{"id":773,"date":"2024-06-07T11:30:35","date_gmt":"2024-06-07T09:30:35","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=773"},"modified":"2024-09-19T19:10:03","modified_gmt":"2024-09-19T17:10:03","slug":"zum-mitverschulden-des-geschaedigten-patienten","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsgebiete\/anwalt-arzthaftung\/zum-mitverschulden-des-geschaedigten-patienten\/","title":{"rendered":"Zum Mitverschulden des gesch\u00e4digten Patienten"},"content":{"rendered":"
\u00a7 254 BGB hat folgenden Wortlaut:<\/strong><\/p>\n 1. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Besch\u00e4digten mitgewirkt, so h\u00e4ngt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umst\u00e4nden, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist.<\/p>\n 2. Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Besch\u00e4digten darauf beschr\u00e4nkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungew\u00f6hnlichen hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des \u00a7 278 findet entsprechende Anwendung.<\/p>\n Hat bei der Entstehung des Schadens (gemeint sein k\u00f6nnen sowohl K\u00f6rpersch\u00e4den als auch Verm\u00f6genssch\u00e4den) ein Verschulden des Gesch\u00e4digten mitgewirkt, so h\u00e4ngt die Frage des Fortbestehens eines Schadensersatzanspruches und bejahenden Falls in welchem Umfang insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Gesch\u00e4digten oder von dem Sch\u00e4diger verursacht worden ist. \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 BGB unterscheidet zwei Fallgruppen:<\/strong><\/p>\n 1. Unterl\u00e4sst es der Gesch\u00e4digte, den Sch\u00e4diger auf die Gefahr eines Schadens aufmerksam zu machen, den der Sch\u00e4diger weder kannte, noch kennen musste, so kann dieses Unterlassen gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 1. Alt. BGB ein Mitverschulden des Gesch\u00e4digten begr\u00fcnden.<\/p>\n 2. Unterl\u00e4sst es der Gesch\u00e4digte, einen Schaden abzuwenden, so kann auch dies gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 2. Alt. BGB zu einem Mitverschulden des Gesch\u00e4digten f\u00fchren.<\/p>\n \u00a7 254 Abs. 1 sowie Abs. 2 S. 1 BGB beruhen auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt au\u00dfer Acht l\u00e4sst, die erforderlich ist, um sich selbst vor Sch\u00e4den zu bewahren, den Verlust oder die K\u00fcrzung eines Schadensersatzanspruches hinnehmen muss (vgl. Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 1; OLG K\u00f6ln, Urteil vom 04. Dezember 1991, 27 U 23\/90, in AHRS 1400\/27).<\/p>\n Den Gesch\u00e4digten trifft damit ein Mitverschulden, wenn er diejenige Aufmerksamkeit und Sorgfalt au\u00dfer Acht l\u00e4sst, die jedem ordentlichen und verst\u00e4ndigen Menschen obliegt, um sich vor Sch\u00e4den zu bewahren.<\/p>\n Voraussetzung f\u00fcr die Begr\u00fcndung von Mitverschulden ist daher grunds\u00e4tzlich die Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Schadeneintrittes f\u00fcr den Gesch\u00e4digten (vgl. Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, a.a.O., \u00a7 254, Rdn. 12, 34). Eine blo\u00dfe Mitverursachung gen\u00fcgt daher zur Begr\u00fcndung eines Mitverschuldens nicht. (Hierzu zugleich noch n\u00e4her).<\/p>\n Zum Mitverschulden geh\u00f6rt auch die Zurechnungsf\u00e4higkeit analog \u00a7\u00a7 827, 828 BGB (vgl. BGH, AHRS 1400\/16; Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 13). An einer Zurechnungsf\u00e4higkeit und damit an einem Mitverschulden fehlt es, wenn der Gesch\u00e4digte aufgrund von Krankheit nicht f\u00e4hig ist, zu erkennen, dass sein Verhalten \/ Unterlassen einen Schaden verursachen kann:<\/p>\n Beispiel: Fall des BGH in AHRS 1400\/16<\/strong> Der BGH hatte in dieser Entscheidung ein Mitverschulden des gesch\u00e4digten Patienten u.a. mit dessen fehlender Zurechnungsf\u00e4higkeit verneint. \u201eDer Schaden wird durch das Mitverschulden des Gesch\u00e4digten nur ber\u00fchrt, wenn der Schaden vom Schutzbereich der Obliegenheit erfasst ist, welche den Gesch\u00e4digten trifft. Das ist nur der Fall, wenn die in der Situation des Gesch\u00e4digten konkret von ihm geforderte Mitwirkungspflicht gerade die Vermeidung des eingetretenen Schadens bezweckt. Die dem Patienten A. zumutbare Mitwirkungspflicht bezweckte aber (…) grunds\u00e4tzlich nicht die Unterlassung eines Selbstmordversuchs. Inhalt des Behandlungsvertrages war nicht nur die Behandlung der psychopathischen Reaktionen, sondern auch die Verhinderung der bei dem Patienten bestehenden Selbstmordgefahr<\/em>\u201c.<\/p>\n Voraussetzung f\u00fcr ein Mitverschulden des Gesch\u00e4digten in die Entstehung seines K\u00f6rper- oder Verm\u00f6gensschadens sind:<\/p>\n \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 1. HS BGB setzt voraus, dass<\/p>\n Eine Hinweispflicht des Gesch\u00e4digten gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 1. HS BGB besteht daher nicht, wenn der Sch\u00e4diger die gleiche oder bessere Erkenntnism\u00f6glichkeiten bzgl. der Gefahr eines Schadeneintrittes hat (vgl. BGH, VersR 1953, 14).<\/p>\n Beispiel: Fall des OLG K\u00f6ln vom 4.12.91 in AHRS\/27<\/strong> Die Voraussetzungen des Mitverschuldeneinwandes gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 1. HS BGB liegen trotz Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit in der Schadensentstehung auf Seiten des Gesch\u00e4digten dann nicht vor,\u00a0wenn der Sch\u00e4diger einen entsprechenden Hinweis des Gesch\u00e4digten bzgl. der Gefahr eines Schadeneintrittes nicht beachtet h\u00e4tte (vgl. BGH, NJW 1989, 292). In einem solchen Fall w\u00e4re n\u00e4mlich der unterlassene Hinweis bzw. die unterlassene Warnung nicht urs\u00e4chlich f\u00fcr den Schadenseintritt (vgl. BGH, NJW 1989, 292).<\/p>\n Ein Mitverschulden in diesem Sinne liegt nur vor, wenn<\/p>\n f\u00fcr den Gesch\u00e4digten der Schadeneintritt voraussehbar war, d.h. der Gesch\u00e4digte muss erkennen, oder zumindest erkennen k\u00f6nnen, dass sein Verhalten schadensurs\u00e4chlich im weiteren Sinne ist, denn nur dann kann man von einem Verschulden \u201egegen sich selbst\u201c sprechen (vgl. OLG K\u00f6ln, Urteil vom 04. Dezember 1991, in AHRS 1400\/27; BGH, VersR 64, 950). Der Beispielsfall des BGH, Urteil vom 17. Dezember 1996, in NJW 1997, 1635 (\u00e4hnlich auch die etwas sp\u00e4tere Entscheidung des BGH vom 24. Juni 1997, in NJW 1997, 3090).<\/p>\n Einem Patienten ist nicht zuzumuten, sich erneut in die Behandlung eines Arztes zu begeben, der ihn falsch behandelt hat.<\/p>\n Beispielsfall: OLG K\u00f6ln, Urteil vom 14. Oktober 1985, in AHRS 1400\/17 (vgl. auch LG K\u00f6ln, Urteil vom 22. Februar 1961, in AHRS 1400\/4).<\/p>\n Ein Gesch\u00e4digter ist gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 2. HS BGB nur dann verpflichtet, sich im Rahmen der Nachbehanldung einer Operation zu unterziehen, wenn<\/p>\n Trifft den Gesch\u00e4digten ein schuldhaftes Mitverschulden am Eintritt seines K\u00f6rper- oder Verm\u00f6gensschadens, ist zu pr\u00fcfen, ob dies zum g\u00e4nzlichen Wegfall einer Schadensersatzhaftung auf Seiten des Sch\u00e4digers oder nur zu einer Reduzierung f\u00fchrt.<\/p>\n Gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 1 BGB ist unter Heranziehung s\u00e4mtlicher Umst\u00e4nde des konkreten Einzelfalles das Ma\u00df der Schadensverursachung auf Seiten des Gesch\u00e4digten einerseits und auf Seiten des Sch\u00e4digers andererseits zu vergleichen (vgl. Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 45 f.). Entscheidend ist hierbei, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit die beiderseitigen Verursachungsbeitr\u00e4ge zur Herbeif\u00fchrung des Schadens geeignet waren. \u201eVorwiegend verursachen\u201c im Sinne des Gesetzes bedeutet so viel wie \u201eim h\u00f6heren Grad wahrscheinlich sein\u201c (Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 46, mit Verweis auf BGH, NJW 1994, 379). In zweiter Linie kommt es auf das Ma\u00df des Verschuldens an.<\/p>\n \u00a7 254 BGB begr\u00fcndet einen Einwand, nicht eine Einrede. Ed ist daher von Amts wegen zu ber\u00fccksichtigen, sofern entsprechende Tatsachen vorgetragen werden (BGH, NJW 1991, 167; Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 82).<\/p>\n Die Beweislast f\u00fcr das Verschulden des Gesch\u00e4digten und dessen Urs\u00e4chlichkeit f\u00fcr den Schadenseintritt tr\u00e4gt der Ersatzpflichtige (Palandt \/ Heinrichs, BGH-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 82). Der Gesch\u00e4digte muss aber, soweit es um Umst\u00e4nde aus seiner Sph\u00e4re geht, an der Sachaufkl\u00e4rung mitwirken, er muss erforderlichen Falls darlegen, was er zur Schadensminderung unternommen hat (Palandt \/ Heinrichs, a.a.O.).<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Urteil zum Mitverschulden des gesch\u00e4digten Patienten Gem\u00e4\u00df \u00a7 254 BGB kann der gesch\u00e4digte Patient seine Schmerzensgeld- sowie Schadensersatzanspr\u00fcche verlieren, wenn ihn an der Entstehung seiner K\u00f6rper- und Verm\u00f6gensschaden ein Mitverschulden trifft. \u00a7 254 BGB hat folgenden Wortlaut: 1. 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\n\u00a7 254 Abs. 2 S. 1 BGB ist lediglich ein besonderer Anwendungsfall des \u00a7 254 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, 58. Aufl., \u00a7 254, Rdn. 32).<\/p>\n
\nDer BGH hatte dort Folgendes ausgef\u00fchrt: \u201eDem Krankenhaustr\u00e4ger, der einem Patienten wegen Selbstgef\u00e4hrdung zu behandeln und ihn vor einer Selbstsch\u00e4digung zu bewahren hat, ist, wenn der Patient w\u00e4hrend der station\u00e4ren Behandlung dennoch einen Selbstt\u00f6tungsversuch unternimmt, grunds\u00e4tzlich der Mitverschuldenseinwand versagt.\u201c.<\/p>\n
\nAu\u00dferdem hatte er mit dem Argument des \u201eSchutzzweck der Norm\u201c argumentiert. Zutreffend hatte der BGH festgestellt, dass \u00a7 254 Abs. 1 u. 2 S. 1 BGB voraussetzen, dass den Gesch\u00e4digten die Pflicht traf, den konkret eingetretenen K\u00f6rper- oder Verm\u00f6gensschaden zu verhindern (vgl. auch Palandt \/ Heinrichs, BGB-Kommentar, \u00a7 254, Rdn. 15). Der BGH hatte es in seiner Entscheidung in AHRS 1400\/16 wie folgt ausgedr\u00fcckt:<\/p>\nII. Zwischenergebnis:<\/h3>\n
\n
B. Zur Warnpflicht gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 1. Alt. BGB:<\/h2>\n
I. Voraussetzungen<\/h3>\n
\n
\nDas OLG K\u00f6ln hatte in seiner Entscheidung vom 04. Dezember 1991, abgedruckt in AHRS 1400\/27, ein Mitverschulden des Gesch\u00e4digten mit der Begr\u00fcndung verneint, dass dieser die Entstehung eines Schadens nicht voraussehen und damit auch nicht vermeiden konnte (vgl. hierzu OLG K\u00f6ln, Urteil vom 04. Dezember 1991, AHRS 1400\/27).<\/p>\nII. Gegenbeispiel<\/h3>\n
C. Zur Schadensabwendungsverpflichtung des Gesch\u00e4digten gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 2. HS BGB:<\/h2>\n
\nBeispiel: die Entscheidung des OLG Frankfurt, Urteil vom 08. Mai 1978, abgedruckt in AHRS 1400\/11 (Vgl. auch die \u00e4hnliche Entscheidung des OLG D\u00fcsseldorf vom 09. November 1995 in AHRS 1400\/109)
\nWeiteres Beispiel: OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 1993, abgedruckt in AHRS 1400\/100
\nWeitere Voraussetzungen zur Begr\u00fcndung der Verletzung einer Schadensabwendungspflicht gem\u00e4\u00df \u00a7 254 Abs. 2 S. 1 2. HS BGB ist, dass dem Gesch\u00e4digten die erforderlichen Ma\u00dfnahmen zur Schadensabwendung bekannt sind (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1992, in AHRS 1400\/29; BGH, NJW 1997, 1635; BGH, NJW 1997, 3090; OLG D\u00fcsseldorf, Urteil vom 08. Juli 1993, in AHRS 1400\/102; OLG Stuttgart, Urteil vom 01. Dezember 1994, in AHRS 1400\/107).<\/p>\nD. Weitere Besonderheiten:<\/h2>\n
I. Zumutbarkeit<\/h3>\n
\n
E. Zu den Rechtsfolgen nach Bejahung eines Mitverschuldens des Gesch\u00e4digten:<\/h2>\n
F. Zur Beweislast:<\/h2>\n