{"id":699,"date":"2004-09-24T09:41:07","date_gmt":"2004-09-24T07:41:07","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=699"},"modified":"2019-11-28T17:11:47","modified_gmt":"2019-11-28T16:11:47","slug":"kg-berlin-25-zivilsenat-24-09-2004-25-u-20103","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsprechung\/urteile-medizinrecht\/kg-berlin-25-zivilsenat-24-09-2004-25-u-20103\/","title":{"rendered":"KG Berlin 25. Zivilsenat, 24.09.2004, 25 U 201\/03"},"content":{"rendered":"
Normen: \u00a7 276aF BGB, \u00a7 433 BGB, \u00a7 651 BGB, \u00a7 823 Abs 1 BGB, \u00a7 823 Abs 2 BGB, \u00a7 8 LMG<\/p>\n
Haftung des Backwarenlieferanten f\u00fcr ein Altenheim: Anscheinsbeweis und Indizienw\u00fcrdigung bei Salmonellenvergiftung von Heimbewohnern, deren Angeh\u00f6rigen und Heimmitarbeitern.<\/p>\n
Gegen die f\u00fcr den Anscheinsbeweis erforderliche Typik des Geschehensablaufs sprechen eine fehlende Aufkl\u00e4rung ma\u00dfgeblicher Faktoren bzw. deren nicht mehr m\u00f6gliche Aufkl\u00e4rung. Zur Bewertung von Indizien (hier: Salmonellenvergiftung bei Bewohnern eines Seniorenheimes, deren Angeh\u00f6rigen und Mitarbeitern der Einrichtung).<\/p>\n
Zitierungen zu Leitsatz 2: Abgrenzung OLG Hamm, 20. September 1994, 9 U 4\/94, VersR 1996, 72 und BGH, 19. November 1991, VI ZR 171\/91, NJW 1992, 1039.<\/p>\n
Fundstellen: KGR Berlin 2005, 247-250 (Leitsatz und Gr\u00fcnde) Verfahrensgang vorgehend LG Berlin, 5. November 2003, Az: 28 O 239\/01 Diese Entscheidung zitiert Rechtsprechung Abgrenzung OLG Hamm vom 20. September 1994, Az: 9 U 4\/94 Abgrenzung BGH 6. Zivilsenat vom 19. November 1991, Az: VI ZR 171\/91<\/p>\n
Die Berufung der Kl\u00e4gerin gegen das am 5. November 2003 verk\u00fcndete Urteil der Zivilkammer 28 des Landgerichts Berlin wird zur\u00fcckgewiesen.<\/p>\n
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Kl\u00e4gerin zu tragen.<\/p>\n
Das Urteil ist vorl\u00e4ufig vollstreckbar.<\/p>\n
Die Kl\u00e4gerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in H\u00f6he von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in H\u00f6he von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.<\/p>\n
Die Revision wird nicht zugelassen.<\/p>\n
I. Wegen der tats\u00e4chlichen Feststellungen wird zun\u00e4chst auf Seite 2 erster und zweiter Absatz des Tatbestandes des Urteils des Landgerichts Berlin (Bd. II Bl. 75 = AH 2 d.A.) Bezug genommen, \u00a7 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1999 kam es zu Erbrechen und Durchfallerkrankungen bei mehreren Heimbewohnern. Auch Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin und Angeh\u00f6rige von Heimbewohnern litten unter diesen Beschwerden. Es erkrankten an einer Salmonelleninfektion insgesamt 218 Bewohner, 27 Mitarbeiter sowie 9 Angeh\u00f6rige. Die bei acht erkrankten Personen vorgenommene Typisierung ergab den Typ Salmonella Enteritidis LT 4\/5. In der Folgezeit verstarben einige Heimbewohner. Die Mitarbeiterin der Versicherungsnehmerin, Frau F… H.., erkrankte ebenfalls. Sie hatte kein Eclair, sondern ein St\u00fcck Erdbeerkuchen gegessen, das neben einem Eclair lag. Frau G…, ebenfalls Mitarbeiterin der Versicherungsnehmerin, erkrankte, ohne ein Eclair verzehrt zu haben. Die weitere Mitarbeiterin, Frau C. C., wies ebenfalls einen positiven Salmonellenbefund auf. Sie war am 9. Juni 1999 nicht im Dienst. Wegen der weiteren tats\u00e4chlichen Feststellungen wird auf Seite 3 dritter Absatz bis Seite 5 zweiter Absatz des Urteils des Landgerichts Berlin (Bd. II Bl. 76 \u2013 78 = AH 3 \u2013 5 d.A.) Bezug genommen. Davon ausgenommen sind Seite 3, vierter Absatz, Satz 1 und 2. Diese Passage lautet wie folgt: Das Gesundheitsamt des Bezirksamtes S… entnahm am 11. Juni 1999 eine Probe. In dem untersuchten Eclair… Die Kl\u00e4gerin hat behauptet, die Salmonelleninfektionen seien auf die vom Beklagten hergestellten und gelieferten Eclairs zur\u00fcckzuf\u00fchren. Alle Erkrankten h\u00e4tten als einziges gemeinsames Nahrungsmittel ein Eclair zu sich genommen. Das bei der Durchsuchung der B\u00e4ckerei noch aufgefundene Eclair stamme nicht aus der an ihre Versicherungsnehmerin gelieferten Charge, da es gr\u00f6\u00dfer sei. Untersuchungen bei ihrer Versicherungsnehmerin h\u00e4tten keine Beanstandungen ergeben. Bei Frau C. C. seien die der positiven Stuhlprobe nachfolgenden drei Stuhlproben negativ ausgefallen. Das Gesundheitsamt habe mitgeteilt, es sei vielleicht zu einer Verwechslung gekommen. Frau G… habe Kontakt mit verschmutztem Geschirr gehabt und k\u00f6nne sich auch auf der Toilette infiziert haben. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Behauptungen der Kl\u00e4gerin zur Schadensh\u00f6he wird auf Seite 6 zweiter und dritter Absatz des Urteils des Landgerichts Berlin (Bd. II Bl. 79 = AH 6 d.A.) Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Klageschrift vom 3. Mai 2001 (Bd. I Bl. 1 \u2013 20 d.A.) sowie die Schrifts\u00e4tze ihrer Prozessbevollm\u00e4chtigten vom 13. Juni 2001 (Bd. I Bl. 30 \u2013 48 d.A.), 2. August 2001 (Bd. I Bl. 64 \u2013 71 d.A.), 15. Januar 2002 (Bl. 98 \u2013 104 d.A.), 27. Februar 2002 (Bd. I Bl. 119 \u2013 122 d.A.), 7. Juni 2002 (Bd. I Bl. 151 \u2013 159 d.A.), 26. Juli 2002 (Bd. I Bl. 180 \u2013 183 d.A.), 21. August 2002 (Bd. I Bl. 184 d.A.), 1. Oktober 2002 (Bd. I Bl. 189 \u2013 190 d.A.), 23. Oktober 2002 (Bd. II Bl. 15 \u2013 16 d.A.), 11. August 2003 (Bd. II Bl. 49 \u2013 51 d.A.) und 14. Oktober 2003 (Bd. II Bl. 65 \u2013 72 d.A.) mit den entsprechenden Anlagen verwiesen. Die Kl\u00e4gerin hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 77.495,98 EUR nebst Zinsen in H\u00f6he von 5 Prozentpunkten \u00fcber dem jeweiligen Basiszinssatz der Europ\u00e4ischen Zentralbank seit Rechtsh\u00e4ngigkeit zu zahlen; festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr s\u00e4mtliche zuk\u00fcnftigen Sch\u00e4den aus dem Schadensfall ihrer Versicherungsnehmerin (Schadennummer DBV 2916781) vom 9. Juni 1999, der Seniorenheim L… GmbH, aufgrund der in ihren H\u00e4usern aufgetretenen Salmonelleninfektion, zu erstatten. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, die Art der Herstellung der Eclairs schlie\u00dfe es aus, dass Salmonellenerreger auftreten k\u00f6nnten. Die Infektionen seien von dem Betreiber der Heime in der Zentralk\u00fcche verursacht worden. Die K\u00fchlung der Eclairs bei der Versicherungsnehmerin der Kl\u00e4gerin sei unzureichend vorgenommen worden. Es seien dort nicht alle Speisen untersucht worden. Das mit Bakterien behaftete Eclair in seiner B\u00e4ckerei sei von der Lieferung an die Versicherungsnehmerin der Kl\u00e4gerin \u00fcbrig geblieben. Er, der Beklagte, habe am 9. Juni 1999 auch andere Kunden mit Eclairs bzw. weiteren Kuchenst\u00fccken mit Eclairf\u00fcllung (Bienenstich) beliefert, insbesondere das Altersheim B… II mit drei\u00dfig Di\u00e4t-Eclairs. Au\u00dferdem seien in der B\u00e4ckerei zehn Eclairs verkauft worden. Beanstandungen habe es nicht gegeben. Der Spritzbeutel, an dem Salmonellen festgestellt worden seien, sei nicht f\u00fcr die Herstellung von Eclairs verwandt worden. Das Landgericht hat gem\u00e4\u00df Beschl\u00fcssen vom 6. Februar 2002, 24. Mai 2002 und 13. November 2002 Beweis erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 8 zweiter Absatz des Urteils des Landgerichts (Bd. II Bl. 81 = AH 8 d.A.) Bezug genommen. Das Gericht hat durch am 5. November 2003 verk\u00fcndetes Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begr\u00fcndung hat es im wesentlichen ausgef\u00fchrt, dass der Kl\u00e4gerin schon dem Grunde nach kein Anspruch gegen den Beklagten aus \u00fcbergegangenem bzw. abgetretenem Recht der Seniorenheim L… GmbH wegen Produkthaftung bzw. aus positiver Vertragsverletzung des Werklieferungsvertrages zustehe. Das Gericht sei zwar davon \u00fcberzeugt, dass die Salmonellenerkrankungen durch ein infiziertes Nahrungsmittel ausgel\u00f6st worden seien. Die Kl\u00e4gerin habe aber den ihr obliegenden Beweis, dass der Beklagte mit Salmonellen behaftete Eclairs geliefert habe, nicht gef\u00fchrt. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 8 \u2013 13 des Urteils (Bd. II Bl. 81- 86 = AH 8 \u2013 12 d.A.) verwiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollm\u00e4chtigten der Kl\u00e4gerin zugestellt worden am 19. November 2003. Die Kl\u00e4gerin hat mit am 1. Dezember 2003 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollm\u00e4chtigten Berufung bei dem Kammergericht eingelegt, die sie mit am 19. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollm\u00e4chtigten begr\u00fcndet hat. Die Kl\u00e4gerin erachtet die landgerichtliche Entscheidung f\u00fcr unzutreffend. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, dass Produkte aus der eigenen Heimk\u00fcche als mit Salmonellen behaftet nicht in Betracht k\u00e4men, weil diese nicht von allen erkrankten Personen zu sich genommen worden seien. Sie vertritt die Ansicht, dass die Entscheidung des Landgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegr\u00fcndung vom 19. Januar 2004 (Bd. II Bl. 109 \u2013 120 d.A.) und den Schriftsatz ihrer Prozessbevollm\u00e4chtigten vom 16. September 2004 (Bd. II Bl. 144 \u2013 146 d.A.) verwiesen. Die Kl\u00e4gerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 77.495,98 EUR nebst Zinsen in H\u00f6he von 5%-Punkten \u00fcber dem jeweiligen Basiszinssatz der Europ\u00e4ischen Zentralbank seit Rechtsh\u00e4ngigkeit zu zahlen; festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr s\u00e4mtliche zuk\u00fcnftigen Sch\u00e4den aus dem Schadensfall ihrer Versicherungsnehmerin (Schadennummer DBV 2916781) vom 9.6.1999, der Seniorenheim am L… GmbH, aufgrund der in deren H\u00e4usern aufgetretenen Salmonelleninfektion, zu erstatten. Der Beklagte beantragt, die Berufung zur\u00fcckzuweisen. Er erachtet die landgerichtliche Entscheidung f\u00fcr zutreffend und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz seiner Prozessbevollm\u00e4chtigten vom 25. Juni 2004 (Bd. II Bl. 132 \u2013 139 d.A.) verwiesen. Die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin – 3 Wi Js 949\/99 – lagen vor und waren Gegenstand der m\u00fcndlichen Verhandlung.<\/p>\n
II. Die Berufung der Kl\u00e4gerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden (\u00a7\u00a7 517, 519, 520 ZPO); sie ist mithin zul\u00e4ssig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht Anspr\u00fcche der Kl\u00e4gerin gegen\u00fcber dem Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht verneint.<\/p>\n
A. Die Kl\u00e4gerin hat gegen\u00fcber dem Beklagten aus eigenem Recht keine Anspr\u00fcche auf Ausgleich der Zahlungen, die sie als Haftpflichtversicherin des Seniorenheims an die Krankenkassen der durch eine Salmonellenvergiftung erkrankten Personen geleistet hat. Anspr\u00fcche gem\u00e4\u00df \u00a7 67 Abs. 1 Satz 1 VVG stehen der Kl\u00e4gerin nicht zu. Danach geht ein Anspruch auf den Versicherer \u00fcber, wenn dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zusteht und der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Die Voraussetzungen f\u00fcr einen Anspruchs\u00fcbergang sind nicht gegeben. Denn der Versicherungsnehmerin der Kl\u00e4gerin, der Betreiberin der Seniorenheime, steht gegen\u00fcber dem Beklagten kein Anspruch auf Ersatz der Kosten zu, die durch die Krankenkassen der Heimbewohner bzw. deren Angeh\u00f6rigen geltend gemacht worden sind. Ein Anspruch kann nicht auf die (nach fr\u00fcherem Recht ma\u00dfgeblichen) gewohnheitsrechtlich anerkannten Grunds\u00e4tze der positiven Vertragsverletzung (vgl. dazu Palandt\/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., \u00a7 276, Rdnr. 104 ff.) gest\u00fctzt werden. Voraussetzung eines entsprechenden Schadensersatzanspruches ist eine schuldhafte Vertragsverletzung, die zu einem Schaden f\u00fchrt. Zwischen der Seniorenheim-Betreiberin und dem Beklagten wurde zwar ein Werklieferungsvertrag (\u00a7 651 BGB) geschlossen. Da der Beklagte die Eclairs aus von ihm zu beschaffenden Stoff herzustellen hatte und es sich bei der Ware um vertretbare Sachen (\u00a7 91 BGB) handelte, finden auf diesen Vertrag die Regelungen \u00fcber den Kauf Anwendung (\u00a7 651 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BGB). Auch ist ein Schaden eingetreten, n\u00e4mlich die Belastung der Betreiberin des Heims mit einer Schadensersatzpflicht gegen\u00fcber Dritten (sog. Mangelfolgeschaden; vgl. BGHZ 77, 217; 86, 260; 101, 339; VersR 1954, 100; 89, 805). Es steht aber nicht zur \u00dcberzeugung des Senats fest, dass der Beklagte mit Salmonellen \u201einfizierte\u201c Eclairs geliefert hat und dadurch die Bewohner, deren Angeh\u00f6rige und Mitarbeiter der Einrichtungen erkrankt und teilweise verstorben sind. Die Kl\u00e4gerin ist nach Auffassung des Senats hinsichtlich dieser etwaigen Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastet. Den entsprechenden Beweis hat sie nicht erbringen k\u00f6nnen. Sie kann sich zun\u00e4chst nicht auf einen gegen den Beklagten sprechenden Anscheinsbeweis berufen. Der prima-facie-Beweis erlaubt bei typischen Geschehensabl\u00e4ufen den Nachweis eines urs\u00e4chlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern aufgrund von Erfahrungss\u00e4tzen. Hierf\u00fcr muss ein typischer Geschehensablauf feststehen, d.h. ein Sachverhalt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Dieser Sachverhalt muss entweder unstreitig oder mit Vollbeweis bewiesen (BGH NJW 1982, 2448) bzw. (nach BGHZ 100, 31, 34) jedenfalls erheblich wahrscheinlich sein. Der behauptete Vorgang muss zu jenen geh\u00f6ren, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelm\u00e4\u00dfigkeit, \u00dcblichkeit und H\u00e4ufigkeit gepr\u00e4gten \u201eMuster\u201c (BGH NJW 1991, 230\/231), abzulaufen pflegen. In die Bewertung des Geschehens als typisch sind alle bekannten Umst\u00e4nde einzubeziehen – sei es, dass der Kl\u00e4ger sie selbst vortr\u00e4gt, sie unstreitig oder festgestellt worden sind (BGH NJW 1991, a.a.O.). Es kann hier weder nach dem unstreitigen Sachverhalt noch nach der vom Landgericht durchgef\u00fchrten Beweisaufnahme ein typischer Geschehensablauf dergestalt angenommen werden, dass als Schadensverursacher allein die vom Beklagten gelieferten Eclairs in Betracht kommen. Es begegnet zwar keinen Bedenken, dass das Landgericht angenommen hat, dass angesichts des jedenfalls nahezu zeitgleichen Auftretens der Krankheitsf\u00e4lle ein Infektionsherd bestand. Es liegt dann auch nahe, von einem alle Erkrankten betreffenden Vorgang, n\u00e4mlich der Nahrungsaufnahme, auszugehen. F\u00fcr den von der Kl\u00e4gerin behaupteten Geschehensablauf spricht zun\u00e4chst der zeitliche Zusammenhang zwischen den Eclair-Lieferungen und dem Auftreten der Erkrankungen. Zudem haben nach ihren Darlegungen mit Ausnahme von Frau H., Frau C. und Frau G. alle Gesch\u00e4digten von den gelieferten Eclairs gegessen. Der Vortrag der Kl\u00e4gerin findet seine Best\u00e4tigung auch, wenn man den Bekundungen der Zeugen vor dem Landgericht Glauben schenkt, wonach einige Personen tats\u00e4chlich an jenem Tag nur Eclairs gegessen haben. Gleiches gilt, wenn man zu Gunsten der Kl\u00e4gerin unterstellt, dass sich dieser Personenkreis bei Einvernehmung weiterer Zeugen noch erweitern w\u00fcrde. Es ist auch zu ber\u00fccksichtigen, dass in der B\u00e4ckerei des Beklagten jedenfalls eine mit Salmonellen befallene T\u00fclle gefunden wurde, die den gleichen Salmonellen-Typus wie bei den untersuchten Personen aufwies. Allerdings ist unstreitig, dass die Probe der bei der Betreiberin der Heime verbliebenen, tiefgek\u00fchlten Eclair aus der Lieferung des Beklagten vom 9. Juni 1999 keinen Salmonellenbefall ergab (- so dass es auf die Vernehmung des Zeugen Z. zu den angeblichen \u00c4u\u00dferungen des Beklagten, keine R\u00fcckstellproben zu haben, nicht ankommt). Auch das am 11. Juni 1999 bei dem Beklagten untersuchte Geb\u00e4ck wies keine Salmonellen auf. Die mikrobiologischen Untersuchungen beim Beklagten eine Woche nach dem hier ma\u00dfgeblichen Vorfall ergaben bei den Eclair-Proben keine Beanstandungen, hingegen wurden an einem kleinen Spritzbeutel Salmonellen gefunden. Neben den zuletzt genannten Umst\u00e4nden spricht gegen die f\u00fcr den Anscheinsbeweis erforderliche Typik des Geschehensablaufs nach Ansicht des Senats insbesondere, dass ma\u00dfgebliche Faktoren nicht aufgekl\u00e4rt worden sind und auch nicht mehr aufgekl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Nach den nachvollziehbaren Ausf\u00fchrungen des Prof. Dr. R. in der erg\u00e4nzenden Stellungnahme vom 1. September 2003 h\u00e4tte nur eine retrospektive epidemiologische Untersuchung \u00fcber alle in Betracht kommenden Risikofaktoren (Eclairs, andere Lebensmittel bis zu drei Tagen vor dem Auftreten der Krankheitssymptome) die geforderte an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erbringen k\u00f6nnen. Diese ist unstreitig nicht durchgef\u00fchrt worden. Es kann im \u00dcbrigen auch nicht davon ausgegangen werden, dass tats\u00e4chlich s\u00e4mtliche in den Heimen gereichten Speisen am 9. Juni 1999 untersucht worden sind. Ausweislich des von der Kl\u00e4gerin eingereichten polizeilichen Ermittlungsberichts vom 13. M\u00e4rz 2000 (Anlage K 2) haben die zust\u00e4ndigen Veterin\u00e4r- und Lebensmittelaufsichts\u00e4mter zwar \u00dcberpr\u00fcfungen der einzelnen Altenpflegeheime vorgenommen und R\u00fcckstellproben der Heimverpflegung untersucht. Allerdings ergibt sich daraus und aus dem Vortrag der Kl\u00e4gerin nicht, welche R\u00fcckstellproben welcher Mahlzeiten gepr\u00fcft wurden. Lediglich erg\u00e4nzend ist insoweit darauf hinzuweisen, dass nach dem Vermerk des Staatsanwalts S… vom 26. Mai 2000 (Beiakte II Bl. 40) z.T. die Fr\u00fchst\u00fccksmahlzeiten und die Abendessen des Vortags fehlen. Eine Untersuchung s\u00e4mtlicher der in den Heimen in der Infektionszeit ausgereichten Speisen, auf die es entscheidungserheblich ank\u00e4me, kann nicht mehr erfolgen. Im Hinblick darauf bedurfte es keines Hinweises des Erstgerichts zu den Einsatzpl\u00e4nen der Mitarbeiter etc. (vgl. Bd. II Bl. 115 d.A.). Selbst wenn man zugunsten der Kl\u00e4gerin davon ausgeht, dass die Mitarbeiter nicht von ein und derselben Heimspeise gegessen haben, kann daraus nichts abgeleitet werden. Hat die Aufnahme von Nahrung aus dem Heim stattgefunden, ist eine darauf beruhende Infizierung nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn Mitarbeiter keine Heimspeise zu sich genommen haben, hinsichtlich anderer \u00dcbertragungswege. Im \u00dcbrigen ist auch nicht ersichtlich, dass tats\u00e4chlich s\u00e4mtliche Personen, die ein Eclair gegessen haben, erkrankten. Wenn 415 Teilchen ausgeliefert worden sind, kann dies einerseits bedeuten, dass ein Teil der Lieferung \u201everseucht\u201c war. Es kann aber auch bedeuten, dass diese Nahrung nicht als Verursacher in Betracht kommt. Dass tats\u00e4chlich s\u00e4mtliche Erkrankten nur einen Eclair gegessen hatten, behauptet die Kl\u00e4gerin nicht. Die Kl\u00e4gerin hat den direkten Nachweis, dass der Beklagte mit Salmonellen infizierte Eclairs geliefert hat, nicht f\u00fchren k\u00f6nnen. Dies hat sie selbst einger\u00e4umt (Seite 4 der Berufungsbegr\u00fcndung). Dessen ungeachtet verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Gr\u00fcnde in der angefochtenen Entscheidung. Schlie\u00dflich lassen auch die hier vorliegenden Indizien nicht den sicheren Schluss zu, dass die Eclairs mit Salmonellen behaftet waren. Dagegen spricht, dass die bei der Heimbetreiberin verbliebenen Proben beanstandungsfrei waren. Au\u00dferdem reicht und nach dem \u00fcberzeugenden Gutachten des Prof. Dr. R. die untersuchte St\u00fcckprobenzahl nicht aus, um zweifelsfrei feststellen zu k\u00f6nnen, ob eine Urs\u00e4chlichkeit durch verseuchte Eclairs besteht. Die Kl\u00e4gerin kann sich insoweit nicht auf die Entscheidung des OLG Hamm (VersR 1996, 72) berufen. In dem dortigen Fall waren Mitglieder einer Familie nach dem Genuss von Bienenstich erkrankt. Eine Probe des Bienenstichs gab es nicht. Es stand dort nach Beweisaufnahme zur \u00dcberzeugung des Gerichts fest, dass die Salmonellenerkrankung urs\u00e4chlich durch den Genuss eines von dem Beklagten hergestellten Bienenstichs hervorgerufen worden war. Die Gesamtheit der Indizien lasse einen entsprechenden sicheren Schluss zu (vgl. dort jeweils m.w.N.; und LG Darmstadt RRa 1995, 123; LG M\u00fcnchen RRa 1997, 36). Diesen vermag der Senat hier angesichts der beanstandungsfreien Proben nicht zu ziehen. Soweit die Kl\u00e4gerin in der Berufungsbegr\u00fcndung darauf abstellt, dass es sich um tiefgefrorene R\u00fcckstellproben handelt, erweist es sich nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. zwar als zutreffend, dass bei einer K\u00fchlung ein Absterben der Salmonellen einsetzt. Daraus kann aber nicht umgekehrt gefolgert werden, dass die Proben zuvor verseucht gewesen sein m\u00fcssen. Soweit sich die Kl\u00e4gerin im \u00dcbrigen auf die Bekundungen des Dr. L… (Beiakte Bd. I Bl. 33 und 34) beruft, kann daraus kein R\u00fcckschluss f\u00fcr die Verwendung der T\u00fclle am 9. Juni 1999 gezogen werden. Anspr\u00fcche gem\u00e4\u00df \u00a7 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit \u00a7 8 des Lebens- und Bedarfsgegenst\u00e4ndeG (LMG) scheiden ebenfalls aus. Es kann dahinstehen, ob die Betreiberin des Heimes als Anspruchsberechtigte in Betracht kommt (vgl. OLG Hamm NJW 1974, 2091). Die entsprechenden Voraussetzungen, dass der Beklagte n\u00e4mlich salmonellenbehaftete Eclairs angeliefert und dadurch die Heimbewohner und ihre Angeh\u00f6rigen gesundheitlich gesch\u00e4digt wurden, liegen nicht vor. Soweit sich die Kl\u00e4gerin insoweit auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1992, 1039 ff. beruft, verf\u00e4ngt dies nicht. In dem dortigen Fall erkrankten bei einem Essen in einer vom Bekl. zu 2. betriebenen Gastst\u00e4tte Hochzeitsg\u00e4ste an einer Salmonellenvergiftung. Eine Untersuchung ergab, dass sich Keime von Salmonella Enteritidis in dem als Nachtisch gereichten Pudding, der Puddingcreme sowie dem Vanilleeis befanden und die Bekl. und ihre Tochter Salmonellenausscheider waren. Pudding und Puddingcreme waren am Vorabend von der Bekl. zu 1. und ihrer Tochter hergestellt worden. Der Bundesgerichtshof f\u00fchrte aus: \u201e(…) Der Zweitbeklagte hat als Inhaber der Gastst\u00e4tte daran mitgewirkt, dass die Kl. durch die Verabreichung salmonellenbefallener Speisen an ihrer Gesundheit besch\u00e4digt worden sind. F\u00fcr ihn kommt daher (…) eine Schadensersatzpflicht nach \u00a7\u00a7 823 Abs. 1, 847 BGB in Betracht. Voraussetzung f\u00fcr eine Haftung des Zweitbeklagten ist (…) allerdings, dass ihn ein Verschulden trifft. Abweichend davon hat der BGH jedoch im Bereich der Produzentenhaftung den Grundsatz entwickelt, dass der Hersteller eines bei der Inverkehrgabe fehlerhaften Produktes im Wege der Beweislastumkehr darzulegen und zu beweisen hat, dass ihn in Bezug auf die Fehlerhaftigkeit des Produktes, die zu dem Schaden beim Verbraucher gef\u00fchrt hat, kein Verschulden trifft. (…) Mit der Umkehr der Beweislast im Bereich der Produzentenhaftung hat er der Beweisnot Rechnung getragen, in der sich der Gesch\u00e4digte gegen\u00fcber dem Produkthersteller in der Regel befindet. Der Senat hat die Beweislastumkehr damit begr\u00fcndet, dass der Produzent \u201en\u00e4her dran\u201c sei, den Sachverhalt aufzukl\u00e4ren und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, da er die Produktionssph\u00e4re \u00fcberblicken und den Herstellungsprozess sowie die Auslieferungskontrolle organisiere. Liegt daher die Ursache der Unaufkl\u00e4rbarkeit im Bereich des Produzenten, erscheint es nach dieser Rechtsprechung sachgerecht und zumutbar, dass ihn das Risiko der Nichterweislichkeit der Schuldlosigkeit trifft. (…)\u201c Der Grundgedanke gelte ganz allgemein, gleichg\u00fcltig, ob es sich um einen Gro\u00df- oder Kleinbetrieb, um industrielle Fabrikation oder handwerkliche Herstellung handelt. Deshalb hat der Bundesgerichtshof die Grunds\u00e4tze der Beweislastumkehr auch f\u00fcr einen Gastst\u00e4ttenbetreiber f\u00fcr anwendbar erachtet. Darauf kann sich die Kl\u00e4gerin hier aus zwei Gr\u00fcnden nicht berufen. Hier geht es um den Ausgleich zwischen zwei m\u00f6glichen Sch\u00e4digern. Die dargelegten Grunds\u00e4tze sind aber gerade im Verh\u00e4ltnis \u201eGast \u2013 Hersteller\u201c (also Gesch\u00e4digter – Sch\u00e4diger) entwickelt worden. Auch tr\u00e4gt der Gedanke, dass der Hersteller n\u00e4her daran sei, den Sachverhalt aufzukl\u00e4ren, nicht, wenn jedenfalls zwei m\u00f6gliche Infektionsquellen, n\u00e4mlich einmal die Nahrungszubereitung im Heim und andererseits die angelieferten Speisen in Betracht kommen. Dessen ungeachtet bezieht sich die Beweislastumkehr nur auf die Frage des Verschuldens. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung zur Produzentenhaftung (NJW 1996, 271, 274) ausdr\u00fccklich darauf hingewiesen, dass ein Gesch\u00e4digter nachzuweisen hat, dass ein Fehler des Produkts den Schaden verursacht hat. Dieser Nachweis ist, wie bereits ausgef\u00fchrt, nicht gelungen. Es kann dahinstehen, ob Anspr\u00fcche nach dem Produkthaftungsgesetz vorliegend in Betracht kommen k\u00f6nnen. Sie scheiden hier nach vorstehendem aus, weil eine Schadensverursachung durch ein Produkt des Beklagten nicht nachgewiesen ist.<\/p>\n
B. Soweit die Betreiberin der Heime Anspr\u00fcche wegen des Ausfalls von Mitarbeitern abgetreten hat (\u00a7 398 ff. BGB), scheidet eine Haftung des Beklagten ebenfalls aus. Es kann dahinstehen, ob insoweit ein vertraglicher Anspruch oder ein Anspruch nach \u00a7 845 BGB in Betracht kommt. Die Geltendmachung etwaiger Anspr\u00fcche scheitert aus vorstehenden Gr\u00fcnden.<\/p>\n
C. Es scheiden nach obigen Erw\u00e4gungen auch Anspr\u00fcche auf Feststellung der Schadensersatzpflicht aus.<\/p>\n
D. Der Senat weist schlie\u00dflich darauf, dass der Rechtsstreit nicht an das Landgericht zur\u00fcckzuverweisen war. Selbst wenn man eine Verpflichtung des Landgerichts bejahte, darauf hinzuweisen, dass sich seine Rechtsauffassung zur Beweislastverteilung ge\u00e4ndert habe, liegen die Voraussetzungen nach \u00a7 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vor. Aus den vorstehenden Ausf\u00fchrungen ergibt sich, dass keine weitere Beweisaufnahme erforderlich ist. Soweit die Kl\u00e4gerin im \u00dcbrigen behauptet, dass ihr weiterer Vortrag m\u00f6glich sei, h\u00e4tte es ihr oblegen, entsprechende neue Angriffsmittel darzutun (\u00a7\u00a7 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO, 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Daran fehlt es. Soweit sie sich auf weitere Zeugen berufen hat, ist bereits ausgef\u00fchrt worden, dass es darauf nicht ankommt.<\/p>\n
E. Die Entscheidung \u00fcber die Kosten folgt aus \u00a7 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung \u00fcber die vorl\u00e4ufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus \u00a7\u00a7 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Entscheidung \u00fcber die Nichtzulassung der Revision beruht auf \u00a7 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat angesichts des hier vorliegenden Einzelfalles keine grunds\u00e4tzliche Bedeutung, \u00a7 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Desweiteren erfordert sie keine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, \u00a7 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Senat hat bereits ausgef\u00fchrt, dass nach seiner Auffassung eine andere Sachlage vorliegt als in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
KG Berlin 25. Zivilsenat, 24.09.2004, 25 U 201\/03 Medizinrecht Normen: \u00a7 276aF BGB, \u00a7 433 BGB, \u00a7 651 BGB, \u00a7 823 Abs 1 BGB, \u00a7 823 Abs 2 BGB, \u00a7 8 LMG Haftung des Backwarenlieferanten f\u00fcr ein Altenheim: Anscheinsbeweis und Indizienw\u00fcrdigung bei Salmonellenvergiftung von Heimbewohnern, deren Angeh\u00f6rigen und Heimmitarbeitern. Leitsatz Gegen die f\u00fcr den Anscheinsbeweis […]<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":127,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"class_list":["post-699","page","type-page","status-publish","hentry"],"acf":[],"yoast_head":"\n