Pflegeheime

Schadensersatzansprüche bei Dekubitusschäden

I. Entstehung von Dekubitus-Geschwüren

Ein Druckgeschwür (lat. Dekubitus) ist eine Schädigung der Haut und des darunter liegenden Gewebes, die durch langanhaltenden Druck und die damit verbundene Unterbrechung der Mikrozirkulation des Blutes entsteht.

Dekubitus-Geschwüre lassen sich in vier verschiedene Stadien einteilen:

  1. Dekubitus ersten Grades: Rötung die auch bei Fingerdruck nicht verschwindet, ggf. geringer Schmerz
  2. Dekubitus zweiten Grades: Verletzung oder Abschürfung der Oberhaut (Epidermis) sowie evtl. der Mittelhaut (Dermis), auch eine schmerzhafte Blasenbildung ist möglich
  3. Dekubitus dritten Grades: Schädigung und Nekrosebildung der Unterhaut (subcutis), häufig einhergehend mit einer Infektion
  4. Dekubitus vierten Grades: Entstehung eines Druckgeschwürs (ulcus)
  5. Dekubitus – Grad 4a: oberflächlicher Defekt
  6. Dekubitus – Grad 4b: Zerstörung des Gewebes mit Muskulatur- oder Knochenbeteiligung

Heutzutage ist davon auszugehen, dass etwa 5-10% der Krankenhauspatienten, bis zu 30% der Bewohner von Pflegeheimen sowie bis zu 20% der zu Hause gepflegten Patienten von Dekubitus-Geschwüren betroffen sind. In den Jahren 1994/95 wurden zwei Erhebungen in Krankenhäusern durchgeführt, aufgrund derer ca. 20% aller Patienten als dekubitusgefährdet eingestuft wurden.

Erstes Anzeichen eines Dekubitus ist eine bereits vorhandene und anhaltende Rötung der Haut (Fingertest: sofern sich eine Hautrötung auf Druck mit dem Finger nicht zurückbildet, liegt wahrscheinlich ein Dekubitus ersten Grades vor).

Dekubitus-Geschwüre führen bei den Betroffenen zu Schmerzen, Einschränkungen der Selbständigkeit, sozialer Isolation sowie einer Einschränkung der Lebensqualität. In der Regel lässt sich die Entstehung eines Dekubitus jedoch durch das rechtzeitige Ergreifen prophylaktischer Maßnahmen (frühzeitige Erkennung und Einschätzung des konkreten Risikos einerseits, konkrete Verhütungsmaßnahmen andererseits) vermeiden.

Nur in Ausnahmefällen sind Dekubiti unvermeidbar. Dies ist zum Beispiel dann der fall, wenn der gesundheitliche Zustand des Patienten eine konsequente Anwendung dekubitusprophylaktischer Maßnahmen nicht zulässt oder wenn die prophylaktischen Maßnahmen wirkungslos bleiben (bei gravierenden, nicht behebbaren Durchblutungs-störungen).

Risikofaktoren

Es sind zahlreiche Risikofaktoren bekannt, die die Entstehung eines Dekubitus begünstigen:

  • mangelndes sensorisches Empfindungsvermögen
  • dauernde Feuchtigkeit der Haut
  • kaum physische Aktivität des Patienten
  • geringe Mobilität
  • Mangelernährung
  • starkes Übergewicht
  • Herz-Kreislauf- oder Gefäßerkrankungen, welche zu Durchblutungsstörungen führen
  • hohes Alter (> 65 Jahre) oder sehr geringes Lebensalter (Neugeborene)
  • hohe Intensität und langanhaltende Dauer des Drucks
  • Reibung der Haut
  • Emotionaler Stress
  • Bewusstseins-, Denk- und Wahrnehmungsstörungen
  • Druckschädigung in der bisherigen Krankheitsgeschichte

II. Prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung von Dekubiti

Standardaussage: Jeder dekubitusgefährdete Patient/ Betroffene erhält eine Prophylaxe, die die Entstehung des Dekubitus verhindert

Zur korrekten Behandlung bzw. Vorbeugung von Dekubiti muss zunächst eine korrekte Einschätzung des konkreten Risikos vorgenommen werden. Zudem muss das Pflegepersonal über entsprechende Kenntnisse verfügen, wie im Falle einer Dekubitusgefährdung oder eines beginnenden Dekubitus vorzugehen ist.

1. Zuverlässige Einschätzung des Dekubitusrisikos

Angesichts dessen, dass Hautgewebe schnell Schaden nehmen kann, sollte die Priorität auf einer schnellen Risikoeinschätzung liegen, um ggf. unmittelbar Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe einleiten zu können. Dies bedeutet, dass unmittelbar zu Beginn der pflegerischen Tätigkeit eine Beurteilung des Dekubitusrisikos hinsichtlich all jener Patienten erfolgen muss, bezüglich derer eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. Im Anschluss daran müssen in regelmäßigen, individuell festzusetzenden Abständen weitere Beurteilungen erfolgen. Zudem ist immer dann unverzüglich eine Beurteilung vorzunehmen, wenn Veränderungen der Mobilität, der Aktivität und der Druckbelastung eintreten. Das Landgericht Köln hat im Unterlassen der Risikoeinschätzung sowie der prophylaktischen Maßnahmen die Grundlage für einen Schmerzensgeldanspruch gesehen.

LG Köln, Urteil vom 06. Dezember 2006 (25 O 403/01): Der Kläger wurde im Krankenhaus der Beklagten über mehrere Wochen stationär behandelt. Anschließend wurde bei ihm ein Dekubitus dritten Grades diagnostiziert. Zu Beginn seines Aufenthaltes im Krankenhaus war keine Risikoeinschätzung erfolgt, prophylaktische Maßnahmen unterblieben. Die Pflegedokumentation wies massive Lücken auf.

Das LG Köln entschied, dass aufgrund der Verletzungen des Patienten ein deutlich erhöhtes Dekubitusrisiko vorgelegen hätte. Die notwendige Risikoeinschätzung und eine vorausschauende Beurteilung seien gleichwohl nicht erfolgt. Dem Kläger wurde für seine immateriellen Schäden ein Schmerzensgeld von 17.500 € zugesprochen.

Zur Einschätzung des Dekubitusrisikos empfiehlt sich die Anwendung eines standardisierten Verfahrens. Die in der Vergangenheit entwickelten Risikoskalen sind jedoch nur begrenzt von Nutzen, da sie nicht immer eine korrekte Einschätzung des Risikos zulassen. In jedem Fall müssen die Skalen auf die jeweilige Zielgruppe (ältere Menschen, schwerst Pflegebedürftige, Neugeborene, …) abgestimmt sein, da es sonst zu Fehleinschätzungen kommen kann. Letztlich sind Risikoskalen zwar als Gedankenstütze geeignet, dürfen aber klinisches Urteil nicht ersetzen.

2. Kenntnisse des Pflegepersonals

Die Einrichtung, in welcher der Patient untergebracht ist, muss durch geeignete Fortbildung und Schulungsprogramme sicherstellen, dass sein Personal über die Bedeutung von Dekubitusprophylaxen informiert ist und im Falle einer akuten Gefährdung selbständig die erforderlichen Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Insbesondere muss das Pflegepersonal in der Lage sein, einen Dekubitus ersten Grades von anders verursachten Hautrötungen abzugrenzen (Fingertest). An den gefährdeten Stellen muss regelmäßig eine Inspektion des Hautzustandes vorgenommen werden.

Zudem müssen die Pflegefachkräfte die geeigneten Prophylaxe kennen und in der Lage sein, sie einzusetzen. Kenntnis der Prophylaxe umfasst das theoretische und praktische Beherrschen aller Interventionsmethoden, insbesondere der erforderlichen Bewegungs-, Lagerungs- und Transfertechniken um haut- und gewebeschonend vorgehen zu können.

Zudem muss sichergestellt werden, dass die ergriffenen Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe kontinuierlich fortgesetzt und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden

3. Lagerung und Bewegung des Patienten

Nach erfolgter Risikoerkennung müssen sofort Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe unternommen werden. Vorrangiges Mittel sollte dabei eine Bewegungsförderung sein, zudem ist eine Druckentlastung durchzuführen. Die Intervalle zur Bewegungsförderung und Druckentlastung sind individuell zu bestimmen. Dazu empfiehlt es sich, den Patienten zunächst im zweistündigen Rhythmus umzulagern. Anschließend ist aufgrund des Hautzustandes (Fingertest) und – wenn möglich – der subjektiven Äußerungen des Patienten die Lagerzeit individuell anzupassen.

Für jeden Patienten muss ein individueller Bewegungs- und Lagerungsplan erstellt werden. Das übliche Lagerungsschema („rechts-links-Rücken“) reicht dabei nicht aus, vielmehr müssen die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt werden.

Sofern der Patient noch in der Lage ist, einige Körperteile selbst zu bewegen, so müssen diese freigehalten werden, um dem Patienten Bewegung zu ermöglichen. Für die Lagerung des Patienten im Bett hat sich die 30°-Lagerung im Vergleich zur 90°-Lagerung als günstiger erwiesen, bei der 90°-Lagerung wurde ein deutlich erhöhter Druck gemessen.

Da die Druckbelastung im Sitzen größer ist als im Liegen, müssen bei sitzenden Personen häufiger Lagewechsel durchgeführt werden. Besonders entlastend sind Stühle mit Armlehnen, zurückliegender Rückenlehne und erhöhten Unterschenkeln. Das größte Risiko eines Dekubitus besteht in „auf die Seite geknickten“ oder „heruntergerutschten“ Sitzpositionen.

Werden trotz eines bekanntermaßen erhöhten Dekubitusrisikos keine über die üblichen Prophylaxe hinausgehenden Maßnahmen ergriffen, so ist darin ein Pflegefehler zu sehen.

OLG Düsseldorf (15 U 160/03): Bei Risikopatienten (hier: regelmäßiges Einnässen bei permanenter Druckbelastung des Steißbereichs durch Bettlägerigkeit und Sitzen im Rollstuhl) kann der Einsatz einer Wechseldruckmatratze, die Erhöhung der Frequenz des Vorlagenwechsels bis hin zu einer nötigenfalls stündlichen Umlagerung notwendig sein, um einen Dekubitus durch Pflegefehler zu vermeiden.

4. Motivierung des Patienten

Die Dekubitusgefährdung sowie die zur Vermeidung durchzuführenden prophylaktischen Maßnahmen müssen mit dem Patienten und ggf. mit seinen Angehörigen besprochen werden. Zudem ist der Betroffene im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Eigenbewegung und selbständigen Druckreduktion anzuhalten.

Sofern der Patient dazu physisch in der Lage ist, sollte er angehalten werden, sich in Bett oder Stuhl selbständig umzulagern.

5. Einsatz geeigneter druckreduzierender Mittel

Wenn der Zustand des Betroffenen eine ausreichende Bewegungsförderung oder Druckentlastung nicht zulässt, muss die Pflegefachkraft die geeigneten Mittel zur Dekubitusprophylaxe auswählen und anwenden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es kein „bestes“ Hilfsmittel gibt. Zum einen ist die Wahl des Hilfsmittels von der physischen und psychischen Konstitution des Patienten abhängig, zum anderen muss auch das Pflege- und Therapieziel (z.B. Schmerzreduktion, Bewegungsverbesserung, Ruhigstellung) bedacht werden. Allein eine Druckmessung als technisches Kriterium reicht nicht aus. Zudem ist die Wahl des Lagerungsmittels abhängig von den betroffenen bzw. gefährdeten Körperstellen sowie dem Gewicht des Betroffenen.

Auch wenn die Entstehung eines Dekubitus in Ausnahmefällen unvermeidbar sein kann, kann sich das Pflegepersonal nicht pauschal dadurch entlasten, dass aufgrund der Schwere der Verletzungen des Patienten keine Bewegung möglich gewesen und der Dekubitus daher unvermeidbar sei.

LG Köln, Urteil vom 06. Dezember 2006 (25 O 403/01): Das Krankenhaus berief sich darauf, dass aufgrund der schweren Verletzungen des Patienten eine Mobilisierung unmöglich und der Dekubitus somit unvermeidbar gewesen sei.

Das LG Köln hat dies verneint und dem Patienten einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt, da keine druckreduzierenden Mittel zum Einsatz gekommen waren.

Insbesondere sei die zunächst zum Einsatz gebrachte Schaumstoffmatratze wegen der durch die Verletzungen notwendigen vollständigen Immobilisierung unzureichend gewesen. Vielmehr sei der Einsatz eines Wechseldrucksystems erforderlich gewesen, das auch bei den vorliegenden Grundverletzungen zum Einsatz hätte gebracht werden können.

Generell lässt sich sagen,

  • dass risikogefährdete Patienten nicht auf den üblichen Schaumstoffmatratzen, sondern auf großzelligen Drucksystemen gelagert werden sollten
  • dass hochrisikogefährdete Patienten auf alternierenden Drucksystemen oder anderen high-tech druckreduzierenden Systemen gelagert werden sollten

Der Einsatz von Lagerungsringen sollte nach Möglichkeit vermieden werden, da dies zu einer Erhöhung des Drucks an den Seitenrändern führt.

Für den Patienten hat sich die sog. „intraoperative Phase“ als besonders kritisch erwiesen, da er sich währenddessen über einen oft mehrstündigen Zeitraum nicht bewegen kann. Während einer Operation sollten deshalb bei bestehendem Dekubitusrisiko druckreduzierende Auflagen verwendet werden. Hilfreich zur Vermeidung von Dekubiti sind zudem spezielle Schaumstoffmatratzen sowie andere druckentlastende Hilfsmittel im Operationssaal.

6. Zugang zu prophylaktischen Hilfsmitteln

Druckreduzierende Hilfsmittel (z.B. Weichlagerungskissen und -matratzen) müssen sofort zugänglich sein, Spezialbetten innerhalb von zwölf Stunden.

7. Maßnahmen der Hautpflege zur Erhaltung der Gewebetoleranz

Eine hohe Hautfeuchtigkeit oder Nässe fördert die Entstehung von Dekubiti. Zwar wird Inkontinenz oft als Risikofaktor angesehen, jedoch verursacht sie für sich allein keinen Dekubitus. Bei inkontinenten Patienten muss aber die Hautpflege besonders sorgfältig erfolgen, um das physiologische Feuchtigkeitsniveau und eine stabile Hauttemperatur zu erhalten.

Zudem muss das Pflegepersonal dafür Sorge tragen, dass die Gewebetoleranz der Haut erhalten bleibt. Dies beinhaltet:

  • die Vermeidung von Maßnahmen, die den Wasser-Lipid-Haushalt und den Säureschutzmantel der Haut beeinträchtigen (z.B. Waschung mit alkalihaltigen Seifen). Sofern nötig, muss auch auf routinemäßiges Waschen verzichtet werden
  • die Vermeidung von Maßnahmen, die die natürliche Hauttemperatur beeinträchtigen (z.B. Wechselthermomethoden)
  • bei trockener Haut die Verwendung von W/O-Präparaten
  • den Verzicht auf Salben und Cremes, die die Haut verschließen (z.B. Vaseline und Zinkpaste)

Erwiesenermaßen sind Massagen nicht geeignet, Dekubiti zu vermeiden.

8. Sicherstellung einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung

Ungeklärt ist bisher, inwiefern ein Mangel an Eiweiß und Spurenelementen das Dekubitusrisiko erhöht. Da eine unzureichende Nahrungszufuhr jedenfalls zu einem Energieverlust führt, wird durch die damit einhergehende Verminderung von Mobilität und Motivation zumindest indirekt das Dekubitusrisiko erhöht.

III. Dokumentations- und Informationspflichten

Das Krankenhaus oder die Pflegeeinrichtung, in welcher sich der Patient befindet, treffen umfassende Dokumentationspflichten. Sofern ein Patient als dekubitus-gefährdet identifiziert wird, müssen sowohl die festgestellten Risikofaktoren als auch die zur Dekubitusprophylaxe durchgeführten Maßnahmen dokumentiert werden. Die Dekubitusdokumentation muss für alle an der Pflege Beteiligten zugänglich aufbewahrt werden. Eine Dokumentation der angeordneten Pflegemaßnahmen darf aber dann unterbleiben, wenn eine allgemeine schriftliche Anweisung existiert, aus der sich ergibt, welche Maßnahmen im Falle eines Dekubitusrisikos unbedingt durchgeführt werden müssen.

Liegt keine derartige Anweisung vor und ist die Dokumentation zudem lückenhaft, so führt dies zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Nicht der Patient muss dann das Vorliegen eines Pflegefehlers nachweisen, sondern die Pflegeeinrichtung trägt die Beweislast dafür, dass die Sorgfaltsstandards eingehalten wurden.

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16. Juni 2004 (15 U 160/03): Die Klägerin, eine Krankenversicherung, machte gemäß § 116 SGB X übergegangene Schadensersatzansprüche der bei ihr versicherten Patientin geltend. Die Patientin, die unter seniler Altersdemenz mit Unruhe- und Verwirrtheitszuständen sowie Harn- und Darminkontinenz litt, lebte in der Altenpflegeeinrichtung der Beklagten. Am 22.07.1998 wurde erstmals ein Dekubitusgeschwür im Gesäßbereich der Patientin festgestellt. Dieses war gemäß den Pflegeberichten der Beklagten im August 1998 ausgeheilt. In den folgenden Wochen entwickelte die Patientin ein weiteres Geschwür, welches sich zu einem Dekubitus vierten Grades entwickelte und mittels eines chirurgischen Eingriffs entfernt werden musste. Eine umfassende schriftliche Dokumentation bezüglich der vorgenommenen Dekubitusprophylaxe sowie ein Umlagerungsplan lagen nicht vor.

Das OLG Düsseldorf entschied, dass Nachlässigkeit bei der erforderlichen Dokumentation ein Indiz dafür darstelle, dass im Krankenhaus bzw. Pflegeheim die ernste Gefahr der Entstehung von Durchliegegeschwüren nicht erkannt und die Durchführung vorbeugender Maßnahmen nicht in ausreichender Form angeordnet worden sei und das Pflegepersonal nicht so intensiv auf die Prophylaxe geachtet habe wie erforderlich. Dies führe zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des von dem pflegebedürftigen Heimbewohner behaupteten Pflegefehlers. Der Klägerin war aufgrund der Pflege- und Hygienemängel, die aufgrund der unzureichenden Dokumentation vermutet wurden, ein Schadensersatzanspruch zuzuerkennen.

Zudem muss sichergestellt werden, dass der Betroffene – oder ggf. seine Angehörigen – über die Ursachen der Dekubitusgefährdung und die geplanten Gegenmaßnahmen informiert und, sofern möglich, an den prophylaktischen Maßnahmen beteiligt werden.

Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass eine zeitnahe Informationsweitergabe bzgl. des Dekubitusrisikos an externe Beteiligte (Personal in Arztpraxen, OP- und Röntgenabteilungen und Transportdiensten) erfolgt. Das überlegene Wissen eines externen Arztes gegenüber dem Personal einer Pflegeeinrichtung kann dazu führen, dass die Pflegeeinrichtung nicht für eine mangelhafte Medikation in Anspruch genommen werden kann. Die Haftung für Pflegefehler bleibt davon aber unberührt. So in dem oben dargestellten Urteil.

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16. Juni 2004 (15 U 160/03): Die Pflegeeinrichtung berief sich darauf, dass die – unzureichenden – prophylaktischen Maßnahmen in Absprache mit einem externen Arzt getroffen worden seien.

Das OLG Düsseldorf entschied, dass die Pflegeeinrichtung nur für mangelhafte Lagerungs- und Hygienemaßnahmen, nicht aber für die ungenügende Medikation hafte: „[…] soweit der Arzt eine bestimmte Medikation für ausreichend und geeignet hält, wird man eine objektive Pflichtverletzung des Pflegepersonals für diesen Bereich verneinen können, weil das Pflegepersonal insoweit keine überlegene Sachkunde besitzt und sich daher – wenn es sich nicht um offensichtlich fehlerhafte Anordnungen handelt – hierauf verlassen darf. Für den eigentlichen pflegerischen Bereich, wie etwa das Umlagern und Hygienemaßnahmen gilt allerdings etwas anderes. Hier wird das Personal eines Pflegeheims […] in eigener Verantwortung tätig und kann sich daher nicht darauf berufen, dass insoweit konkrete Anordnungen des konsultierten Hausarztes fehlten.“ Aufgrund der vermuteten Mängel im pflegerischen Bereich kam eine Entlastung der Einrichtung folglich nicht in Betracht.

Das Krankenhaus bzw. die Pflegeeinrichtung muss zudem nachweisen können, dass das Pflegepersonal regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen oder Schulungen über die Bedeutung von Dekubitusprophylaxen informiert wird und in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen selbständig zu treffen.

IV. Maßnahmen nach Entstehen eines Dekubitus

Bei Anwendung der oben genannten prophylaktischen Maßnahmen ist die Entstehung eines Dekubitus in der Regel vermeidbar. Sofern dennoch ein Dekubitus entstanden ist, müssen umgehend die Behandlung des Geschwürs beginnen.

Die erforderlichen Maßnahmen hängen von dem Schweregrad des Dekubitus ab. Im Anfangsstadium des Dekubitus (Grad I) genügen ein häufiger Lagerungswechsel (die geröteten Stellen sollten in jedem Fall entlastet werden) sowie verstärkte Maßnahmen der Hautpflege und Hygiene. Auf ärztliche Anordnung ist zudem ein Hydrokolloidverband anzulegen. Ist der Dekubitus bereits fortgeschritten (Grad II), so ist mit dem behandelnden Arzt abzuklären ob ein steriler Schutzverband zur Vermeidung einer Infektion ausreicht oder ob eine Abtragung der verletzten Hautschicht (bei Blasenbildung) und eine Wundreinigung erfolgen soll. In schwereren Fällen (Grad III und IV) ist oftmals eine chirurgische Entfernung des Geschwürs notwendig. Mit der üblichen Wundversorgung muss dann in der Regel eine Schmerztherapie einhergehen. Bei Dekubitus-Geschwüren IV. Grades müssen zudem oftmals Antibiotika verabreicht werden. Wichtig ist, dass die Dekubitusbehandlung immer in Absprache mit einem Arzt erfolgt.

V. Dokumentationspflichten nach Entstehung eines Dekubitus

Nach Entstehen eines Dekubitus muss (neben der erforderlichen Behandlung) eine umfassende Dokumentation der Wunde und des Behandlungsverlaufs erfolgen.

Die Dokumentation sollte mit Datum und Uhrzeit der erstmaligen Erfassung des Dekubitus beginnen und Hinweise auf Größe und Stadium des Geschwürs geben. Für die Dokumentation in der Krankenakte empfehlen sich zeichnerische Vorgaben für die am meisten gefährdeten Körperteile. In diesen kann die Stelle, an welcher der Dekubitus im konkreten Fall aufgetreten ist, markiert werden.

Sofern der Patient bzw. dessen Betreuer einwilligt, sollte der Verlauf der Wundheilung fotografisch dokumentiert werden. Dabei sollte zur Verdeutlichung ein Maßband mit abgelichtet werden.