Urteile Medizinproduktehaftung

OLG Frankfurt 22. Zivilsenat, 10.02.1998, 22 U 58/96

Medizinrecht

Norm: § 823 Abs 1 BGB

Produktbeobachtungspflicht des Alleinimporteurs: keine Haftung für unvorhersehbare Produktfehler.

Orientierungssatz

1. Den Alleinimporteur eines im Inland vertriebenen Produkts trifft deliktsrechtlich eine Pflicht zur Überprüfung des Produkts auf gefahrgeneigte Beschaffenheit (passive Produktbeobachtungspflicht) mit der Folge, daß beim Verstoß gegen diese Pflicht eine rechtswidrige Eigentumsverletzung vorliegen kann, nur dann, wenn etwa bereits Schadensfälle bekannt geworden sind, oder die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen.

2. Für Schäden aufgrund von Produktionsfehlern kann der Alleinimporteur nur in Anspruch genommen werden, wenn vergleichbare Fälle bereits öfter in Erscheinung getreten sind, und er es unterläßt, in geeigneter Weise darauf zu reagieren.

3. Behebt der Importeur beanstandete Schwingungen an den Kraftstoffleitungen eines Fahrzeugs im Rahmen von Service-Maßnahmen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Auswirkungen derartiger Schwingungen durch schwingungsresistente Befestigung der Leitungen, dann ist es ihm nicht anzulasten, wenn es aufgrund eines bisher nicht aufgetretenen oder sonst bekannt gewordenen Produktionsfehlers, einer nicht richtig befestigten Holzschraube, erneut zu Leitungsschwingungen kommt, die zum Bruch der Kraftstoffleitung führen.

Fundstellen: RuS 1999, 369-371 (red. Leitsatz und Gründe) VersR 2000, 781-782 (red. Leitsatz und Gründe) Verfahrensgang nachgehend BGH, 6. Oktober 1998, Az: VI ZR 85/98.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Januar 1996 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstitutes erbracht werden.

Die Klägerin ist mit 131.212,61 DM beschwert.

Tatbestand

Die Klägerin — eine Kaskoversicherung — verlangt im Wege des Rückgriffs Schadensersatz von der Beklagten für ein durch einen Brandschaden zerstörtes Fahrzeug. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die…, unterhielt bei der Klägerin eine Kaskoversicherung für das Fahrzeug LKW Volvo, Typ 350 F12, mit der Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer -…- und dem amtlichen Kennzeichen…, Erstzulassung 6.12.1991, sowie für den mit der LKW-Zugmaschine verbundenen Auflieger, amtliches Kennzeichen…. Herstellerin des Fahrzeugs ist die Firma VOLVO AB in Göteborg/Schweden. Die Beklagte ist die Alleinimporteurin des Fahrzeugs. Dieses Fahrzeug erlitt am 11.5.1992 gegen 11.30 Uhr einen Brandschaden, der sich bei einer Laufleistung der Zugmaschine von 53.000 Kilometern ereignete. Der Fahrer der Versicherungsnehmerin… befuhr zu jener Zeit mit dem Fahrzeug die K 20 von Markershausen in Fahrtrichtung Altefeld. Etwa ein Kilometer hinter der Ortschaft Markershausen stellte er einen Brand im Motorraum fest. Die herbeigerufene Freiwillige Feuerwehr Herleshausen mußte zu den Löscharbeiten eingesetzt werden. Um mit einem gezielten Innenangriff den Brandherd schneller löschen zu können, mußten die beiden Fahrerhaustüren mittels eines Spreitzers aufgebrochen werden. Auf den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Herleshausen vom 20.5.1992 (Bl. 10 d. A.) wird Bezug genommen. Die Klägerin beauftragte daraufhin den Sachverständigen…, einen Sachverständigen für Brandursachen und kriminaltechnische Untersuchungen beim Hessischen Landeskriminalamt, mit der Begutachtung der Brandursachen. Mit Schreiben vom 19.5.1992 (Bl. 11 f d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten dies mit. Der Sachverständige… untersuchte das Fahrzeug am 9.6.1992 auf dem Firmengelände der Vertretung der Beklagten, der… in…. Er erstellte am 22.7.1992 ein Gutachten, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts und Inhalts auf die Fotokopie in der Anlage zur Klageschrift (Bl. 13 ff d. A.) verwiesen wird. Mit weiterem Schreiben vom 30.6.1993 (Bl. 45 ff d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 16.7.1993 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 131.212,61 DM auf. Sie bezifferte diesen Anspruch wie folgt: 1.) Fahrzeugschaden an der Zugmaschine gemäß einem Gutachten des KFZ-Sachverständigen… vom 10.6.1992 (Bl. 50 ff d. A.), aufgrund dessen die Klägerin gemäß Abrechnungsschreiben vom 10.7.1992 (Bl. 55 f d. A.) eine Erstattungsleistung an ihre Versicherungsnehmerin erbrachte: Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 137.000,– DM abzüglich Restwert in Höhe von 8.500,– DM – 128.500,– DM.

Fahrzeugschaden am Auflieger:

a. Hochdruckschlauchwechsel gemäß Rechnung der… vom 16.5.1992 (Bl. 57 d. A.): – 766,– DM.

b. Planenreparatur gemäß Rechnung der… vom 30.6.1992 (Bl. 58 d. A.): – 418,15 DM.

Kosten des Sachverständigen… für das Gutachten vom 22.7.1992 gemäß dessen Rechnung vom 22.7.1992 (Bl. 59 d. A.): 2.653,46 DM.

Von der Summe in Höhe von – 132.337,61 DM hat die Klägerin eine Selbstbeteiligung gemäß § 11 Produkthaftungsgesetz in Höhe von – 1.125,– DM in Abzug gebracht, woraus sie eine Gesamtforderung in Höhe von – 131.212,61 DM errechnet.

Dieser Betrag stellt die Klageforderung dar. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 15.7.1993 (Bl. 49 d.A.) jegliche Haftungsansprüche ab.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte ihr aus übergegangenem Recht gemäß § 67 Abs. 1 VVG für den ihrer Versicherungsnehmerin entstandenen und von ihr vertragsgemäß regulierten Schaden an dem in deren Eigentum stehenden Lastkraftwagen aus produkthaftungsrechtlichen und deliktischen Gesichtspunkten hafte. 27 Die Klägerin hat behauptet, der Brand sei dadurch entstanden, daß in dem von der Beklagten zur Auslieferung gebrachten Lastkraftwagen die vom Kraftstofffilter zur Einspritzpumpe führende Kraftstoffleitung nicht ordnungsgemäß mit dem erforderlichen Drehmoment angezogen gewesen sei. Die entsprechende Hohlschraube sei nämlich mit einem zu hohen Drehmoment — 90 Nm statt 30 bis 40 Nm — angezogen worden; dadurch sei der den festen Sitz der Schraube gewährleistende Gewindeeinsatz, der sogenannte Heli-Coil-Einsatz, beschädigt worden. Dieser Heli-Coil-Einsatz, der die (Hohl-)Schraube gegen beispielsweise durch Vibrationen des Motors bedingtes Selbstlösen sichere, sei durch die hohe Anzugskraft aus dem Gewinde gelöst worden. An dieser — nicht mehr richtig befestigten — Hohlschraube zur Verbindung der Kraftstoffleitung an die Einspritzpumpe sei dann Dieselkraftstoff ausgetreten und habe sich am nahe gelegenen Turbolader entzündet. Dies ergäbe sich aus den Brandspuren, die an der Schraube, an den Dichtringen und am Dichtflansch des Pumpengehäuses festgestellt worden seien. Bei ordnungsgemäßen Anziehen der Schraube hätten sich an diesen Stellen metallisch reine Flächen befinden müssen. Die Klägerin hat weiter behauptet, daß die Beklagte bei der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Produktionsfehler hätte erkennen und vermeiden können. Dies ergäbe sich insbesondere aus dem unstreitigen Umstand, daß bereits in einem Parallelverfahren (Landgericht Darmstadt, Az.: 9 O 419/93 = Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az.: 22 U 100/94) als Ursache für einen vergleichbaren Fahrzeugbrand ein Haarriß an der Kraftstoffvorleitung zwischen Kraftstoffilter und Einspritzpumpe festgestellt worden sei, der auf eine Eigenschwingung der Leitung zurückzuführen gewesen sei. Die Beklagte habe zuvor bereits — ebenfalls unstreitig — mit der „Service-Information Nr. 001/92“ vom 11.3.1992 (Bl. 79 d. A.) eine Umrüstaktion mit dem Ziel eingeleitet, die Kraftstoffleitung in ihrem Verlauf zwischen den beiden Anschlußstellen zu fixieren und dadurch das Auftreten von Schwingungen zu verhindern. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, daß diese ungedämpften Schwingungen, die nicht zwingend zu einem Bruch der Kraftstoffleitung führen müßten, vorliegend zum Lösen der — wie dargelegt nicht ordnungsgemäß befestigten — Schraube geführt hätten. 29 Die Klägerin hat deshalb die Auffassung vertreten, daß die Beklagte gegen ihre Produktbeobachtungspflicht verstoßen habe, weil ihr die Schadensanfälligkeit des in Rede stehenden defekten Einzelteils bekannt gewesen sei. Statt der bloßen Service-Information hätte es hier einer Rückrufaktion bedurft, die bei rechtzeitiger Durchführung den Brandschaden verhindert hätte. Jedenfalls hätte sie die Service-Information nicht bloß auf die Kraftstoffleitung selbst beschränken, sondern auf die gesamte Kraftstoffanlage beziehen müssen. Auch dies hätte den hier in Rede stehenden Schadensfall vermieden. Überdies habe die Beklagte schuldhaft gegen ihre Hinweispflicht verstoßen. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit des an den Kraftstoffleitungen auftretenden Mangels, der der Beklagten bekannt gewesen sei, hätte sie sich mit den Benutzern der Lastkraftwagen in Verbindung setzen und auf diese Gefährlichkeit hinweisen müssen. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 131.212,61 DM nebst 4 % Zinsen ab 17.7.1993 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet — was zuletzt unstreitig geworden ist –, daß ungedämpfte Schwingungen und Vibrationen nicht geeignet seien, eine ordnungsgemäß und werksseitig vorgenommene Verschraubung zu lösen. Sie hat weiter behauptet, daß von der Herstellerin alle Schraubverbindungen mit dem optimalen Drehmoment angezogen worden seien. Insbesondere sei die Hohlschraube der Bosch Kraftstoffpumpe mit einem Drehmoment von 30 bis 40 Nm angezogen worden. Schrauben und Anschlüsse würden im VOLVO-Werk ohne Ausnahme mit Drehmomentschlüsseln angezogen, bei denen die vorgegebenen Anzugswerte vorprogammiert seien. Laufende Kontrollen würden Fehler ausschließen. Vor Auslieferung der Fahrzeuge würden Schraubverbindungen an der Kraftstoffanlage auf ihre Ordnungsgemäßheit kontrolliert, so daß ein Fehler des Herstellers auszuschließen sei. Dies sei dem Lastwagenprotokoll vom 16.12.1991 (Blatt 95 d. A.) zu entnehmen. Es sei auch kein Fall bekannt, daß eine überzogene Befestigungsschraube das VOLVO-Werk verlassen habe. Überdies sei die streitgegenständliche Zugmaschine bereits serienmäßig mit einer Halterung entsprechend Ziffer 1 der VOLVO-Service-Information 001/92 ausgestattet gewesen. Die Maßnahme Ziffer 1 der Service-Information habe nur Motoren mit den Seriennummern 158758 bis einschließlich 179981 betroffen, der streitgegenständliche Motor habe aber die Seriennummer 189093, was sich aus der Volvo Truck Corporation Service Mitteilung T 2341/5.92 (Blatt 158 ff d. A.) ergäbe. Sie hat weiter behauptet, daß bei Durchführung der Maßnahmen entsprechend den Ziffern 1 und 2 der VOLVO-Service-Information 001/92 die fraglichen Hohlschrauben nicht demontiert und gelöst werden müßten. Weiterhin hat die Beklagte behauptet, daß der Fahrer des Fahrzeugs die Leckage lange vor dem Brandereignis hätte bemerken müssen. Die Verschraubung habe am Schadenstag so viel Spiel aufgewiesen, daß der Kraftstoff in erheblichen Mengen vor Fahrtantritt gut sichtbar und auch vom Geruch wahrnehmbar in den Motorraum und bei Stillstand auf die Fahrbahn geflossen sei. Das Landgericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 9.2.1994 (Bl. 101 f d. A.), ergänzt durch die Beschlüsse vom 19.5.1994 (Bl. 111 d. A.), 27.1.1995 (Bl. 152 f d. A.) und 20.12.1995 (Bl. 206 d. A.), Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen… vom 20.12.1994 (Bl. 131 ff d. A.) und dessen Ergänzung vom 31.7.1995 (Bl. 179 ff d. A.), sowie die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen gemäß dem Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.12.1995 (Bl. 206 ff d. A.) verwiesen. Durch das am 10.1.1996 verkündete angefochtene Urteil (Bl. 223 ff d. A.) hat das Landgericht sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Klägerin weder aus produkthaftungsrechtlichen, noch aus deliktsrechtlichen Gesichtspunkten ein Schadensersatzanspruch zustehe. Das Produkthaftungsgesetz sei für den hier streitgegenständlichen Schaden bereits nicht anwendbar. Aus deliktsrechtlichen Gründen könne die Beklagte allenfalls dann haften, wenn sie gegen eine Pflicht zur Überprüfung der Ware auf gefahrgeneigte Beschaffenheit verstoßen hätte, zu der sie aus besonderen Gründen Anlaß gehabt hätte. Eine solche Veranlassung zur Überprüfung habe hier jedoch nicht bestanden. Insbesondere ergäbe sich eine solche nicht aus den bekannten Schwingungen der Kraftstoffleitung, die nach dem Sachverständigengutachten eine ordnungsgemäß angezogene Schraube nicht hätten lockern können. Selbst wenn die Lockerung der Hohlschraube im vorliegenden Fall dadurch verursacht worden wäre, daß sie von der Herstellerin falsch angezogen worden wäre, so müßte darin allenfalls ein „Ausreißer“ gesehen werden, für den die Importeurin nicht einzustehen habe. Ob die Halterungen gemäß der Service-Information der Herstellerin gefehlt hätten, könne angesichts dieses Zusammenhangs dahinstehen. Da bei Durchführung dieser Service-Maßnahmen ein Lösen der Hohlschrauben nicht erforderlich sei, begründe auch die Anordnung der Nachrüstmaßnahmen keine Verpflichtung, die Verschraubung zu überprüfen. Bei Durchführung dieser Maßnahmen wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen die Lockerung der Schraube nicht bemerkt worden, weil diese hierfür hätten nicht gelöst werden müssen. Auch ein Verstoß gegen eine etwa bestehende Produktbeobachtungspflicht liege nicht vor, weil eine Beobachtung des Produkts in Ansehung der Schwingungsprobleme zu keinen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Hohlschrauben hätte führen können. Gegen dieses am 26.2.1996 zugestellte Urteil (Bl. 234 d. A.) hat die Klägerin mit einem am 25.3.1996 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 245 f d. A.) Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 24.4.1996 (Bl. 255 d. A.) mit einem am 28.5.1996 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 258 ff d. A.) begründet hat. Sie rügt die Rechtsanwendung durch das Landgericht und wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Insbesondere meint sie, daß die Auffassung des Landgerichts, nach der bei Durchführung der Service-Maßnahmen die Lockerung der Schrauben nicht hätte auffallen müssen, unzutreffend sei. Die danach erforderlichen Maßnahmen würden nämlich primär darauf abzielen, die Schwingungen der Kraftstoffleitung zu verhindern, die in dem Parallelfall zum Bruch der Leitung und hier zum Lösen der Hohlschraube geführt hätten. Es sei nämlich davon auszugehen, daß das Lösen der nicht kraftschlüssig verbundenen Hohlschraube durch die Schwingungen begünstigt worden sei. Dieser Umstand bedinge aber zwingend eine Überprüfung der Leitung auf bereits eingetretene Schädigungen. Da sich diese Schädigungen vornehmlich unmittelbar an den Lötverbindungen und somit an der Hohlschraube einstellen würden, hätte insbesondere dieser Bereich einer näheren Überprüfung unterzogen werden müssen. Es sei auszuschließen, daß dann eine bereits teilweise gelöste Hohlschraube übersehen worden wäre. Wenn Anzeichen für eine Undichtigkeit nicht gefunden worden wären, so hätte aber die Durchführung der Maßnahmen dazu geführt, daß sich wegen der Verminderung der Vibrationen die Hohlschraube nicht gelockert hätte. Die Klägerin ist deshalb der Auffassung, daß die Nichtdurchführung der Service-Maßnahme kausal für den Schadenseintritt gewesen sei, wenn auch die konkrete Zielrichtung der Service-Maßnahme nicht dem Überprüfen der Hohlschraube gelte. Sie hat weiter behauptet, daß keinerlei Anzeichen dafür bestünden, daß nach Auslieferung des Fahrzeugs Reparatur- oder sonstige Arbeiten an der Kraftstoffanlage durchgeführt worden seien. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, daß die Schraube nur einmal und zwar mit einem überhöhten Drehmoment angezogen worden sei. Die eigentliche Schadensursache — nicht ausreichend fester Sitz der Hohlschraube — wäre also im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme 2 der Service-Information entweder noch nicht vorhanden gewesen und somit durch die Maßnahme selbst verhindert worden oder aber sie wäre zwar bereits vorhanden und dann im Zuge der zur Durchführung der Service-Maßnahme erforderlichen Arbeiten zwingend erkannt worden. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10.1.1996 (9 O 416/93) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 131.212,61 DM nebst 4 % Zinsen ab 17.7.1993 zu zahlen. 43 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Auch sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Sie behauptet, daß kein technischer Zusammenhang zwischen den angeblichen Schwingungen der Kraftstoffleitungen und dem mangelnden Sitz der Verschraubung der Hohlschraube bestehe. Sie ist weiter der Auffassung, die klägerische Behauptung, wonach bei Durchführung der Service-Maßnahmen eine gelockerte Hohlschraube hätte erkannt werden müssen, stelle eine bloße Spekulation dar, abgesehen davon, daß beim vorliegenden Fahrzeug ohnehin keine ungedämpften Schwingungen aufgetreten seien. Sie ist der Meinung, daß nicht habe geklärt werden können, wann sich die Hohlschraube gelösthabe.

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung ist auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 516, 518, 519 ZPO. 47 Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht zunächst unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Satz 2 Produkthaftungsgesetz eine sich eventuell aus diesem Gesetz in Verbindung mit § 67 Abs. 1 VVG ergebende Schadensersatzverpflichtung der Beklagten verneint. Hiergegen hat die Berufung auch keine Einwände erhoben. 50 Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch aber auch nicht auf die § 823 Abs. 1 BGB, 67 Abs. 1 VVG stützen, wie das Landgericht ebenfalls richtig festgestellt hat. 51 Zwar wird durch den Ausschluß in § 1 Produkthaftungsgesetz ein Schadensersatzanspruch aus Deliktsrecht wegen Sachschäden an gewerblich genutzten Sachen nicht ausgeschlossen, wie sich aus § 15 Abs. 2 Produkthaftungsgesetz ergibt (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 56.Aufl., § 823 Rdnr. 211). Ein solcher Produkthaftungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert hier auch nicht daran, daß sich in der Regel die Verkehrssicherungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsverletzung nicht auf die fehlerhafte Sache selbst erstreckt; dafür bestehen grundsätzlich die Gewährleistungsansprüche. Deliktische Verkehrspflichten haben nicht zum Inhalt, auf den Erwerb einer mangelhaften Sache gerichtete Vertragserwartungen, also das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse, zu schützen. Sie sind vielmehr auf das Integritätsinteresse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die von dem Hersteller in Verkehr gegebene Sache nicht in seinem Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (BGH NJW 1983, 810, 811). Ein deliktsrechtlicher Anspruch besteht aber dann, wenn das Integritätsinteresse und das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse nicht stoffgleich sind. Stoffgleich sind sie, wenn sich der geltend gemachte Schaden mit dem im Augenblick des Eigentumsübergangs dem Produkt anhaftenden Mangelunwert, das heißt der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse deckt. Die Stoffgleichheit fehlt in der Regel, wenn ein Mangel an einem Einzelteil geeignet ist, die hergestellte wertvolle Sache zu beschädigen oder zu zerstören, wobei es keine Rolle spielt, ob dies gewaltsam, plötzlich oder allmählich geschieht (vgl. Palandt/Thomas, a.a.O., § 823 Rdnr. 212 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Vorliegend ist vom Fehlen dieser Stoffgleichheit auszugehen; die Zerstörung des Lastkraftwagens beruhte hier nach dem Vorbringen der Klägerin auf einem funktionell begrenzten fehlerhaften Einzelteil, nämlich der beschädigten beziehungsweise nicht richtig befestigten Hohlschraube. 53 Mit dem Landgericht ist aber davon auszugehen, daß der vorliegend in Anspruch genommene Importeur des fehlerhaften Produkts grundsätzlich überhaupt nicht deliktsrechtlich haftet. Ihn trifft deliktsrechtlich nur dann eine Pflicht zur Überprüfung der Ware oder des Produkts auf gefahrgeneigte Beschaffenheit — mit der Folge, daß beim Verstoß gegen diese Verpflichtung eine rechtswidrige Eigentumsverletzung vorliegen kann –, wenn dazu aus besonderen Gründen Anlaß besteht, weil etwa bereits Schadensfälle bekannt geworden sind oder die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen. Bei besonders enger rechtlicher und wirtschaftlicher Verflechtung mit dem Hersteller können allerdings solche besonderen Umstände, die eine Überprüfung des Produkts erforderlich machen, eher vorliegen (Palandt/Thomas, a.a.O., § 823 Rdnr. 216). Wenn der Importeur als einziger Repräsentant des ausländischen Herstellers auf dem Markt in Erscheinung tritt, kann ihn eine passive Produktbeobachtungspflicht treffen, das heißt, eine Verpflichtung zur Überprüfung von Beanstandungen des Produkts, die ihr zugeleitet werden (Palandt/Thomas, a.a.O., § 823 Rdnr. 216; vgl. auch BGH NJW 1994, 517, 519). Nach diesen Grundsätzen würde die Beklagte nicht ohne weiteres dafür haften, wenn — wie die Klägerin behauptet — im Herstellerwerk des Lastkraftwagens die Hohlschraube mit einem fehlerhaften Drehmoment festgezogen worden wäre. Für einen solchen Produktionsfehler könnte die Beklagte nur dann auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn ein vergleichbarer Fehler bereits des öfteren in Erscheinung getreten wäre und die Beklagte in irgendeiner Weise hätte darauf reagieren müssen. Hierzu fehlt es jedoch an jeglichen Anhaltspunkten, wie das angefochtene Urteil zu Recht festgestellt hat. Auch hiergegen hat die Berufung keine konkreten Einwendungen erhoben. Eine nach den obigen Darlegungen schadensersatzbegründende Verletzung einer Überprüfungspflicht der gesamten Kraftstoffanlage durch die Beklagte ergibt sich entgegen der klägerischen Rechtsauffassung auch nicht aus den von vergleichbaren Fahrzeugen bekannten Schwingungen der Kraftstoffleitungen, die zu deren Bruch und damit zum Austreten von Kraftstoff führen konnten und Grundlage der Service-Information der Beklagten wurden. Nach dem — bestrittenen — Klägervortrag haben diese Leitungsschwingungen zwar mit dazu beigetragen, daß sich die nicht (mehr) richtig befestigte Hohlschraube gelöst hat. Selbst die Klägerin hat aber die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen… nicht in Zweifel gezogen, daß die Schwingungen nicht zur Lockerung einer ordnungsgemäß angezogenen Hohlschraube hätten führen können. Davon geht die Klägerin ausweislich ihrer Schriftsätze vom 24.1.1995 und 4.1.1996 vielmehr selber aus. Das Landgericht hat als Schlußfolgerung deshalb richtigerweise festgestellt, daß diese Befestigung konstruktiv nicht zu beanstanden ist. Die Schwingungen hätten auf eine ordnungsgemäß befestigte Hohlschraube keine Auswirkungen haben können. Es ist deshalb auch ausreichend, daß die Beklagte ihre Service-Maßnahmen auf die Behebung der Schadensursache unter Berücksichtigung der bekannten Auswirkungen beschränkt hat. Die hier nach dem Klägervortrag durch die Schwingungen mitverursachte Folge — Lösung einer nicht mehr richtig befestigten Hohlschraube — ist bisher nicht aufgetreten. Die Beklagte mußte hiermit auch nicht rechnen, da sie wie oben ausgeführt, Produktionsfehler, soweit sie nicht bereits aufgetreten oder sonstwie bekannt sind, nicht zu vertreten hat und diese für sie keine Handlungspflichten begründen. Sie mußte damit die wegen der bekannten Schwingungen erforderlichen Maßnahmen nicht auf alle denkbaren Auswirkungen erstrecken, die sich nur unter Berücksichtigung theoretisch möglicher — bislang nicht aufgetretener — zusätzlicher Produktionsfehler an weiteren Teilen des Produkts zeigen konnten. Insbesondere mußte sie nicht den festen Sitz der Hohlschraube überprüfen, dem unter normalen Umständen die Schwingungen nichts hätten anhaben können. Der erkannte Produktfehler begründete gerade keine Verpflichtung der Beklagten, die gesamte Peripherie, das heißt hier die Kraftstoffanlage oder den gesamten Motor, zu überprüfen. Dies würde die an eine Überprüfungsverpflichtung zu stellenden Anforderungen überspannen, zumal dann die Grenzen einer entsprechenden Verpflichtung gar nicht mehr zu ziehen wären. Wenn demnach also eine Verpflichtung der Beklagten, nach Auswirkungen eines Produktfehlers im Zusammenspiel mit nur theoretisch denkbaren, bislang noch nicht aufgetretenen weiteren Fehlern zu forschen, aus dem Gesichtspunkt der Überprüfungspflicht des Importeurs nicht besteht, so ergibt sich daraus auch, daß die Beklagte nicht gegen eine Produktbeobachtungs- oder Instruktionsverpflichtung verstoßen haben kann. Ob die Voraussetzungen für eine solche Verpflichtung der Beklagten überhaupt vorliegen würden, kann deshalb dahinstehen. Auch insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil zutreffend, wonach angesichts der grundsätzlich schwingungsresistenten Befestigung der Kraftstoffleitung die Beobachtung und Instruktion zu keinen Schlußfolgerungen oder Erkenntnissen im Hinblick auf diese — im Grundsatz ordnungsgemäße — Konstruktion hätte führen können. Damit war aber die Beklagte in diesem Zusammenhang weder zur Information der Verbraucher über etwaige Gefahren des Produkts noch zur Durchführung einer Rückrufaktion verpflichtet, die ohnehin nur in besonderen Fällen erforderlich ist (vgl. das Urteil des Senats vom 24.10.1995 im Verfahren 22 U 100/94, Seite 6). 57 Damit kann auch die ebenfalls bestrittene Behauptung der Klägerin dahinstehen, daß bei Durchführung der Servicemaßnahme Ziffer 2. die lockere Hohlschraube zwingend entdeckt und mithin der Schadenseintritt verhindert worden wäre. Zwar wäre dann das Unterlassen der Beklagten kausal für den Schadenseintritt im Sinne der Äquivalenztheorie. Wird die unterbliebene Handlung hinzugedacht, müßte festgestellt werden, daß der Schaden dann nicht eingetreten wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorbem v § 249 Rdnr. 84). Dies reicht für eine Schadensersatzverpflichtung allerdings nicht aus. Voraussetzung ist weiter, daß die Handlungspflicht einen Schaden wie den eingetretenen verhindern sollte. Es soll nur für solche Schäden gehaftet werden, die sich als Verwirklichung der Gefahr darstellen, derentwegen die Verhaltenspflicht besteht (vgl. Münchener Kommentar/Mertens, BGB, 3. Aufl., § 823 Rdnr. 47 ff; Münchener Kommentar/Grunsky, a.a.O., Vor § 249 Rdnr. 44; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorbem v § 249 Rdnr. 84; OLG Köln VersR 1994, 177, 178). An diesem sogenannten Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt es vorliegend. Zum einen ist unstreitig, daß die von der Beklagten vorgesehene Servicemaßnahme in ihrer Gesamtheit für den vorliegenden Lastkraftwagen gar nicht mehr vorgesehen war, sondern nur für solche mit anderweitigen Seriennummern. Zum anderen diente diese Servicemaßnahme nur zu dem Zweck, die Schwingungen der Kraftstoffleitungen abzustellen; allenfalls noch dazu, unmittelbar darauf beruhende Schäden, nämlich Haarrisse und Brüche der Kraftstoffleitung — andere Auswirkungen waren bislang nicht bekannt –, zu erkennen und zu beseitigen. Die Verkehrspflicht diente damit ausschließlich dazu, einen bekannten Produktfehler zu beseitigen, nicht anderweitige — eventuell gar nicht von dem Hersteller oder der Beklagten verursachte — Mängel zu erkennen (vgl. Produkthaftungshandbuch/Foerste, Band 1, 2. Auflage, § 22 Rdnrn. 18, 19). Die Klägerin hat die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. 59 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige über die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.