Vorträge

Bereits im Sommer 1968 begann die EG-Kommission mit ersten Vorarbeiten zur Vereinheitlichung der innergemeinschaftlichen Regelungen der europäischen Mitgliedländer zur Produkthaftpflicht. Jedoch war es außerordentlich schwierig, einen Konsens zu erreichen. Erst im Jahre 1985 gelang es, eine Richtlinie zur Angleichung der Rechts – und Verwaltungsvorschriften zu verabschieden (EG-Richtlinie 85/374/EWG).

Im Artikel 19 I war als Frist für die Umsetzung in nationales Recht ein Zeitrahmen von drei Jahren ab Bekanntgabe festgesetzt. Erst mit über einem Jahr Verspätung wurde am 19. Dezember 1989 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte – ProdHaftG – verkündet und trat am 1.1.1990 in Kraft.

Das Gesetz setzt in seinen Einzelregelungen die drei folgenden Grundsätze um, die identisch auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten:

  1. Die Produkthaftung unterliegt in dem von ihm geregelten Bereich einer verschuldungsunabhängigen Haftung.
  2. Neben dem tatsächlichen Hersteller haftet jede natürliche oder juristische Person, die sich als Hersteller des Produkts ausgibt, sowie dessen Importeur, der es aus Drittstaaten einführt und – unter engen Voraussetzungen – auch der Lieferant.
  3. Schadensersatz ist sowohl bei Personen – und Sachschäden zu leisten. Seit neuestem erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auch auf die Zahlung von Schmerzensgeld.
  4. Die Ersatzpflicht des Herstellers nach diesem Gesetz darf im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig (§ 14 ProdHaftG).

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gesetzen neueren Datums ist das ProdHaftG systematisch übersichtlich aufgebaut und liefert selbst die einschlägigen Begriffsbestimmungen.

B. Die Anspruchsgrundlage für die Produkthaftung:

§ 1 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG gewährt dem Geschädigten den Schadensersatzanspruch:

Zitat: „Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Hiernach muss folgendes vorliegen:

  • Es muss sich um ein Produkt handeln. Das Produkt muss einen Fehler aufweisen.
  • Der Fehler des Produktes muss den Körper, die Gesundheit oder eine Sache des Anspruchstellers beschädigt haben.
  • Es muß Kausalität zwischen dem Fehler und dem eingetretenen Schaden gegeben sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, so haftet der Hersteller des Produktes.

Zu den in § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG genannten Schutzgütern gehören Leben, Körper, Gesundheit und andere Sachen als die fehlerhafte Sache. Da im ProdHaftG diese Schutzgüter nicht näher definiert werden, kann hier auf die Rechtsprechung zum § 823 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden.

Wichtig: Nach § 1 Abs.4 S. 1 ProdHaftG trägt der Anspruchsteller die Beweislast für das Vorliegen des Fehlers, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden. Das heißt, hat der Beschädigte den Fehler, den Schaden und die Ursächlichkeit bewiesen, wird vermutet, dass der Fehler bereits in dem Augenblick vorlag, in dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde (Staudinger, Randnummer 66 zu § 1 ProdHaftG). Diese ausdrückliche Regelung ist eine der wesentlichen Vorzüge der Produkthaftung im Vergleich zu Produzentenhaftung gemäß § 823 BGB. Allerdings hat der BGH auch dort schon eine Beweislastumkehr für notwendig gehalten (BGHZ 104, 323 – Limonadenflaschenfall -).

C. Die Fälle, in denen kraft Gesetzes die Haftung des Herstellers ausgeschlossen ist (§ 1 Abs.2 ProdHaftG):

§ 1 Abs.2 ProdHaftG nennt insgesamt sechs Fälle in denen der Geschädigte ausnahmsweise keinen Ersatzanspruch im Sinne von § 1 Abs.1 ProdHaftG geltend machen kann:

Zitat: „Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn …

  1. er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat,
  2. nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte,
  3. er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat,
  4. der Fehler darauf beruht, daß das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, oder
  5. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.

(3) Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts ist ferner ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des Produkts verursacht worden ist. Satz 1 ist auf den Hersteller eines Grundstoffes entsprechend anzuwenden.“

Wichtig: Ist streitig, ob die Ersatzpflicht gemäß § 1 Abs.2 und 3 ProdHaftG ausgeschlossen ist, trägt der Hersteller nach § 1 Abs.4 S.2 ProdHaftG die Beweislast.

I. Inverkehrbringen

§ 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHaftG schließt die Haftung des Produzenten für den Fall aus, dass er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat. Das ProdHaftG definiert den Begriff des Inverkehrbringens nicht. die amtliche Begründung stellt fest, ein Produkt sei in den Verkehr gebracht, wenn der Hersteller es aufgrund seines Willensentschlusses es einer anderen Person außerhalb seiner Herstellungssphäre übergeben habe. Wurde das Produkt gestohlen, unterschlagen oder ging es beim Transport verloren und wurde von einem anderen gefunden, so kommt kein Inverkehrbringen in Betracht und eine Haftung nach ProdHaftG greift somit nicht. Wird das Produkt zum Zwecke der Erprobung oder Prüfung an andere übergeben gilt es ebenfalls nicht als in Verkehr gebracht. Der Hersteller soll also nur dann haften, wenn er das Produkt an Dritte abgibt.

II. Die Fehlerfreiheit beim Inverkehrbringen gemäß § 1 Abs.2 Nr.2 ProdHaftG

Ein Produkt ist unter Beachtung der Vorgaben des § 3 ProdHaftG fehlerfrei, wenn es im Zeitpunkt des Inverkehrbringens

  • keinen Konstruktions – oder Fabrikationsfehler aufwies und
  • bei dem zu erwartenden Gebrauch die erforderliche Sicherheit bot.

Fallbeispiele für Produktfehler, die erst nach dem Inverkehrbringen auftreten sind:

  • Ein Arzneimittel wird wegen unsachgemäßer Lagerung wirkungslos.
  • Während des Transports wird das Produkt beschädigt.
  • Ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt hat nur eine begrenzte „Lebensdauer“, wobei dies dem Nutzer vom Hersteller bekannt gegeben worden ist.
  • Beruft sich der Hersteller im Streitfall auf diesen Entlastungsfall berufen, muss er ihn aber nicht nur darlegen, sondern dessen Vorliegen auch beweisen.

III. Herstellung eines Produktes, die nicht für den Vertrieb mit wirtschaftlichem Zweck und nicht im Rahmen beruflicher Tätigkeit erfolgt (§ 1 Abs.2 Nr.3 ProdHaftG

Vorliegend nicht relevant.

IV. Fehlerentstehung aufgrund der Anwendung zwingender Rechtsvorschriften (§ 1 Abs.2 Nr.4 ProdHaftG

Vorliegend nicht relevant.

V. Nichterkennbarkeit des Fehlers nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens (§ 1 Abs.2 Nr.5 ProdHaftG

D. Der Produktbegriff (§ 2 ProdHaftG):

Der Gesetzgeber fasst den Begriff „Produkt“ erfreulich weit.

„Produkt ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.“

Insbesondere werden damit jegliche Produkte im Sinne von § 3 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002, BGBl I S. 3146 geändert am 25. November 2003, BGBl I S. 2304 mit in diese Haftung einbezogen.

§ 3 MPG Begriffsbestimmungen

Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

  • a. der Erkennung, Verhütung, überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
  • b. der Erkennung, überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,
  • c. der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder
  • d. der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.“

Jedoch gilt gemäß § 15 ProdHaftG nicht für Arzneimittel, denn sie sind keine Produkte im Sinne von § 2 ProdHaftG:

Zitat: „Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt, so sind die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes nicht anzuwenden.

E. Der Fehlerbegriff (§ 3 ProdHaftG):

Auch hier sorgt das ProdHaftG im § 3 für eine Begriffsbestimmung, die jedoch nicht abschließend formuliert wird:

„(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

  • a) seiner Darbietung,
  • b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
  • c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.
    (2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.“

§ 1 Abs.1 ProdHaftG löst bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes die Haftung aus. Ein Rückgriff auf die Vereinbarungen, die unter Umständen dem Erwerb des Produktes zu Grunde liegen, ist nicht erforderlich. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, welche Sicherheitserwartungen die Verbraucher (zum Beispiel das Fachpersonal, Kranke, ärzte, Kinder, usw) unter Beachtung objektiver Kriterien an den Gegenstand richten.

Dieser Sicherheitsaspekt entspricht der bereits früher von der Rechtsprechung entwickelten Produkthaftung im Rahmen des Rechts der unerlaubten Handlung (§ 823 Abs.1 BGB). So musste bereits vor dem in Krafttreten des ProdHaftG ein Produkt so konstruiert sein, dass es für den ihm zugedachten oder zugeschriebenen Verwendungszweck unter Sicherheitsgesichtspunkten geeignet ist (vgl. BGH, VersR 1967, 498 ff.).

Mit anderen Worten: Es muss betriebssicher sein. Hierbei ist nicht auf einen individuellen Empfängerhorizont abzustellen, sondern „auf die berechtigten Erwartungen der Allgemeinheit und damit auf objektive Maßstäbe. Die Gesetzesbegründung hebt ausdrücklich hervor, dass im „Streiteinzelfall“ die Rechtsprechung über die Auslegung der zitierten gesetzlichen Kriterien des § 3 ProdHaftG entscheiden muss. In jedem Fall müssen sämtliche Umstände berücksichtigt werden. Die drei gesetzlichen Kriterien sind also nicht abschliessend anzuwenden. Es handelt sich um eine „insbesondere – Regelung“.

Entscheidend für die Frage, welche Sicherheitserwartungen zu gelten haben, ist der Augenblick in dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist. Abzustellen ist hierbei auf das konkrete, den Schaden verursachende Produkt. Es wird nicht später dadurch fehlerhaft, dass sich in der Folgezeit die Erwartungen an das Maß der Sicherheit verändert – vor allem verschärft – haben. § 3 Abs.2 ProdHaftG hebt dies ausdrücklich hervor. Allerdings entlastet diese Regelung nicht den Herstelller von seiner Pflicht, ständig die Wirkungen und möglichen Gefahren seines Produktes zu beobachten und es notfalls zurückzurufen (BGH NJW 1981, 1603; BGH BB 1970, 1414).

I. Der Beispielfall der Darbietung:

Hierunter sind alle Tätigkeiten zu verstehen, durch die das Produkt der Allgemeinheit oder dem konkreten Nutzer vorgestellt wird. Gemeint sind damit die Produktbeschreibung, die Gebrauchsanweisung und die Produktwerbung. Vor allem die modernen Möglichkeiten der Werbung im Internet, im Fernsehen und in den Printmedien verführen Hersteller, Importeure und Lieferanten dazu, Risiken eines Produktes zu verharmlosen oder gar zu verschweigen und stattdessen in übertriebener Weise die Vorzüge in Bild, Ton und Wort darzustellen.

Wird der Verbraucher eines solchen Produkts hierdurch verleitet, es zu verwenden und realisiert sich dann das verschwiegene Risiko durch Schadenseintritt, haftet ihm der Hersteller.
Die Gesetzesbegründung hebt zudem ausdrücklich folgendes hervor:

Der Hersteller eines Produktes kann sogar dann haften, wenn er werbend darstellt, sein Produkt diene dem Schutz bestimmter Rechtsgüter – zum Beispiel soll es eine Krankheit heilen oder abmildern – , obwohl dies in Wirklichkeit nicht zutrifft. Verlässt sich der Verbraucher auf eine solche Information und entsteht ihm durch die Anwendung des untauglichen Produktes ein bezifferbarer Schaden, haftet der irreführend werbende Hersteller, wenn bei Einsatz eines anderen – wirksamen – Produktes dieser Schaden hätte vermieden werden können. Der BGH hat dies in seinem Pestizidenfall ausdrücklich bestätigt (BGH, NJW 1981, 1603).

II. Der Beispielsfall des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann:

Steuert die Darbietung des Produktes die Vorstellung des Verbrauchers, mit was er billigerweise bei dessen Anwendung zu rechnen hat, erstrecken sich die Sicherheitserwartungen nicht nur auf den von dem Hersteller beschriebenen Gebrauch. Vielmehr beziehen sie sich auch auf den vorhersehbaren oder üblichen Fehlgebrauch (siehe BGH NJW 1972, 2217, 2221; 1981, 2514, 2515). Achtung: Im Einzelfall kommt hier ein Mitverschulden des Geschädigten in Frage, das nach § 6 Abs.1 ProdHaftG zu berücksichtigen ist.

Andererseits bezieht sich die Produktsicherheit immer nur auf bestimmte Verwendungszwecke, die der Hersteller benennt und für die er wirbt. Wer sein geliebtes Meerschweinchen in der Mikrowelle trocknet, darf sich nicht über den Tod des Hausfreundes wundern und kann nicht die Fehlerhaftigkeit des Gerätes reklamieren. Wer seine Lesebrille beim Autofahren benutzt, kann sich nicht beschweren, wenn er deswegen eine Verkehrsampel übersieht und einen Unfall verursacht.

Missachtet der Hersteller bei der Produktion einer Ware bestimmte normative oder vertragliche Sicherheitsstandards (DIN-Normen), VDE-Bestimmungen), so bestätigt dies noch nicht ohne weiteres die Fehlerhaftigkeit des Gegenstandes. Jedoch erleichtert dies dem Geschädigten den Nachweis des Fehlers, denn dann ist es Aufgabe des Herstellers, darzulegen und zu beweisen, dass er den gebotenen Sicherheitsstandard auf andere – gleichwertige – Weise erfüllt hat.

III. Der Zeitpunkt, in dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde:

Hier wird an die Selbstverständlichkeit erinnert, dass allein der Zustand des konkreten Produkts und der Stand der Sicherheitstechnik in diesem Zeitpunkt entscheidungserheblich ist. Allerdings ist es rechtlich möglich, neueste Erkenntnisse zur Gefährlichkeit eines Produkts mit in die Prüfung einzubeziehen. Beispiel: Bei Gewitter in Höhenlagen über 5.000 Metern arbeitet ein Herzkatheder nicht mehr zuverlässig. Dies wird erst einige Jahre nach dem in den Verkehr bringen entdeckt. Da der Hersteller in der Gebrauchsanweisung auf diese Einschränkung nicht hingewiesen hat, er dies aber in Simulationen hätte unschwer testen können, liegt ein Fehler vor.

1. Die verschiedenen Fehlertypen:

a. Der Fabrikationsfehler:

Ein Fabrikationsfehler liegt stets dann vor, wenn ein einzelnes Produkt denjenigen Anforderungen nicht genügt, die sich der Hersteller selbst auferlegt hat. Es verfehlt also den für die Produktserie definierten Sicherheitsstandard. Der Fabrikationsfehler lässt sich also bequem ermitteln: Die Beschaffenheit des einschlägigen Produkts wird mit derjenigen eines Produkts verglichen, das den von dem Hersteller auferlegten Anforderungen entspricht. Ist eine Abweichung feststellbar, betrifft sie eine sicherheitsrelevante Eigenschaft und ist diese kausal für die Rechtsgutverletzung so haftet der Hersteller gemäß § 1 Abs.1 ProdHaftG.

b. Der Konstruktionsfehler:

Hier kommt es auf die Frage an, ob im Zeitpunkt des Inverkehrbringens es alternative technische Möglichkeiten gab, bei deren Einsatz das schädigende Ereignis nicht eintreten konnte.

Ist dies der Fall, ist der Hersteller jedoch nicht unter jeder Bedingung verpflichtet, eine solche technische Möglichkeit zu ergreifen. Eine absolute. Sicherheit vor dem Eintritt schädigender Ereignisse muss er nicht bieten. Der Nutzen einer solchen Maßnahme – hier die Kosten vermiedener Schäden – müssen die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen überwiegen.

c. Der Instruktionsfehler:

Ein IF liegt vor, wenn der Verbraucher nicht oder nur unzureichend über die Art und Weise der Verwendung und der damit zusammenhängenden Gefahren aufgeklärt wird. Die Fehlerhaftigkeit kann sich aus dem gänzlichen Fehlen einer Gebrauchsanleitung oder sonstigen Hinweisen. Oder sie kann auf deren inhaltlichen Mängeln oder Lücken beruhen

Der Hersteller muss den Adressaten des Produktes deutlich, verständlich und richtig informieren. Der vorhersehbare Fehlgebrauch ist einzubeziehen. Die Art der möglichen Nutzer ist mit zu bedenken (Kinder? Altersstufe der Kinder? Kranke? Fachleute? Verkäufer?).

Auch hier gilt: Eine Haftung wird nur ausgelöst, wenn der IF die Schädigung verursacht hat, wofür der Geschädigte gemäß § 1 Abs.4 S. 1 ProdHaftG die Beweislast trägt. Hier hilft die Rechtsprechung zur Produzentenhaftung in bestimmten Fällen mit einer Vermutung, dass der Warnung auch Folge geleistet worden wäre (LG Flensburg VersR 1998, 66,67; MüKomm § 1 Nr.79), so dass die Kausalität bejaht wird.

Den drei gesetzlichen Beispielfällen können im weitere hinzutreten. Die Gesetzesbegründung erwähnt hierfür Beispiele: So hängt die Sicherheitserwartung von der Natur des jeweiligen Produktes ab: Ein Raucher (Raucherentscheidung BGH) nimmt die negativen Wirkungen der Zigaretten hin, die er nutzt. Ein praktizierender Weinkenner nimmt in Kauf, durch den Alkohohlgenuss die Schädigung seiner Leber zu provozieren. Diese Gefahren sind „produktimmanent“. Generell kann gesagt werden, daß unvermeidbare oder offenbare Gefahren nicht die Fehlerhaftigkeit eines Produktes begründen können.

d. Das Verhältnis des § 3 ProdHaftG zum Recht der unerlaubten Handlung (Produzentenhaftung):

Im Endeffekt bestätigt § 3 ProdHaftG durch seine Bezugnahme auf die berechtigten Sicherheitserwartungen eine Einstandspflicht des Herstellers für objektiv pflichtwidriges Verhalten. Im Rahmen der verschuldensabhängigen Haftung des § 823 Abs.1 BGB wird ebenfalls bei der Prüfung, ob eine Verkehrssicherungspflicht verletzt worden ist, nachgefragt, ob ein Fehler vorliegt.

F. Der Herstellerbegriff (§ 4 ProdHaftG):

Das ProdHaftG sorgt im § 4 für eindeutige Begriffsbestimmungen:

§ 4 Hersteller

(1) Hersteller im Sinne dieses Gesetzes ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Als Hersteller gilt auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt.

(2) Als Hersteller gilt ferner, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.

(3) Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so gilt jeder Lieferant als dessen Hersteller, es sei denn, daß er dem Geschädigten innerhalb eines Monats, nachdem ihm dessen diesbezügliche Aufforderung zugegangen ist, den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. Dies gilt auch für ein eingeführtes Produkt, wenn sich bei diesem die in Absatz 2 genannte Person nicht feststellen läßt, selbst wenn der Name des Herstellers bekannt ist.“

I. Der (tatsächliche) Hersteller im Sinne von § 4 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG:

Hersteller im Sinne des ProdHaftG ist hiernach diejenige natürliche oder juristische Person, die das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat.

§ 3 Ziff 15 MPG ergänzt und erweitert diese Definition:

„15. Hersteller ist die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden.

Die dem Hersteller nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen gelten auch für die natürliche oder juristische Person, die ein oder mehrere vorgefertigte Medizinprodukte montiert, abpackt, behandelt, aufbereitet, kennzeichnet oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist. Dies gilt nicht für natürliche oder juristische Personen, die – ohne Hersteller im Sinne des Satzes 1 zu sein – bereits in Verkehr gebrachte Medizinprodukte für einen namentlich genannten Patienten entsprechend ihrer Zweckbestimmung montieren oder anpassen.“

„16. Bevollmächtigter ist die im Europäischen Wirtschaftsraum niedergelassene natürliche oder juristische Person, die vom Hersteller ausdrücklich dazu bestimmt wurde, im Hinblick auf seine Verpflichtungen nach diesem Gesetz in seinem Namen zu handeln und den Behörden und zuständigen Stellen zur Verfügung zu stehen.“

II. Der Hersteller im Sinne von § 4 Abs.1 Satz 2 ProdHaftG (Quasihersteller):

Als Hersteller gilt aber auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt.

Da gemäß § 5 S.3 MPG bei Medizinprodukten der Name des Herstellers sowie die Anschrift – ersatzweise des Importeurs – stets in der Kennzeichnung des Produkts oder der Gebrauchsanweisung enthalten sein müssen, kann in diesem Bereich der Haftungsadressat leicht identifiziert werden.

III. Der Importeur als Hersteller im Sinne von § 4 Abs.2 ProdHaftG:

Als Hersteller gilt ferner, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist diese Regelung im Bereich der Medizinprodukthaftung: Weltweit agierende Aktiengesellschaften, die zum Beispiel ihren Firmensitz in den USA haben (Jude Medical, xxx, yyy), exportieren ihre Produkte „Herzschrittmacher, Künstliche Hüftgelenke, weitere Beispiele – in ein beliebiges Mitgliedsland der EU. Ein dort ansässiger Importeur verteilt die Waren auf die übrigen Mitgliedsländer der EU, in denen dann eine Lieferfirma die Weiterverteilung organisiert und als solche auftritt.

Kommt es zu einem möglichen Produkthaftungsfall, wendet sich der Geschädigte nahe liegender Weise an den Lieferanten. Dessen Rechtsabteilung oder deren anwaltlicher Bevollmächtigte einer Großkanzlei verweist ihn üblicherweise schlicht an die Herstellerfirma. Befindet sich deren Firmensitz in den USA, wird dies bei Unkenntnis der Rechtslage den Geschädigten in der Regel wirksam abschrecken, den Versuch einer Schadensregelung zu unternehmen. Müsste er doch die Sprachbarriere überwinden und dortige Anwälte sowie Gerichte mit erheblichen Folgekosten einschalten, ohne das Prozessrisiko seriös abschätzen zu können.

In Wirklichkeit ist der Geschädigte nicht gezwungen, diesen dornigen Weg zu gehen. § 4 Abs.2 ProdHaftG gewährt ihm die Option, seinen Schadensersatzanspruch bei dem im Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen Importeur geltend zu machen, der damit an die Stelle des eigentlichen Herstellers tritt.

Für Medizinprodukte hebt dies § 5 MPG parallel zum § 4 Abs.2 ProdHaftG hervor:

„Verantwortlicher für das erstmalige Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist der Hersteller oder sein Bevollmächtigter. Hat der Hersteller seinen Sitz nicht im Europäischen Wirtschaftsraum und ist ein Bevollmächtigter nicht benannt oder werden Medizinprodukte nicht unter der Verantwortung des Bevollmächtigten in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt, ist der Einführer Verantwortlicher. Der Name oder die Firma und die Anschrift des Verantwortlichen müssen in der Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung des Medizinproduktes enthalten sein.“

Das anzuwendende Recht, wenn der Hersteller/ Importeur seinen Firmensitz in einem anderen Land des Europäischen Wirtschaftsraums hat:

Hinzu kommt: Wählt der Geschädigte diesen Weg, hat er die weitere rechtliche Möglichkeit, unmittelbar für die Anwendbarkeit des ProdHaftG zu sorgen. Verursacht nämlich das fehlerhafte Produkt den Schaden in der Bundesrepublik Deutschland, kann er verlangen, dass deutsches Recht – hier das ProdHaftG (Produkthaftung) und das BGB (Produzentenhaftung) – angewandt werden.

Einschlägig ist hier Art 40 Abs.1 Satz 2 Einführungsgesetz – EGBGB – in der Fassung vom 21.5.1999.

Art 40 EGBGB

„Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann verlangen, daß anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Das Bestimmungsrecht kann nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens ausgeübt werden.“

Der Gerichtsstand im Inland, obwohl der Importeur/ der Hersteller seinen Sitz in einem anderen Land der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat:

Schließlich kann der Geschädigte in solchen Fällen auch noch die prozessuale Erleichterung nutzen, den Importeur, der beispielsweise in Portugal oder Belgien seinen Sitz hat, bei dem Gericht zu verklagen, in dessen Zuständigkeitsbezirk das schädigende Ereignis eingetreten ist. (Gleiches gilt für den Hersteller, der seinen Sitz nicht in Deutschland, aber in der EU hat).

Zwar ist gemäß Art. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates der Europäischen Union vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen “ EuGVVO – (Amtsblatt Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1, ber. Amtsblatt Nr. L 307 vom 24.11.2001, S. 28). (In Kraft getreten am 1.3.2002) primär das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Importeur/ der Hersteller seinen Sitz hat.

Jedoch kann sich der Geschädigte gegen diese primäre gerichtszuständigkeit entscheiden, indem er sich nach Art.5 Nr.3 EuGVVO für die Zuständigkeit des Gerichts entscheidet, in dessen Zuständigkeitsbereich das Ereignis stattgefunden hat.

Hat zum Beispiel ein in Brüssel ansässiger Importeur einen Herzschrittmacher in die EU eingeführt und tritt an diesem Produkt ein Fehler auf, der einen in Berlin wohnenden Patienten in seiner Gesundheit schädigt, kann dieser bei dem für ihn örtlich und sachlich zuständigen Gericht in Berlin Klage erheben.

Art.5 Nr.3 EuGVVO lautet:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.“

Art. 1 EuGVVO hebt ausdrücklich hervor, dass dieses übereinkommen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt.

Abwegig ist es, anzunehmen, es komme nur auf den Akt des Importierens des fehlerhaften Produktes in den Europäischen Wirtschaftsraum. Hierzu wird auf das folgende Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30.11.1976 in der Sache Bier gegen Mines de Potasse d’Alsace SA – Rechtssache 21-76 – verwiesen.

Hiernach gilt folgender Leitsatz:

IST DER ORT, AN DEM DAS FüR DIE BEGRüNDUNG EINER SCHADENSERSATZPFLICHT WEGEN UNERLAUBTER HANDLUNG IN BETRACHT KOMMENDE EREIGNIS STATTGEFUNDEN HAT, NICHT AUCH DER ORT, AN DEM AUS DIESEM EREIGNIS EIN SCHADEN ENTSTANDEN IST, DANN IST DER BEGRIFF „ORT“, AN DEM DAS SCHäDIGENDE EREIGNIS EINGETRETEN IST, IN ARTIKEL 5 NR .3 (Anmerkung: wortgleich mit Artikel 5 Nr.3 EuGVVO) DES ÜBEREINKOMMENS VOM 27. SEPTEMBER 1968 üBER DIE GERICHTLICHE ZUSTäNDIGKEIT UND DIE VOLLSTRECKUNG GERICHTLICHER ENTSCHEIDUNGEN IN ZIVIL- UND HANDELSSACHEN SO ZU VERSTEHEN, DASS ER SOWOHL DEN ORT, AN DEM DER SCHADEN EINGETRETEN IST, ALS AUCH DEN ORT DES URSäCHLICHEN GESCHEHENS MEINT. DER BEKLAGTE KANN DAHER NACH WAHL DES KLAEGERS VOR DEM GERICHT DES ORTES, AN DEM DER SCHADEN EINGETRETEN IST, ODER VOR DEM GERICHT DES ORTES DES DEM SCHADEN ZUGRUNDE LIEGENDEN URSäCHLICHEN GESCHEHENS VERKLAGT WERDEN.

G. Sonderproblem: Zustellung der Klage

§ 1069
Zuständigkeiten nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000

(1) Für Zustellungen im Ausland sind als deutsche übermittlungsstelle im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zuständig:

1. für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht und

2. für außergerichtliche Schriftstücke dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welche die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; bei notariellen Urkunden auch dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat; bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz; die Landesregierungen können die Aufgaben der übermittlungsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen.

(2) Für Zustellungen in der Bundesrepublik Deutschland ist als deutsche Empfangsstelle im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll. Die Landesregierungen können die Aufgaben der Empfangsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen.

(3) Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die Stelle, die in dem jeweiligen Land als deutsche Zentralstelle im Sinne von Artikel 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zuständig ist. Die Aufgaben der Zentralstelle können in jedem Land nur einer Stelle zugewiesen werden.

(4) Die Landesregierungen können die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nr. 2, Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 einer obersten Landesbehörde übertragen.

Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) vom 4.11.2003 ( BGBl. I S. 2166 *) m.W.v. 1.1.2004.

Nach §§ 252 Abs.1, 270 Abs.1, 370 Abs.1 ZPO ist die Klage von Amts wegen zuzustellen. Hier sind die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, Amtsblatt Nr. L 160 vom 30/06/2000 S. 0037 – 0052, in Verbindung mit § 1069 ZPO in der Fassung vom 4.11.2003 zu beachten.

H. Wichtigste Punkte:

Artikel 5

übersetzung der Schriftstücke

(1) Der Verfahrensbeteiligte wird von der übermittlungsstelle, der er das Schriftstück zum Zweck der übermittlung übergibt, davon in Kenntnis gesetzt, daß der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer der in Artikel 8 genannten Sprachen abgefaßt ist.

(2) Der Verfahrensbeteiligte trägt etwaige vor der übermittlung des Schriftstücks anfallende übersetzungskosten unbeschadet einer etwaigen späteren Kostenentscheidung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde.

Artikel 6

Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle

(1) Nach Erhalt des Schriftstücks übersendet die Empfangsstelle der übermittlungsstelle auf schnellstmöglichem Wege und so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schriftstücks, eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts im Anhang.

(2) Kann der Zustellungsantrag aufgrund der übermittelten Angaben oder Dokumente nicht erledigt werden, so nimmt die Empfangsstelle auf schnellstmöglichem Wege Verbindung zu der übermittlungsstelle auf, um die fehlenden Angaben oder Schriftstücke zu beschaffen.

(3) Fällt der Zustellungsantrag offenkundig nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung oder ist die Zustellung wegen Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften nicht möglich, sind der Zustellungsantrag und die übermittelten Schriftstücke sofort nach Erhalt zusammen mit dem Formblatt im Anhang für die Benachrichtigung über Rücksendung an die übermittlungsstelle zurückzusenden.

(4) Eine Empfangsstelle, die ein Schriftstück erhält, für dessen Zustellung sie örtlich nicht zuständig ist, leitet dieses Schriftstück zusammen mit dem Zustellungsantrag an die örtlich zuständige Empfangsstelle in demselben Mitgliedstaat weiter, sofern der Antrag den Voraussetzungen in Artikel 4 Absatz 3 entspricht; sie setzt die übermittlungsstelle unter Verwendung des Formblatts im Anhang davon in Kenntnis. Die örtlich zuständige Empfangsstelle teilt der übermittlungsstelle gemäß Absatz 1 den Eingang des Schriftstücks mit.

Artikel 7

Zustellung der Schriftstücke

(1) Die Zustellung des Schriftstücks wird von der Empfangsstelle bewirkt oder veranlaßt, und zwar entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einer von der übermittlungsstelle gewünschten besonderen Form, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist.

Artikel 8

Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks

(1) Die Empfangsstelle setzt den Empfänger davon in Kenntnis, daß er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als den folgenden Sprachen abgefaßt ist:

a) der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder

b) einer Sprache des übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht.

(2) Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, daß der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Absatz 1 verweigert, setzt sie die übermittlungsstelle unter Verwendung der Bescheinigung nach Artikel 10 unverzüglich davon in Kenntnis und sendet den Antrag sowie die Schriftstücke, um deren übersetzung ersucht wird, zurück.

Die Vollstreckung des Urteils (Titels) im EU-Ausland gegen den dortigen Importeur:

1. Wenn sich im Inland Vermögenswerte des ausländischen Herstellers (Importeurs) befinden, kann in diese vollstreckt werden.

2. Schwieriger ist es, auch im Bezugsland zu vollstrecken. Siehe hierzu Zoller, Die Produkthaftung des Importeurs, ab. Seite 104 (muss ab da noch in der HU kopiert werden!!!)

I. Der Lieferant als Hersteller im Sinne von § 4 Abs. 3 ProdHaftG:

Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so gilt nach dieser Sonderregelung jeder Lieferant als dessen Hersteller (§ 4 Abs.3 S. 1 ProdHaftG).

Hiernach muss also der Geschädigte in einem solchen Fall nicht aufwendig recherchieren: Ist weder der Hersteller im Sinne von § 4 Abs.1 ProdHaftG noch der Importeur in Sinne von § 4 Abs.2 ProdHaftG feststellbar, ist für ihn die Lieferfirma passiv legitimiert.

Jedoch sollte der Anspruchsteller, bevor er sich endgültig für die Inanspruchnahme des Lieferanten entscheidet, in übereinstimmung mit § 4 Abs.3 S. 1 2. Halbsatz ProdHaftG die Firma vorab auffordern, ihm innerhalb eines Monats den Hersteller zu benennen oder diejenige Person bekannt zu geben, die ihm seinerseits das Produkt geliefert hat.

Reagiert die angeschriebene Lieferfirma innerhalb der Monatsfrist und benennt aber einen Hersteller, der innerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, hat sie sich wirksam entlastet und ist nicht mehr passiv legitimiert.

Reagiert die angeschriebene Lieferfirma zwar innerhalb der Monatsfrist, benennt aber keinen im Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen Importeur und lediglich einen Hersteller, der außerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, bleibt sie weiter in der Pflicht und kann an Stelle der Herstellerfirma oder des Importeurs verklagt werden.

J. Das Erlöschen des Anspruchs:

§ 13 ProdHaftG

Erlöschen von Ansprüchen

(1) Der Anspruch nach § 1 erlischt zehn Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt, das den Schaden verursacht hat, in den Verkehr gebracht hat. Dies gilt nicht, wenn über den Anspruch ein Rechtsstreit oder ein Mahnverfahren anhängig ist.

(2) Auf den rechtskräftig festgestellten Anspruch oder auf den Anspruch aus einem anderen Vollstreckungstitel ist Absatz 1 Satz 1 nicht anzuwenden. Gleiches gilt für den Anspruch, der Gegenstand eines außergerichtlichen Vergleichs ist oder der durch rechtsgeschäftliche Erklärung anerkannt wurde.

J. Die Gesamtschuldnerschaft:

§ 5 ProdHaftG

Mehrere Ersatzpflichtige

Sind für denselben Schaden mehrere Hersteller nebeneinander zum Schadensersatz verpflichtet, so haften sie als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Ersatzpflichtigen zueinander hängt, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; im übrigen gelten die §§ 421 bis 425 sowie § 426 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

K. Der Haftungsumfang:

I. Haftung bei Sachschaden

Bei der Haftung für Sachschäden gilt gemäß § 11 ProdHaftG eine Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 €. Ansonsten ist die Haftung der Höhe nach unbegrenzt. Zu beachten ist nur die Einschränkung aus § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG auf andere Sachen als die fehlerhafte Sache, die zum privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt waren. Inbegriffen im Haftungsumfang ist auch der Sachfolgeschaden wie beispielsweise die Zusatzkosten durch die zeitweilige Unbenutzbarkeit einer Wohnung.

II. Haftung bei Körper und Gesundheitsschäden

Bei einem Gesundheitsschaden sind zunächst die Kosten einer Heilbehandlung zu ersetzen. Auch Erwerbsschäden können vom Geschädigten geltend gemacht werden. Der zu ersetzende Schaden bemisst sich nach dem jeweiligen Erwerbsausfall. Ebenfalls zu ersetzen sind die Kosten einer durch die Verletzung notwendig gewordenen Umschulung, soweit diese zur Abwendung des Verdienstausfalles objektiv sinnvoll ist, sowie alle beruflichen Rehabilitationskosten.

Ebenso kann der Geschädigte die Kosten einer Vermehrung seiner Bedürfnisse aufgrund der Verletzung geltend machen. Dazu gehören beispielsweise Kosten für Diätverpflegung, Gehhilfen, Rollstühle oder häusliche Betreuung. Auch Ersatz immateriellen Schadens, also Schmerzensgeld, kann verlangt werden.

III. Haftung bei Tötung

Wird der Geschädigte durch oder infolge des Schadens getötet besteht nach § 7 ProdHaftG weiter eine Schadensersatzpflicht des Haftenden.

Die Kosten einer versuchten Heilung, der Erwerbsausfall und eine Vermehrung der Bedürfnisse des Verstorbenen zu Lebzeiten können neben den Beerdigungskosten von den Erben geltend gemacht werden. Auch der Ersatz von durch die Tötung entgangenen Unterhaltsansprüche kann verlangt werden.

IV. Haftungshöchstbetrag

Durch § 10 Abs. 1 ProdHaftG wird ein Haftungshöchstbetrag von 85 Millionen Euro für Personenschäden festgesetzt. Dieser Bezieht sowohl auf die Haftung gegenüber mehren Geschädigten aus einem Schadensereignis, als auch für sogenannten „Serienschäden“. Bei Serienschäden handelt es sich um Schäden aller Personen aus einem Fehler einer Produktserie.

V. Haftungsminderung

Die Haftung für einen Schaden kann bei einem Mitverschulden des Geschädigten nach § 6 Abs. 1 ProdHaftG dann gemindert werden, wenn der Geschädigte bei der Entstehung des Schadens ein eigenes Mitverschulden trägt. Das sog. Mitverschulden wird in §254 BGB geklärt.

J. Die Verjährung des Anspruchs aus § 1 Abs.1 ProdHaftG

Die Ansprüche des Geschädigten verjähren nach § 12 Abs. 1 ProdHaftG drei Jahre nachdem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen müssen. Gehemmt wird die Verjährung gem. § 12 Abs.2 ProdHaft G durch Verhandlungen zwischen den Parteien. Im übrigen verweist das Gesetz in § 12 Abs.3 auf die Vorschriften des BGB, insbesondere die §§ 195, 198 BGB.

I. Die Haftung nach anderen Anspruchsgrundlagen:

§ 15 ProdHaftG
Arzneimittelhaftung, Haftung nach anderen Rechtsvorschriften

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt, so sind die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes nicht anzuwenden.

(2) Eine Haftung aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

Quellen

  • Kullmann, Hans Josef – „Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte“, 5. Auflage Berlin 2006, ISBN 3503093559
  • Luczak, Stefan – „Das Recht der Produkthaftung in der Umsetzung der EG-Richtlinie (85/374/EWG) durch das deutsche Produkthaftungsgesetz vom 15.12.1989“ , Mainz 1992
  • Palandt, Otto – Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage München 2006, ISBN 3-406-55266-8
  • Westphalen, Friedrich Graf von – „Produkthaftungshandbuch, Bd. 2. Das deutsche Produkthaftungsgesetz“, 2. Auflage München 1999, ISBN 3-406-42973-4