Darmkrebserkrankung des Erblassers für berufsbedingt. Prof. N. war der Auffassung, dass die Krebserkrankung des Versicherten D. mit höherer Wahrscheinlichkeit auf seine berufliche Tätigkeit ursächlich zurückgeführt werden müsse als auf andere Lebensumstände. Prof. P. hat einen kausalen Zusammenhang zwischen der langjährigen Arbeitsexposition des Erblassers und seiner zum Tode führender Krebserkrankung als wahrscheinlich betrachtet. Der Sachverständige Prof. Bo. ist in dem im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten zum Ergebnis gelangt, dass nicht mit der versicherungsrechtlich geforderten Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden könne, dass zwischen der beruflichen Schadstoffexposition als Dreher/Schleifer und dem zu Lebzeiten festgestellten Dickdarmkarzinom ein kausaler Zusammenhang bestehe. Die Sachverständigen Prof. Ei. und Prof. Sch. haben die Ursächlichkeit von x. für das Dickdarmkarzinom des Erblassers für überwiegend wahrscheinlich gehalten. Bezieht man die genannten Gutachten in die Beweiswürdigung mit ein, kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass eine graduell unterschiedliche Wahrscheinlichkeit für die Ursächlichkeit krebserzeugender Stoffe in x. für die später aufgetretene Krebserkrankung des Erblassers angenommen werden könnte. Das reicht aber für eine Beweisführung zur Ursächlichkeit nicht aus. Die Klage muss auf die Berufung der Beklagten abgewiesen werden, weil die Kläger die Beweislast nicht nur für den Verstoß gegen die Produktbeobachtungspflicht, sondern auch für die Ursächlichkeit zwischen dem Verstoß und dem Eintritt eines Schadens trifft. Dieser Beweis ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht erbracht worden. Beweiserleichterungen für die haftungsbegründende Kausalität kommen nicht zum Zug. Wenn feststeht, dass ein Produkt mangelhaft ist und die bestimmungsgemäße Verwendung zu einem Schaden geführt hat, muss der Hersteller sich hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit oder des Verschuldens entlasten (BGH NJW 1996, 2507, 2508; 1999, 1028, 1029 und 2815, 2816). Dieser Grundsatz kann hier nicht angewendet werden, weil bei einem Einwirken von x. allenfalls ein erhöhtes Krebsrisiko festzustellen ist, die Risikoerhöhung aber nicht so stark ausgefallen ist, dass angenommen werden muss, dass der Erblasser deshalb an einem Dickdarmkarzinom erkrankte.

Beweiserleichterungen für die Kausalitätsfrage, die bis zur Beweislastumkehr reichen können, können bei Überschreitung der im Rahmen einer Betriebsgenehmigung durch Verwaltungsvorschriften oder durch Bestimmungen und Auflagen festgelegten Emissions- und Immissionswerte gerechtfertigt sein (BGH NJW 1997, 2748). Insoweit kann auf die TRGS 552 und TRGS 611 verwiesen werden, wonach Nitrosaminverbindungen als krebserzeugend eingestuft wurden und in Kühlschmiermitteln nicht verwendet werden durften. Diese Vorschriften sind aber erst 1996 und 1997 erlassen worden. 64 Auch ein Anscheinsbeweis, der darauf beruhen könnte, dass bei empirischen Erhebungen eine Häufigkeit von Darmkrebserkrankungen bei Exposition gegenüber Nitrosaminen festgestellt wurde und dadurch ein typischer Sachverhalt vorliegen könnte, greift nicht ein. Zwar ist auch bei der Produkthaftung ist ein Anscheinsbeweis möglich (BGH NJW 1988, 2611, 2612; 1991, 1948, 1949; 1997, 2748). Der Beweis des ersten Anscheins ist zulässig, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. In der Entscheidung BGH NJW 1991, 1948, 1949 ff. wurde im Hinblick darauf, dass ein direkter Nachweis einer Kontamination einer Blutkonserve mit HIV-Erregern nicht möglich war, ein dreifacher Anscheinsbeweis zugelassen, durch den die Kausalkette hinreichend geschlossen wurde. Bei Krebserkrankungen ist wegen der Vielzahl der Risikofaktoren ein derartiger Anscheinsbeweis aber nicht möglich, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehlt, denn allein das Bestehen eines Risikofaktors lässt nicht auf den späteren Eintritt einer Krebserkrankung schließen, die auf einer bestimmten Ursache beruht. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass allein x. als Krebsursache feststeht. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 25 Abs. 2 GKG. Die Streitwertfestsetzung entspricht dem Beschluss vom 28.01.1999 (Bl. 262 d.A.). Ein Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.