{"id":1197,"date":"2015-06-05T22:29:42","date_gmt":"2015-06-05T20:29:42","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?p=1197"},"modified":"2024-03-13T21:21:31","modified_gmt":"2024-03-13T20:21:31","slug":"der-europaeische-gerichtshof-folgt-unseren-argumenten-und-urteilt-im-herzschrittmacherprozess","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/der-europaeische-gerichtshof-folgt-unseren-argumenten-und-urteilt-im-herzschrittmacherprozess\/","title":{"rendered":"Der Europ\u00e4ische Gerichtshof folgt unseren Argumenten und urteilt im „Herzschrittmacherprozess“"},"content":{"rendered":"
Am 05.03.2015 hat der Europ\u00e4ische Gerichtshof nun endlich sein „Herzschrittmacherurteil“ verk\u00fcndet. Dabei folgte er in jeder Hinsicht unseren Argumenten und Antr\u00e4gen (C-503\/13).<\/p>\n
EuGH, Urteil vom 05. M\u00e4rz 2015 \u2013 C-503\/13 \u2013JURIS * Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage durch den Bundesgerichtshof: Produkthaftung bei Fehlerhaftigkeit eines Herzschrittmachers.<\/b><\/p>\nTenor<\/h3>\n
Der Gerichtshof (Vierte Kammer) hat f\u00fcr Recht erkannt:<\/p>\n
1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85\/374\/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten \u00fcber die Haftung f\u00fcr fehlerhafte Produkte ist dahin auszulegen, dass ein Produkt, das zu einer Gruppe oder Produktionsserie von Produkten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren geh\u00f6rt, bei denen ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, als fehlerhaft eingestuft werden kann, ohne dass der Fehler bei diesem Produkt festgestellt zu werden braucht.<\/p>\n
2. Die Art. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374 sind dahin auszulegen, dass es sich bei dem durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Produkts wie eines Herzschrittmachers oder eines implantierbaren Cardioverten Defibrillators verursachten Schaden um einen \u201edurch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursachten Schaden\u201c handelt, f\u00fcr den der Hersteller haftet, wenn diese Operation erforderlich ist, um den Fehler des betreffenden Produkts zu beseitigen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu pr\u00fcfen, ob diese Voraussetzung in den Ausgangsverfahren erf\u00fcllt ist.<\/p>\n
Urteil<\/b><\/p>\n
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 1, 6 Abs. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374\/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten \u00fcber die Haftung f\u00fcr fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29). Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Verfahren, in denen sich die Boston Scientific Medizintechnik GmbH (im Folgenden: Boston Scientific Medizintechnik) als Revisionskl\u00e4gerin und die AOK Sachsen- Anhalt \u2013 Die Gesundheitskasse (C-503\/13) (im Folgenden: AOK) […], die Tr\u00e4gerinnen der gesetzlichen Krankenversicherung sind, als Revisionsbeklagte gegen\u00fcberstehen und in denen es um Forderungen der Revisionsbeklagten auf Ersatz der Kosten im Zusammenhang mit der Implantation von Herzschrittmachern und eines implantierbaren Cardioverten Defibrillators geht, die von der G. GmbH (im Folgenden: G.), einer sp\u00e4ter mit Boston Scientific Medizintechnik verschmolzenen Gesellschaft, in die Europ\u00e4ische Union eingef\u00fchrt und dort vertrieben wurden.<\/p>\n
In den Erw\u00e4gungsgr\u00fcnden 1, 2, 6, 7 und 9 der Richtlinie 85\/374 hei\u00dft es:<\/p>\n
\u201eEine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften \u00fcber die Haftung des Herstellers f\u00fcr Sch\u00e4den, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind, ist erforderlich, weil deren Unterschiedlichkeit … zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vor Sch\u00e4digungen seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein fehlerhaftes Produkt f\u00fchren kann.<\/em><\/p>\n Nur bei einer verschuldensunabh\u00e4ngigen Haftung des Herstellers kann das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gel\u00f6st werden. Eine gerechte Verteilung der Risiken zwischen dem Gesch\u00e4digten und dem Hersteller bedingt, dass es dem Hersteller m\u00f6glich sein muss, sich von der Haftung zu befreien, wenn er den Beweis f\u00fcr ihn entlastende Umst\u00e4nde erbringt. Art. 1 der Richtlinie bestimmt:<\/b><\/p>\n \u201eDer Hersteller eines Produkts haftet f\u00fcr den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.\u201c<\/p>\n Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:<\/b><\/p>\n \u201e(1) \u201aHersteller\u2018 ist der Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt.<\/p>\n (2) Unbeschadet der Haftung des Herstellers gilt jede Person, die ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs im Rahmen ihrer gesch\u00e4ftlichen T\u00e4tigkeit in die Gemeinschaft einf\u00fchrt, im Sinne dieser Richtlinie als Hersteller dieses Produkts und haftet wie der Hersteller.\u201c<\/p>\n Art. 4 der Richtlinie lautet:<\/strong><\/p>\n \u201eDer Gesch\u00e4digte hat den Schaden, den Fehler und den urs\u00e4chlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen.\u201c<\/p>\n Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85\/374 bestimmt:<\/strong><\/p>\n \u201eEin Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde, insbesondere Art. 9 Satz 1 der Richtlinie sieht vor:<\/strong><\/p>\n \u201eDer Begriff \u201aSchaden\u2018 im Sinne des Artikels 1 umfasst \u00a7 1 Abs. 1 und 4 des Gesetzes \u00fcber die Haftung f\u00fcr fehlerhafte Produkte vom 15. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2198) bestimmt:<\/strong><\/p>\n \u201e(1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand get\u00f6tet, sein K\u00f6rper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache besch\u00e4digt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Gesch\u00e4digten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbesch\u00e4digung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt besch\u00e4digt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gew\u00f6hnlich f\u00fcr den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Gesch\u00e4digten haupts\u00e4chlich verwendet worden ist. \u00a7 3 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:<\/strong><\/p>\n \u201eEin Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde, insbesondere \u00a7 8 des Gesetzes sieht vor:<\/strong><\/p>\n \u201eIm Falle der Verletzung des K\u00f6rpers oder der Gesundheit ist Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Verm\u00f6gensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsf\u00e4higkeit aufgehoben oder gemindert ist oder seine Bed\u00fcrfnisse vermehrt sind. …\u201c<\/p>\n Die G. Corporation, jetzt B. S. Corporation, eine Gesellschaft mit Sitz in Saint-Paul (Vereinigte Staaten), stellt Herzschrittmacher und implantierbare Cardioverte Defibrillatoren her und verkauft sie.<\/p>\n G. f\u00fchrte Herzschrittmacher des Typs \u201eGuidant Pulsar 470\u201c und \u201eGuidant Meridian 976\u201c, die von der G. Corporation in den Vereinigten Staaten hergestellt worden waren, sowie von dieser in Europa hergestellte implantierbare Cardioverte Defibrillatoren des Typs \u201eG. Contak Renewal 4 AVT 6\u201c nach Deutschland ein und vertrieb sie dort.<\/p>\n Empfehlungen von G. vom 22. Juli 2005 in Bezug auf die Herzschrittmacher und nachfolgender Sachverhalt in der Rechtssache C-503\/13<\/b><\/p>\n Mit Schreiben vom 22. Juli 2005, das u. a. den behandelnden \u00c4rzten \u00fcbersandt wurde, teilte G. mit, ihr Qualit\u00e4tskontrollsystem habe die Feststellung erm\u00f6glicht, dass ein zur hermetischen Versiegelung der von ihr vertriebenen Herzschrittmacher verwendetes Bauteil m\u00f6glicherweise einem sukzessiven Verfall unterliege. Dieser k\u00f6nne zur vorzeitigen Batterieersch\u00f6pfung mit Verlust der Telemetrie und\/oder der Herzstimulationstherapie ohne Vorwarnung f\u00fchren.<\/p>\n G. empfahl den \u00c4rzten daher u. a., den Austausch der Schrittmacher ihrer Patienten zu erw\u00e4gen. Obwohl f\u00fcr die Schrittmacher kein Garantieanspruch mehr bestand, verpflichtete sich G., den schrittmacherabh\u00e4ngigen Patienten und solchen, bei denen die \u00c4rzte einen Austausch bef\u00fcrworteten, kostenlos Ersatzger\u00e4te zur Verf\u00fcgung zu stellen.<\/p>\n Infolge dieser Empfehlung wurden die Herzschrittmacher, die den bei der AOK versicherten B und W zuvor implantiert worden waren, im September bzw. November 2005 durch andere, von der Herstellerin kostenlos zur Verf\u00fcgung gestellte Herzschrittmacher ersetzt. Die explantierten Herzschrittmacher wurden vernichtet, ohne dass ein Gutachten \u00fcber ihre Funktionsf\u00e4higkeit erstellt worden w\u00e4re.<\/p>\n Die AOK, auf die die Anspr\u00fcche von B und W \u00fcbergegangen waren, verklagte Boston Scientific Medizintechnik beim Amtsgericht Stendal auf Ersatz der Kosten im Zusammenhang mit der Implantation der ersten Herzschrittmacher, aktualisiert f\u00fcr den Zeitpunkt des Austauschs dieser Schrittmacher. Diese Kosten beliefen sich auf 2 655,38 Euro f\u00fcr B und auf 5 914,07 Euro f\u00fcr W.<\/p>\n Mit Urteil vom 25. Mai 2011 gab das Amtsgericht Stendal der Klage statt. Nachdem die dagegen gerichtete Berufung vom Landgericht Stendal zur\u00fcckgewiesen worden war, legte Boston Scientific Medizintechnik beim vorlegenden Gericht Revision ein.<\/p>\n Erw\u00e4gungen des vorlegenden Gerichts in den Rechtssachen C-503\/13<\/strong><\/p>\n Das vorlegende Gericht stellt fest, dass es f\u00fcr die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten darauf ankomme, ob die Herzschrittmacher und der Cardioverte Defibrillator, die den betreffenden Versicherten implantiert worden seien, fehlerhafte Produkte im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85\/374\/EWG seien. Insoweit sei noch nicht gekl\u00e4rt, ob diese Ger\u00e4te, weil sie zu einer Gruppe von Produkten geh\u00f6rten, die ein Ausfallrisiko h\u00e4tten, selbst fehlerhaft seien.<\/p>\n In diesem Zusammenhang k\u00f6nne dahinstehen, ob in medizinischen Fachkreisen anerkannt sei, dass bei der Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Cardioverten Defibrillators keine vollkommene Sicherheit gew\u00e4hrleistet werden k\u00f6nne. Angesichts der Lebensgefahr, die von einem fehlerhaften Ger\u00e4t ausgehe, m\u00fcsse der Patient grunds\u00e4tzlich eine gegen null gehende Fehlerquote des implantierten Ger\u00e4ts erwarten d\u00fcrfen.<\/p>\n In Bezug auf die implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren begr\u00fcnde der Umstand, dass der therapeutische Nutzen der Funktion \u201eMagnetfunktion aktivieren\u201c bei deren Deaktivierung wegfalle, keine Gefahr f\u00fcr Leib und Leben des Patienten. Durch die Deaktivierung werde die Speicherung der Patientendaten nicht unterbrochen. Dass eine vor\u00fcbergehende Inhibierung der Tachyarrhythmietherapie in diesem Fall nur mit einem Programmierger\u00e4t vorgenommen werden k\u00f6nne, f\u00fchre nicht zu einer Gesundheitsgefahr, sondern lediglich zu einer Beschr\u00e4nkung der Funktionalit\u00e4t der Defibrillatoren.<\/p>\n Unter diesen Umst\u00e4nden hat der Bundesgerichtshof beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in den Rechtssachen C-503\/13 und C-504\/13 \u00e4hnlich formulierte Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:<\/p>\n 1. Ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85\/374 dahin auszulegen, dass ein Produkt, wenn es sich um ein in den menschlichen K\u00f6rper implantiertes Medizinprodukt (hier: Herzschrittmacher oder implantierbarer Cardioverter Defibrillator) handelt, bereits dann fehlerhaft ist, wenn Herzschrittmacher derselben Produktgruppe ein nennenswert erh\u00f6htes Ausfallrisiko haben oder bei einer signifikanten Anzahl von Defibrillatoren derselben Serie eine Fehlfunktion aufgetreten ist, ein Fehler des im konkreten Fall implantierten Ger\u00e4ts aber nicht festgestellt ist?<\/p>\n 2. Falls die Frage 1 mit ja beantwortet wird: Durch Beschluss des Pr\u00e4sidenten des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2013 sind die Rechtssachen C- 503\/13 und C-504\/13 zu gemeinsamem schriftlichen und m\u00fcndlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.<\/p>\n Das m\u00fcndliche Verfahren ist am 21. Oktober 2014 nach Stellung der Schlussantr\u00e4ge des Generalanwalts geschlossen worden.<\/p>\n Mit Schreiben vom 10. November 2014, das am selben Tag beim Gerichtshof eingegangen ist, hat Boston Scientific Medizintechnik die Wiederer\u00f6ffnung des m\u00fcndlichen Verfahrens beantragt.<\/p>\n Zur Begr\u00fcndung ihres Antrags macht sie insbesondere geltend, die Schlussantr\u00e4ge des Generalanwalts st\u00fctzten sich auf rechtliche Erw\u00e4gungen, und zwar aus Art. 168 AEUV und Art. 35 der Charta der Grundrechte der Europ\u00e4ischen Union, zu denen die Verfahrensparteien nicht h\u00e4tten Stellung nehmen k\u00f6nnen. Dar\u00fcber hinaus tr\u00e4gt Boston Scientific Medizintechnik vor, die Schlussantr\u00e4ge des Generalanwalts seien in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.<\/p>\n Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof gem\u00e4\u00df Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anh\u00f6rung des Generalanwalts die Wiederer\u00f6ffnung des m\u00fcndlichen Verfahrens beschlie\u00dfen kann, insbesondere wenn er sich f\u00fcr unzureichend unterrichtet h\u00e4lt oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europ\u00e4ischen Union bezeichneten Beteiligten nicht er\u00f6rtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.<\/p>\n Im vorliegenden Fall geht der Gerichtshof nach Anh\u00f6rung des Generalanwalts davon aus, dass er \u00fcber alle zur Beantwortung der Vorlagefragen erforderlichen Angaben verf\u00fcgt und dass diese Angaben im Verfahren vor ihm er\u00f6rtert worden sind.<\/p>\n Daher ist der Antrag von Boston Scientific Medizintechnik auf Wiederer\u00f6ffnung des m\u00fcndlichen Verfahrens zur\u00fcckzuweisen.<\/p>\n Mit seiner ersten Frage m\u00f6chte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85\/374 dahin auszulegen ist, dass ein Produkt, das zu einer Gruppe oder Produktionsserie von Produkten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren geh\u00f6rt, bei denen ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, als fehlerhaft eingestuft werden kann, ohne dass der Fehler bei diesem Produkt festgestellt zu werden braucht.<\/p>\n Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass ein Produkt nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie fehlerhaft ist, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde, insbesondere der Darbietung dieses Produkts, seines Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, und des Zeitpunkts, zu dem es in den Verkehr gebracht wurde, zu erwarten berechtigt ist. Nach dem sechsten Erw\u00e4gungsgrund der Richtlinie 85\/374 ist diese Beurteilung anhand der berechtigten Erwartungen der Allgemeinheit vorzunehmen.<\/p>\n Die Sicherheit, die zu erwarten man nach dieser Bestimmung berechtigt ist, ist damit vor allem unter Ber\u00fccksichtigung des Verwendungszwecks und der objektiven Merkmale und Eigenschaften des in Rede stehenden Produkts sowie der Besonderheiten der Benutzergruppe, f\u00fcr die es bestimmt ist, zu beurteilen. Bei medizinischen Ger\u00e4ten wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren sind die Anforderungen an ihre Sicherheit, die die Patienten zu erwarten berechtigt sind, in Anbetracht ihrer Funktion und der Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Ger\u00e4te nutzenden Patienten besonders hoch.<\/p>\n Au\u00dferdem besteht, wie der Generalanwalt in Nr. 30 seiner Schlussantr\u00e4ge ausgef\u00fchrt hat, der potenzielle Mangel an Sicherheit, der die Haftung des Herstellers nach der Richtlinie 85\/374 ausl\u00f6st, bei Produkten wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden in der anormalen Potenzialit\u00e4t eines Personenschadens, der durch sie verursacht werden kann.<\/p>\n Daher k\u00f6nnen im Fall der Feststellung eines potenziellen Fehlers solcher Produkte derselben Produktgruppe oder Produktionsserie alle Produkte dieser Gruppe oder Serie als fehlerhaft eingestuft werden, ohne dass ein Fehler des betreffenden Produkts nachgewiesen zu werden braucht.<\/p>\n Diese Auslegung steht dar\u00fcber hinaus im Einklang mit den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Zielen, die insbesondere, wie sich aus den Erw\u00e4gungsgr\u00fcnden 2 und 7 der Richtlinie 85\/374 ergibt, darin bestehen, eine gerechte Verteilung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken zwischen dem Gesch\u00e4digten und dem Hersteller zu gew\u00e4hrleisten.<\/p>\n Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Produkt, das zu einer Gruppe oder Produktionsserie von Produkten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren geh\u00f6rt, bei denen ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, als fehlerhaft eingestuft werden kann, ohne dass der Fehler bei diesem Produkt festgestellt zu werden braucht.<\/p>\n Mit seiner zweiten Frage m\u00f6chte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374 dahin auszulegen sind, dass es sich bei dem durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Produkts wie eines Herzschrittmachers oder eines implantierbaren Cardioverten Defibrillators verursachten Schaden um einen \u201edurch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursachten Schaden\u201c handelt, f\u00fcr den der Hersteller haftet.<\/p>\n Zun\u00e4chst ist darauf hinzuweisen, dass der Hersteller, wie sich aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie ergibt, f\u00fcr den Schaden haftet, der durch Tod und K\u00f6rperverletzungen infolge des Fehlers seines Produkts verursacht wird.<\/p>\n Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss f\u00fcr diesen in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Schaden eine angemessene und vollst\u00e4ndige Entsch\u00e4digung der durch ein fehlerhaftes Produkt Gesch\u00e4digten sichergestellt werden (vgl. Urteil Veedfald, C-203\/99, EU:C:2001:258, Rn. 27).<\/p>\n Wie der Generalanwalt in den Nrn. 61 bis 63 seiner Schlussantr\u00e4ge ausgef\u00fchrt hat, ist der Begriff des \u201edurch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursachten Schadens\u201c im Sinne von Art. 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374 im Hinblick auf die von dieser Richtlinie nach ihren Erw\u00e4gungsgr\u00fcnden 1 und 6 verfolgten Ziele des Schutzes der Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher weit auszulegen.<\/p>\n Die Haftung des Herstellers f\u00fcr ein fehlerhaftes Produkt setzt nach Art. 4 der Richtlinie 85\/374 den Nachweis eines urs\u00e4chlichen Zusammenhangs zwischen Fehler und erlittenem Schaden voraus. Deshalb sollte der Schadensersatz bei medizinischen Ger\u00e4ten wie Herzschrittmachern und implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren, die im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie fehlerhaft sind, u. a. die Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch des fehlerhaften Produkts einschlie\u00dfen.<\/p>\n Im vorliegenden Fall hat G., wie sich aus der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C-503\/13 ergibt, den \u00c4rzten empfohlen, den Austausch der betreffenden Herzschrittmacher zu erw\u00e4gen.<\/p>\n In dieser Rechtssache ist festzustellen, dass es sich bei den Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch der Schrittmacher, einschlie\u00dflich der Kosten f\u00fcr die chirurgischen Operationen, um einen Schaden im Sinne von Art. 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374 handelt, f\u00fcr den der Hersteller nach Art. 1 der Richtlinie haftet.<\/p>\n Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374 dahin auszulegen sind, dass es sich bei dem durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Produkts wie eines Herzschrittmachers oder eines implantierbaren Cardioverten Defibrillators verursachten Schaden um einen \u201edurch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursachten Schaden\u201c handelt, f\u00fcr den der Hersteller haftet, wenn diese Operation erforderlich ist, um den Fehler des betreffenden Produkts zu beseitigen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu pr\u00fcfen, ob diese Voraussetzung in den Ausgangsverfahren erf\u00fcllt ist.<\/p>\n F\u00fcr die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anh\u00e4ngigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter f\u00fcr die Abgabe von Erkl\u00e4rungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsf\u00e4hig.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Am 05.03.2015 hat der Europ\u00e4ische Gerichtshof nun endlich sein „Herzschrittmacherurteil“ verk\u00fcndet. Dabei folgte er in jeder Hinsicht unseren Argumenten und Antr\u00e4gen (C-503\/13). EuGH, Urteil vom 05. M\u00e4rz 2015 \u2013 C-503\/13 \u2013JURIS * Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage durch den Bundesgerichtshof: Produkthaftung bei Fehlerhaftigkeit eines Herzschrittmachers. Tenor Der Gerichtshof (Vierte Kammer) hat f\u00fcr Recht erkannt: 1. 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\n…
\nDamit der Verbraucher in seiner k\u00f6rperlichen Unversehrtheit und seinem Eigentum gesch\u00fctzt wird, ist zur Bestimmung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts nicht auf dessen mangelnde Gebrauchsf\u00e4higkeit, sondern auf einen Mangel an Sicherheit abzustellen, die von der Allgemeinheit berechtigterweise erwartet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Sicherheit wird von jedem missbr\u00e4uchlichen Gebrauch des Produkts abgesehen, der unter den betreffenden Umst\u00e4nden als unvern\u00fcnftig gelten muss.<\/p>\n
\n…
\nDer Schutz des Verbrauchers erfordert die Wiedergutmachung von Sch\u00e4den, die durch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursacht wurden, sowie die Wiedergutmachung von Sachsch\u00e4den. …\u201c<\/p>\n
\na) der Darbietung des Produkts,
\nb) des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
\nc) des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde,
\nzu erwarten berechtigt ist.\u201c<\/p>\n
\na) den durch Tod und K\u00f6rperverletzungen verursachten Schaden;
\nb) die Besch\u00e4digung oder Zerst\u00f6rung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produktes …<\/p>\nDeutsches Recht<\/h4>\n
\n…
\n(4) F\u00fcr den Fehler, den Schaden und den urs\u00e4chlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden tr\u00e4gt der Gesch\u00e4digte die Beweislast. …\u201c<\/p>\n
\na) seiner Darbietung,
\nb) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
\nc) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.\u201c<\/p>\nAusgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen<\/h3>\n
\nHandelt es sich bei den Kosten der Operation zur Explantation des Produkts und zur Implantation eines anderen Herzschrittmachers oder eines anderen Defibrillators um einen durch K\u00f6rperverletzung verursachten Schaden im Sinne der Art. 1 und 9 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 85\/374?<\/p>\nZum Antrag auf Wiederer\u00f6ffnung des m\u00fcndlichen Verfahrens<\/h3>\n
Zu den Vorlagefragen<\/h3>\n
Zur ersten Frage<\/h4>\n
Zur zweiten Frage<\/h4>\n
\nDer Schadensersatz umfasst dabei alles, was erforderlich ist, um die Schadensfolgen zu beseitigen und das Sicherheitsniveau wiederherzustellen, das man nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zu erwarten berechtigt ist.<\/p>\nKosten<\/h3>\n