Urteile Geburtsschadenrecht

BGH, Urteil vom 17.05.2011, Az: VI ZR 69/10

Geburtsschadenrecht

Aufklärung über die Möglichkeit einer Schnittentbindung bei relativer Indikation

Kommentierende Orientierungssätze von Rechtsanwältin Dr. Ruth Schultze-Zeu (Berlin):

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.

(2) Der geburtsleitende Arzt braucht zwar in einer normalen Entbindungssituation, bei der die Möglichkeit einer Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache zu bringen.

(3) Anders liegt es aber, wenn für den Fall, daß die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt.

(4) Ist eine Schnittentbindung aufgrund besonderer Umstände relativ indiziert und ist sie deshalb eine echte Alternative zu einer vaginal-operativen Entbindung, besteht eine Pflicht zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung.

(5) Liegen der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinische Fragen zugrunde, muß der Richter mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen durch eine gezielte Befragung klären.

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