Urteile Medizinproduktehaftung

OLG Koblenz 12. Zivilsenat, 29.08.2005, 12 U 538/04

Medizinrecht

Normen:§ 823 BGB, § 843 BGB, § 847 BGB, § 1 ProdHaftG, § 8 ProdHaftG, § 9 ProdHaftG

Leitsatz

Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines Produktes nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation im genannten Sinne beruhen. Er ist grundsätzlich auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eintreten, dass er die Verwender pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich aus der Verwendung des Produkts ergeben. Eine solche Warnpflicht erstreckt sich auch auf einen nahe liegenden Fehlgebrauch. Sie entfällt jedoch, wenn das Produkt ausschließlich in die Hand von Personen gelangen soll, die mit den Gefahren vertraut sind, wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist oder wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem wenigstens leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben.

Fundstellen

NJW-RR 2006, 169-171 (Leitsatz und Gründe) OLGR Koblenz 2006, 343-345 (Leitsatz und Gründe) weitere Fundstellen VuR 2006, 39 (Leitsatz) NZV 2006, 155-156 (Leitsatz) StoffR 2006, 45-46 (Leitsatz) Verfahrensgang vorgehend LG Koblenz, 31. März 2004, Az: 1 O 258/03, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 31. März 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund der Produkthaftung der Beklagten für eine von ihr hergestellte Knetermaschine zur Aufbereitung von PVC-Kunststoff, bei deren Bedienung dieser (der Kläger) am 20. Juni 2002 als Mitarbeiter der Firma K… P… GmbH & Co. KG erheblich verletzt wurde. In der Maschine war der Kunststoff erkaltet und hatte den Kneter verklebt, der sich dadurch nicht öffnen ließ. Statt die Maschine gemäß der diesbezüglichen Bestimmung der Bedienungsanleitung mit für solche Fälle vorgesehenen Abdrückschrauben zu öffnen, erhitzte der Kläger den Kunststoff in der Maschine und versuchte dann, die Gehäusehälften mit der Hydraulik, die zum Öffnungs- und Schließmechanismus für den Normalbetrieb gehört, zu öffnen. Dabei entstand ein zunehmender Druck bis zu 350 bar. Nachdem sich zumindest eine Gehäusehälfte durch Betätigen des Hydraulikhebels nicht öffnen ließ, stieg der Kläger auf die Maschine, um nachzusehen. Dabei sprang die Gehäusehälfte nach Abriss von zwei durch den entstandenen Druck überlasteten Halteschrauben am Gabelkopf auf, klappte um 110 Grad statt der beim ordnungsgemäßen Betrieb vorgesehenen 45 Grad ab und quetschte dem Kläger das linke Bein. Der Kläger trug dadurch erhebliche und andauernde körperliche Beeinträchtigungen davon.

Der Kläger hat den Unfall vor allem auf einen Konstruktionsfehler der Maschine zurückgeführt. Es habe ein Überdruckventil gefehlt, das einen zu hohen Druckaufbau im Inneren der Maschine hätte verhindern können. Zudem sei kein Manometer vorhanden, das zur Kontrolle des Drucks hätte dienen können. Schließlich seien die Halteschrauben des Gehäuses zu schwach und zu kurz ausgeführt worden, um ein plötzliches Abklappen der Gehäusehälfte in der konkreten Situation zu verhindern. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Kapital (mindestens 40.000 Euro) und Rentenform (500 Euro monatlich) zu verurteilen und festzustellen, dass sie verpflichtet ist, ihm allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Träger der Sozialversicherung übergehen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat darauf verwiesen, dass der Kläger den Unfall selbst verschuldet habe, weil er nicht nach der Betriebsanleitung mit den Abdrückschrauben vorgegangen sei, sondern versucht habe, das Gehäuse unter Druckerhöhung mit Hilfe der Hydraulik aufzusprengen. Dafür sei die Maschine nicht ausgelegt, so dass die in der konkreten Situation vermissten Ausstattungsteile oder unzureichenden Halteschrauben keinen Konstruktionsmangel im Sinne des Haftungsrechtsdarstellten.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 31.3.2004 (Bl. 56 ff. GA) abgewiesen. Ansprüche nach §§ 823, 843, 847 BGB, §§ 1, 8, 9 ProdHaftG bestünden nicht, weil der Kläger den Unfall selbst verschuldet habe. Der Beklagten sei ein Instruktionsfehler nicht vorzuwerfen, weil das Bedienungshandbuch, das dem Kläger zur Verfügung gestanden habe, die richtige Methode der Beseitigung von Verklebungen beschrieben und auf Gefahren im Öffnungsbereich der Gehäusehälften hingewiesen habe. Diese Bedienungs- und Gefahrenhinweise seien ausreichend. Dabei sei zu beachten, dass es um die Gerätebedienung durch Fachpersonal gegangen sei.

Die Beklagte habe in ihrer Bedienungsanleitung für die Maschine betont, dass bei Verklebungen die Öffnung mit der Hydraulik nicht zulässig sei, sondern die Abdrückschrauben verwendet werden müssten. Es sei für Fachpersonal erkennbar gewesen, dass die Benutzung der Hydraulik bei Verklebungen zu einer erheblichen Kraftentfaltung führen könne, zumal wenn zugleich eine Erhitzung des Kunststoffmaterials stattfinde. Das Fehlen eines Überdruckventils sei dem Kläger bekannt gewesen. Über das Vorliegen einer Verklebung sei der Kläger schon bei Beginn seiner Arbeitsschicht informiert worden.

Die Behauptung des Klägers, die Abdrückschrauben hätten seinem Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestanden, rechtfertige wegen der eindeutigen Bedienungsanweisung im Benutzerhandbuch keine andere Bewertung. Das sei dem Hersteller nicht zuzurechnen. Es liege auch kein Konstruktionsfehler vor, der für den Schaden ursächlich geworden sei. Zwar fehlten ein Überdruckventil zur Begrenzung des Innendrucks und ein Manometer. Auch seien die Halteschrauben für die Gehäusehälften zu schwach ausgeführt, um einem Überdruck von 350 bar, wie er zum Unfallzeitpunkt durch die Maßnahmen des Klägers entstanden sei, beim Öffnen standzuhalten. Jedoch sei es zum Unfall verursachenden Aufsprengen der Gehäusehälften nur durch den Bedienungsfehler gekommen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klageziel weiter verfolgt. Er meint, zuletzt unter Hinweis auf einen Untersuchungsbericht der Berufsgenossenschaft, Voraussetzung für den vom Landgericht angenommenen Wegfall der Produkthaftung des Maschinenherstellers wäre, dass ein ordnungsgemäßes Gerät vorliege; das sei aber nicht der Fall. Das Landgericht habe Herstellungsfehler angenommen, aber gleichwohl eine Haftung der Beklagten verneint. Auf die Gefahren, die sich bei dem Unfall realisiert hätten, sei auch nicht im Handbuch hingewiesen worden, weil diese Gefahren nicht bekannt gewesen seien. Er habe bei dem Versuch der Öffnung des Gehäuses im Einklang mit der Bedienungsanleitung gehandelt. Das Landgericht habe verkannt, dass er durch Aufsteigen auf die Maschine sein Leben gerettet habe, weil die aufspringende Gehäusehälfte ihn dadurch „nur“ am Bein, aber nicht etwa am Kopf getroffen habe.

Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Sie verweist darauf, dass der Arbeitgeber des Klägers eine Vielzahl solcher Maschinen betreibe und der Kläger ein erfahrener Maschinenführer sei. Ein „Festfahren“ der Maschine durch Überfüllung, durch zu geringe Temperatur des Kunststoffs und anderes mehr sei ein wiederkehrender Vorgang. Die Lösung von Verklebungen sei daher ein Routinevorgang beim Betrieb dieser Maschine. Für diesen Fall sei ausdrücklich die Verwendung der Abscherschrauben vorgesehen. Ein Aufsprengen durch Druckerhöhung im Inneren der Maschine unter Erhitzung des Kunststoffmaterials und Bedienung der Öffnungshydraulik sei ein grober Bedienungsfehler. Dafür hafte sie nicht. Auch eine Notwendigkeit, auf die Maschine zu steigen, sei vom Kläger nicht dargetan worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.

II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte ist dem Kläger nicht nach den Grundsätzen über die Produkthaftung zum Schadensersatz verpflichtet.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG ist der Hersteller eines Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den Schaden an Körper und Gesundheit zu ersetzen, der durch den Fehler eines Produkts verursacht worden ist. Nach § 8 ProdHaftG in der vor dem Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) geltenden Fassung beschränkt sich im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit der Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten, des Verdienstausfallschadens und des Ersatzes der vermehrten Bedürfnisse. Einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat der Geschädigte insoweit nur unter den Voraussetzungen der §§ 823, 847 BGB a.F.

Die Haftung aus unerlaubter Handlung unterscheidet sich von der Gefährdungshaftung nach dem Produkthaftungsgesetz im Wesentlichen nur durch das Erfordernis eines Verschuldens des Produktherstellers. Auch aus unerlaubter Handlung haftet der Hersteller unter dem Aspekt der Verletzung der Verkehrssicherheitspflicht nur, wenn er (schuldhaft) ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr bringt.

Der Begriff des Fehlers ist in § 3 ProdHaftG definiert. Dieser Fehlerbegriff hat gleichermaßen Bedeutung für den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB und denjenigen des § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Gemäß § 3 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.

Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines Erzeugnisses aber nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation im genannten Sinne beruhen. Er ist grundsätzlich auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eintreten, dass er die Verwender des Produkts pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich aus der Verwendung der Sache ergeben (BGHZ 64, 46, 49; 116, 60, 65; BGH NJW 1987, 372, 373; 1999, 2815 f.). Eine solche Warnpflicht besteht nicht nur in Bezug auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts; sie erstreckt sich innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks auch auf einen nahe liegenden Fehlgebrauch (BGHZ 105, 346, 351; 106, 273, 283; 116, 60, 65, 67; BGH NJW 1981, 2514, 2515; 1994, 3349, 3350; 1999, 2815, 2816). Diese Pflicht entfällt jedoch dann, wenn das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers ausschließlich in die Hand von Personen gelangen kann, die mit den Gefahren vertraut sind (BGHZ 116, 60, 65 f.; BGH NJW 1986, 1863, 1864; 1999, 2815, 2816), wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist (BGH NJW 1995, 2631, 2632) oder wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen oder äußerst leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben (BGH NJW 1999, 2815, 2816).

2. Nach diesen Maßstäben liegt kein Grund zur Annahme der Schadensersatzhaftung der Beklagten vor. Die Berufung geht daran vorbei, dass ein Fall der Verklebung bereits bei Beginn der Arbeitsschicht des Klägers gemeldet worden war. In einem solchen Fall muss nach der Bedienungsanleitung der Beklagten für die Knetermaschine das Öffnen der Gehäusehälften mit den Abscherschrauben erfolgen. Diese Vorgehensweise hätte nicht einen Druckaufbau in der Maschine bewirkt, der hier im Zusammenwirken mit der Kraftentfaltung der Hydraulik der Maschine zum schlagartigen Öffnen der Gehäusehälften geführt hat. An die ausdrückliche Vorschrift der Verwendung der Abscherschrauben hat sich der Kläger – nach eigener Darstellung in Kenntnis der Vorgaben der Bedienungsanleitung (Bl. 50 GA) – nicht gehalten, obwohl er zum Fachpersonal der Betreiberfirma der Maschine gehört. Die Druckerhöhung und gleichzeitige Bedienung der Hydraulik sowie schließlich auch das Aufsteigen auf die Maschine ohne plausiblen Grund – die Verklebung war nach dem unstreitigen Sachverhalt vorher bekannt – war ein grober Bedienungsfehler.

3. Ein haftungsrechtlich relevanter Konstruktionsfehler der Maschine lag bei dieser Sachlage nicht vor. Das ist nämlich nicht schon dann der Fall, wenn ein Produkt eine gewisse Gefährlichkeit in sich birgt und sich diese Gefahr im Einzelfall realisiert. Fehlerhaft ist das Produkt nur, wenn es objektiv nicht die Sicherheit bietet, die die Allgemeinheit nach der Verkehrsauffassung in dem entsprechenden Bereich für erforderlich hält (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248, 1249). Das ist hier schon deshalb auszuschließen, weil ein Fehler, der sich bei ordnungsgemäßer Bedienung im Sinne des Unfallereignisses ausgewirkt hätte, nicht ersichtlich ist. Eine Fehlbedienung, die nicht nahe liegt, ist dagegen im Sinne des Fehlermaßstabs kein Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann (§ 3 Abs. 1 Buchst. b ProdHaftG).

4. Zwar hat ein Hersteller bereits im Rahmen der Konstruktion seines Produktes die Verpflichtung, im Rahmen des ihm zumutbaren alle Gefahren abzuwenden, die sich aus der Benutzung ergeben können. Auch für die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers von Maschinen gilt aber, dass er bei der Herstellung diejenigen Maßnahmen ergreifen muss, die im konkreten Fall zur Vermeidung von Gefahren erforderlich und zumutbar sind. Dabei ist für die Produktsicherheit in erster Linie die durchschnittliche Erwartung derjenigen Verbraucher maßgebend, für die das Produkt bestimmt ist, daneben aber auch das Sicherheitsniveau, das nach dem jeweiligen Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik möglich und zumutbar ist. Die Untergrenze dieses Sicherheitsniveaus wird in der Regel von den anerkannten Regeln der Technik bestimmt, die den Mindeststandard darstellen, bei dessen Nichteinhaltung im allgemeinen von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auszugehen ist (vgl. BGH NJW 1994, 3349, 3350; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2333). Gemessen an diesen Vorgaben lässt sich hier nicht feststellen, dass die Beklagte ein fehlerhaftes Produkt hergestellt hat. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist die Knetermaschine nicht für Druckverhältnisse, wie sie durch den Bedienungsfehler des Klägers entstanden sind, konzipiert und ein solcher Innendruck kommt bei ordnungsgemäßem Gebrauch nicht vor. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

Selbst wenn man gleichwohl vom einem Konstruktionsfehler der Knetermaschine ausgehen wollte, könnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben; denn er hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die von ihm angenommenen Fehler für das Unfallgeschehen und damit für die Körperschäden und deren Folgen in einer der Beklagten zuzurechnenden Weise ursächlich waren. Auch einen solchen Ursachenzusammenhangs muss der Kläger sowohl bei einem auf das Produkthaftungsgesetz gestützten Anspruch gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Produkthaftungsgesetz als auch bei einem auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruch darlegen und beweisen (vgl. BGH NJW 1996, 2507, 2508; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800, 801; OLG Karlsruhe VersR 2003, 1584, 1585; Kullmann NJW 1997, 1746, 1753; 2000, 1912, 1916). Daran fehlt es. Nach dem Vorbringen des Klägers hat vielmehr sein Arbeitgeber gegen Sorgfaltsregeln verstoßen, indem er die zum ordnungsgemäßen Öffnen des Gehäuses im Fall der Verklebung nach der Bedienungsanleitung zwingend vorgesehenen Abdrückschrauben nicht zur Verfügung gestellt hat. Das ist der Beklagten, die die Lieferung der Abscherschrauben urkundlich belegt hat (Bl. 53-2, 53-3 GA), nicht zuzurechnen.

Der Kläger selbst hat in Kenntnis der Verklebung eine gegen die ausdrückliche Anweisung in der Bedienungsanleitung verstoßende Handlung vorgenommen. Auch das ist der Beklagten mit Blick auf ihre an Fachpersonal gerichtete Forderung, bei Verklebungen müssten die Abscherschrauben verwendet werden, nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des bewusst fehlerhaft Handelnden nicht zuzurechnen. 16 b) Ein Instruktionsmangel, der in der konkreten Situation den Schaden des Klägers in einer der Beklagten zurechenbaren Weise verursacht hätte, liegt nicht vor. Die Notwendigkeit einer bestimmten Instruktion hat der Kläger darzulegen und zu beweisen (vgl. BGHZ 80, 186, 198; 116, 60, 73). Daran fehlt es.

Die Berufung geht mit ihrem Hinweis darauf, dass ein Fall der Verklebung erst durch erfolgloses Betätigen der Hydraulik festgestellt werden müsse, daran vorbei, dass dieser (der Kläger) unstreitig zu Beginn seiner Arbeitsschicht bereits mit dem Vorliegen eines Falles der Verklebung konfrontiert worden war. Für einen feststehenden Fall der Verklebung ist die Anweisung zur Art und Weise des weiteren Vorgehens in der Bedienungsanleitung der Beklagten eindeutig: „Die Gehäusehälften müssen dann mit den mitgelieferten Abdrückschrauben durch die vorgesehenen Bohrungen gelöst werden“ (Bl. 29-4 GA). Damit ließ die Bedienungsanleitung keinen Zweifel an der gebotenen Art des Vorgehens.

Weil die Beklagte als Herstellerin der Maschine vertraglich mit der Betreiberfirma ausbedungen hatte, dass nur instruiertes Fachpersonal die Maschine bedienen dürfe und diesem Personal die Bedienungsanleitung stets zur Verfügung stehen müsse, war grundsätzlich in ausreichender Weise sichergestellt, dass die Abdrückschrauben verwendet werden würden. Dies war eine Vorgehensweise, die anstelle der vom Kläger gewählten Vorgehensweise der Erhitzung des Kunststoffmaterials nicht zur Erhöhung des Innendrucks geführt hätte. Die Verwendung der Abdrückschrauben anstelle der Bedienung der Hydraulik hätte dann nicht zum Aufsprengen der Gehäusehälften geführt. Das hat die Beklagte behauptet und der Kläger ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten. War aber die in der Bedienungsanleitung vorgesehene Vorgehensweise zwingend vorgeschrieben („müssen“) und hätten sie den Ablauf, aus dem der Schaden des Klägers tatsächlich entstanden ist, vermieden, dann liegt kein Instruktionsmangel vor, der hier für die Haftungsfrage rechtlich relevant sein könnte.

Auch der Hinweis auf drohende Gefahren war im Zusammenhang mit der gebotenen Vorgehensweise bei Verklebungen ausreichend deutlich. Die Bedienungsanleitung wies neben einem am Textrand angebrachten Stop-Zeichen wie folgt auf die drohenden Gefahren hin (Bl. 29-5 GA): „Verletzungsgefahr; primär Quetsch-, Schergefahr von Fingern, Händen, Armen! Beim Aufklappen der Gehäuse entstehen im Neigungsbereich der Gehäusehälften große Druck- und Scherkräfte. Während des Öffnens der Kneterhälften dürfen keine weiteren Personen am Kneter arbeiten oder sich im Neigungsbereich der Gehäusehälften aufhalten!“ Damit war zwar zunächst nur auf die Gefahren aufgrund des Normalbetriebes der Maschine ohne Verklebungen hingewiesen worden. Indes war daraus für Fachpersonal im Kontext mit dem Gebot, dass zur Öffnung der Gehäusehälften bei Verklebungen die Abdrückschrauben verwendet werden „müssen“, auch klargestellt, dass sich die Scherkräfte, die bereits beim Normalbetrieb entstehen, im Fall eines der Bedienungsanleitung widersprechenden Aufsprengens der Gehäusehälften durch Druckerhöhung und Bedienung der Hydraulik noch erheblich vergrößert werden würden.

Die Potenzierung der dadurch heraufbeschworenen Gefahren lag dann aber so auf der Hand, dass ein gesonderter Hinweis auf spezielle Gefahren beim vorschriftswidrigen Umgang mit der Maschine nicht mehr erforderlich war. Ein Grund zur Haftung der Beklagten für den konkreten Schaden liegt nach allem nicht vor. Auch der vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgelegte Untersuchungsbericht der Unfallgenossenschaft rechtfertigt keine andere Entscheidung. Er gelangt zu dem Ergebnis (Bl. 108 GA): „Als primäre Ursache für das Versagen der Befestigungsschrauben am Gabelkopf ist der unzulässig hohe Druck zu nennen, der mit Hilfe der Öffnungs- und Schließhydraulik infolge fehlender Druckbegrenzung aufgebaut wurde“ (Bl. 108 GA). Das ist technisch einleuchtend; es beschreibt aber die Folgen einer Vorgehensweise, die nach den klaren Anweisungen der Beklagten in der Betriebsanleitung in dem konkreten Fall, in dem der Kläger bei Arbeitsbeginn bereits darauf hingewiesen worden war, dass ein Fall der Verklebung vorliege, nicht ausgeführt werden durfte. Dass für andere Fälle, in denen die Verklebung noch nicht ersichtlich ist, eine versehentliche Betätigung der Hydraulik mit Gefährdungsfolgen möglich erscheint, die eine ohne Manometer nicht quantifizierbare Druckerhöhung bewirkt, ist hier nicht zu beurteilen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich davon durch den bewussten Verstoß des Klägers gegen die ihm bekannte Vorschrift der Bedienungsanleitung zum gebotenen Vorgehen im Fall erkannter Verklebungen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 712 ZPO. 23 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 75.000 Euro festgesetzt (40.000 Euro bezüglich der Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldkapitals, 30.000 Euro bezüglich der Schmerzensgeldrente, 5.000 Euro für die Feststellungsklage mit Blick auf die Schwere der Verletzungen). Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.