{"id":695,"date":"2005-04-07T09:38:36","date_gmt":"2005-04-07T07:38:36","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=695"},"modified":"2019-11-28T17:07:11","modified_gmt":"2019-11-28T16:07:11","slug":"schleswig-holsteinisches-oberlandesgericht-11-zivilsenat-07-04-2005-11-u-13298","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsprechung\/urteile-medizinrecht\/schleswig-holsteinisches-oberlandesgericht-11-zivilsenat-07-04-2005-11-u-13298\/","title":{"rendered":"Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 11. Zivilsenat, 07.04.2005, 11 U 132\/98"},"content":{"rendered":"
Normen: \u00a7 823 Abs 1 BGB, \u00a7 286 ZPO<\/p>\n
Produkthaftung: Anscheinsbeweis f\u00fcr die Verursachung einer Krebserkrankung durch einen bestimmten Risikofaktor.<\/p>\n
Zwar ist auch bei der Produkthaftung ein Anscheinsbeweis m\u00f6glich. Bei Krebserkrankungen ist aber wegen der Vielzahl der Risikofaktoren ein derartiger Anscheinsbeweis nicht m\u00f6glich, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehlt, denn allein das Bestehen eines Risikofaktors (hier: Kontakt mit K\u00fchlschmiermittel) l\u00e4sst nicht auf den sp\u00e4teren Eintritt einer Krebserkrankung schlie\u00dfen, die auf einer bestimmten Ursache beruht (Rn.64).<\/p>\n
Fundstellen: ZfSch 2006, 442-445 (red. Leitsatz und Gr\u00fcnde) Verfahrensgang vorgehend LG Itzehoe, 19. M\u00e4rz 1998, Az: 6 O 391\/96, Urteil nachgehend BGH, 7. Februar 2006, Az: VI ZR 86\/05, Nichtzulassungsbeschwerde zur\u00fcckgewiesen.<\/p>\n
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. M\u00e4rz 1998 verk\u00fcndete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe ge\u00e4ndert.<\/p>\n
Die Klage wird abgewiesen.<\/p>\n
Die Kl\u00e4ger haben die Kosten beider Rechtsz\u00fcge zu tragen.<\/p>\n
Das Urteil ist vorl\u00e4ufig vollstreckbar. Den Kl\u00e4gern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in H\u00f6he von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher H\u00f6he Sicherheit leistet.<\/p>\n
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 126.743,74 Euro (= 247.889,82 DM) festgesetzt.<\/p>\n
Die Kl\u00e4ger sind die Ehefrau und die Kinder des am 7. M\u00e4rz 1959 geborenen und am 20. Dezember 1993 verstorbenen Manfred D.. Sie werfen der Beklagten als Herstellerin des K\u00fchlschleifmittels x. vor, dass dieses am Arbeitsplatz des Erblassers benutzte K\u00fchlschleifmittel krebserregende Substanzen enthalten und dadurch den Tod des Erblassers aufgrund eines Dickdarmkarzinoms verursacht habe. Der Erblasser erlernte vom 1. September 1974 bis 23. Juli 1977 bei der Fa. K. und B. in T. den Beruf eines Maschinenschlossers. Nach Abschluss der Lehre war er bei der Fa. K. und B. vom 25. Juli 1977 bis 31. M\u00e4rz 1979 als Dreher besch\u00e4ftigt. Diese T\u00e4tigkeit wurde durch die Wehrpflicht des Erblassers in der Zeit vom 2. April 1979 bis 30. Juni 1980 unterbrochen. Im Anschluss daran war er vom 1. Juli 1980 bis 31. Oktober 1985 im Baustoffhandel seines Bruders als Kraftfahrer t\u00e4tig. Daran schloss sich ab 4. November 1985 bis zur Erkrankung im September 1993 eine erneute Besch\u00e4ftigung bei der Fa. K. und B. an. Hier wurde er vom 4. November 1985 bis 31. Januar 1987 als Dreher eingesetzt. Ab 1. Februar 1987 bis zu seiner Erkrankung war er als Schleifer an der Fortuna-Rundschleifmaschine t\u00e4tig. An der Fortuna-Rundschleifmaschine wurde in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1987 der von der Beklagten hergestellte K\u00fchlschmierstoff x. verwendet. Dieser enthielt nach dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils u.a. 18 % Natriumnitrit und 20 % Triethanolamin. Nach Auffassung der Kl\u00e4ger f\u00fchren die in diesem K\u00fchlschmierstoff enthaltenen Nitrite und Amine zur Nitrosaminbildung, die f\u00fcr den menschlichen K\u00f6rper krebserzeugend sei. Die gef\u00e4hrlichen Stoffe des K\u00fchlschmierstoffs x. habe der Erblasser \u00fcber Haut und Atmung aufgenommen. Die Arbeitgeberin des Erblassers lie\u00df 1987 die NDELA-Belastung von Arbeitnehmern, u.a. auch des Erblassers, messen. Sie entschloss sich, ab 1988 K\u00fchlschmierstoffe ohne Nitrite und Amine einzusetzen. Ab Beginn des Jahres 1988 bis Mitte 1990 wurden Cimcool 5 Star 45 A und danach Cimplus D 14 A verwendet. Der Erblasser erhielt im Fr\u00fchjahr 1991 von seinem Vater einen kleinen Weinberg mit einer Fl\u00e4che von 0,91 ha. Den Weinberg bewirtschaftete er als Nebenerwerbswinzer, wobei eine j\u00e4hrliche Arbeitsleistung von ca. acht Stunden anfiel. Bei der Bewirtschaftung des Weinbergs kamen Insektizide und Fungizide zum Einsatz. \u00dcber die beim Verspr\u00fchen dieser Mittel angewandten Schutzma\u00dfnahmen sind die Parteien unterschiedlicher Auffassung. Am 7. September 1993 suchte der Erblasser seinen Hausarzt wegen akuter Bauchbeschwerden auf. Dieser \u00fcberwies ihn an das Krankenhaus L., wo er vom 20. bis 26. Oktober 1993 untersucht wurde. Zur weiteren Abkl\u00e4rung wurde er in die chirurgische Universit\u00e4tsklinik in W. verlegt und dort station\u00e4r vom 27. Oktober bis 22. November 1993 behandelt. Dort wurde am 4. November 1993 ein Eingriff vorgenommen, der zur Diagnose eines fortgeschrittenen, nicht mehr sinnvoll operablen Dickdarmkarzinoms mit Metastasenbildung f\u00fchrte. Bei dem Eingriff wurde eine k\u00fcnstliche Verbindung zwischen dem unteren Teil des D\u00fcnndarms und dem querliegenden Dickdarm hergestellt und ein k\u00fcnstlicher After angelegt. In der Zeit vom 22. bis 26. November 1993 wurde der Erblasser wiederum im Krankenhaus L. station\u00e4r behandelt. Die Behandlung bestand in einer palliativen Chemotherapie. Anschlie\u00dfend wurde er in der Klinik f\u00fcr Tumorbiologie Freiburg weiterbehandelt. Dort verstarb er am 20. Dezember 1993 aufgrund einer Insuffizienz bei eitriger Bronchopneumonie und diffuser Lungenmetastasen als Folgen des Dickdarmkarzinoms. Die Kl\u00e4ger nehmen die Beklagte auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens, der Beerdigungskosten und eines dem Erblasser zustehenden Schmerzensgelds nebst krankheitsbedingtem Verdienstausfall in Anspruch. Des weiteren begehren sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund der Verursachung des Dickdarmkarzinoms des Erblassers durch das K\u00fchlschmiermittel x.. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, allerdings den Unterhaltsschaden gek\u00fcrzt. Es war nach Durchf\u00fchrung einer Beweisaufnahme zur \u00dcberzeugung gelangt, dass die Krebserkrankung des Erblassers vom K\u00fchlschmierstoff x. verursacht worden sei und die Beklagte hierf\u00fcr wegen Verletzung ihrer Produktbeobachtungs- und Warnpflicht hafte. Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Antr\u00e4ge wird auf das von der Beklagten angefochtene Urteil des Landgerichts verwiesen. Die Beklagte ist der Auffassung: Die chemische Zusammensetzung von x. f\u00f6rdere nicht die Krebsbildung, denn f\u00fcr krebsverd\u00e4chtige Nitrosamine sei ein sekund\u00e4res Amin erforderlich, w\u00e4hrend x. ein terti\u00e4res Amin enthalte. Entsprechendes ergebe auch die Stellungnahme des Dr. T. in der Beiakte. Auch das Bundesministerium f\u00fcr Arbeit und Sozialordnung habe im untergesetzlichen Regelwerk TRGS 611 noch 1996 die Verwendung der terti\u00e4ren Amine in K\u00fchlschmierstoffen zugelassen und lediglich eine m\u00f6glichst hohe Reinheit des Produkts gefordert. Der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der Beklagten habe darauf hingewiesen, dass x. reines Triethanolamin enthalte. Diesen Hinweis habe der sachverst\u00e4ndige Zeuge Dr. S. mit unzureichenden Gr\u00fcnden abgetan. Die Ausf\u00fchrungen des Dr. S. enthielten keine sachliche Grundlage daf\u00fcr, dass es auch bei der Verwendung von reinem Triethanolamin zur gef\u00e4hrlichen NDELA-Bildung komme. Auch sei v\u00f6llig unbewiesen, dass es zu Verunreinigungen des K\u00fchlschmierstoffs, wodurch die NDELA-Bildung h\u00e4tte erm\u00f6glicht werden k\u00f6nnen, gekommen sei. Ein derartiger Zusammenhang sei ebenso offen wie die Feststellung des Landgerichts, dass bereits das Vorhandensein von Nitrit im K\u00fchlschmiermittel zur NDELA-Bildung gen\u00fcge. Eine m\u00f6gliche Gef\u00e4hrdung des menschlichen K\u00f6rpers durch Nitrite, denen er allt\u00e4glich ausgesetzt sei, sei wissenschaftlich nicht gesichert. Ebenso wenig sei die karzinogene Wirkung von Nitrosaminen wissenschaftlich gesichert. Deshalb habe die S\u00fcddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft Entsch\u00e4digungsanspr\u00fcche der Kl\u00e4ger zur\u00fcckgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Berufsgenossenschaft habe sich ausf\u00fchrlich mit dem Meinungsstand befasst. Weitere Einzelheiten k\u00f6nnten den Akten \u00fcber das beim Sozialgericht W\u00fcrzburg gef\u00fchrte Verfahren entnommen werden. Dort sei die Klage der Kl\u00e4ger nach Einholung eines Gutachtens abgewiesen worden. Die Berufsgenossenschaft habe keinen Kausalzusammenhang zwischen der Verwendung von x. und dem Krebstod des Erblassers feststellen k\u00f6nnen. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Erblasser \u00fcberhaupt mit x. gearbeitet habe. Dies habe weder die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben noch k\u00f6nne dies mit Sicherheit den Unterlagen des verstorbenen Betriebsleiters Z. entnommen werden. Nach der Aussage des Zeugen J. k\u00f6nne nicht ausgeschlossen werden, dass der Erblasser im fraglichen Zeitraum Restbest\u00e4nde anderer K\u00fchlschmiermittel verbraucht habe, deren Herkunft und Zusammensetzung nicht bekannt sei. Die Messungen und Aufzeichnungen des Betriebsleiters Z. k\u00f6nnten keine verl\u00e4ssliche Grundlage f\u00fcr ein Gutachten sein. Soweit Dr. S. mit dem verstorbenen Betriebsleiter Z. zusammengearbeitet habe, seien hier\u00fcber keine Einzelheiten bekannt. Dies gelte auch f\u00fcr die wissenschaftliche Qualifikation und das Thema der Dissertation des Betriebsleiters Z.. M\u00f6glicherweise sei Z. von Dr. S. in eine einseitige Richtung bei der Untersuchung von x. beeinflusst worden. Eine aus dem Jahre 1987 stammende Analyse, wonach x. stark Diethanolnitrosamin-kontaminiert gewesen sei, sei der Beklagten unbekannt. Ein weiterer Zweifel an der Urs\u00e4chlichkeit von x. f\u00fcr den Dickdarmkrebs des Erblassers ergebe sich daraus, dass es wissenschaftlich nicht gesichert sei, dass der Dickdarm ein Zielorgan f\u00fcr die Tumorbildung bei l\u00e4ngerer K\u00fchlschmierstoff-Exposition sei. Naheliegender w\u00e4re ein Tumorbefall im Bereich der Atemwege, der Lunge oder der Haut. Es bleibe bestritten, dass es im Bereich der Rundschleifmaschine \u00fcberhaupt zu einer nennenswerten Vernebelung des K\u00fchlschmiermittels gekommen sei. Derartiges habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Derartiges geh\u00f6re auch nicht zum Fachwissen eines Richters. Das Landgericht habe weitere m\u00f6gliche Ursachen der Krebserkrankung vernachl\u00e4ssigt. Hierzu geh\u00f6re die Schadstoffbelastung des Erblassers als Berufskraftfahrer, insbesondere die Belastung durch in einem Ofen in der Werkstatt verheiztes Alt\u00f6l. Au\u00dferdem habe der Verstorbene seit seiner Jugend in nicht unerheblichem Umfang als Nebenerwerbswinzer gearbeitet. Hierbei sei er durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erheblich belastet worden, weil der Einsatz von Maschinen mit Kabinen aufgrund der Hanglage des Weinbergs nicht m\u00f6glich gewesen sei. Sicherlich habe der Verstorbene auch keinen Schutzanzug getragen. Die Kl\u00e4ger treffe die Beweislast f\u00fcr das Vorliegen eines Produktfehlers und f\u00fcr die Urs\u00e4chlichkeit zwischen Produktfehler und Krebserkrankung des Manfred D.. Anhaltspunkte f\u00fcr Beweiserleichterungen seien nicht vorhanden. Die Ursache f\u00fcr die Krebserkrankung m\u00fcsse als ungekl\u00e4rt angesehen werden. Die Beklagte treffe keinerlei Verschulden. Im Jahre 1987 habe der wissenschaftliche Kenntnisstand nicht ergeben, dass eine Verbindung von Nitrit und Triethanolamin zur Bildung von NDELA f\u00fchren k\u00f6nne. Gegenstand der damaligen wissenschaftlichen Diskussion sei lediglich die krebserzeugende Wirkung von Nitrit in Verbindung mit Diethanolamin gewesen. Die H\u00f6he des zuerkannten Unterhaltsschadens sei nicht nachvollziehbar. Von den Beerdigungskosten m\u00fcsse der Zuschuss der Betriebskrankenkasse in H\u00f6he von 2.100 DM abgezogen werden. Das Schmerzensgeld von 150.000 DM sei \u00fcberh\u00f6ht und auch nicht hinreichend begr\u00fcndet worden. Die Krankenhausbehandlung habe lediglich zwei Monate gedauert. Die seelische Belastung k\u00f6nne nicht stark gewesen sein, weil der Verstorbene auf Wunsch der Ehefrau nicht vollst\u00e4ndig \u00fcber seinen Gesundheitszustand aufgekl\u00e4rt worden sei. Im Fall einer Haftung sei ein Schmerzensgeld von allenfalls 20.000 bis 30.000 DM angemessen. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu \u00e4ndern und die Klage abzuweisen. Die Kl\u00e4ger beantragen, die Berufung zur\u00fcckzuweisen. Die Kl\u00e4ger erwidern: Das von der Beklagten hergestellte Produkt sei in erheblichem Umfang miturs\u00e4chlich f\u00fcr die t\u00f6dliche Krebserkrankung des Erblassers gewesen. Die Gef\u00e4hrlichkeit des Produkts h\u00e4tte die Beklagte durch entsprechende chemische Untersuchungen feststellen k\u00f6nnen und daraufhin ihr Produkt vom Markt nehmen m\u00fcssen. Die Beweisaufnahme des Landgerichts habe ergeben, dass der Erblasser mit NDELA kontaminiert und dies auf x. zur\u00fcckzuf\u00fchren gewesen sei. Dies sei bereits den 1987 und 1988 von Dr. S. und dem damaligen Betriebsleiter angestellten Untersuchungen zu entnehmen, insbesondere den Urinproben vom 27. Oktober und 21. Dezember 1987. Beim Erblasser sei eine der h\u00f6chsten NDELA-Belastungen, die beim Einsatz von K\u00fchlschmiermitteln gemessen worden seien, festgestellt worden. Auch die \u00fcbrigen Arbeiter der Werkhalle h\u00e4tten erh\u00f6hte NDELA-Kontaminationen aufgewiesen, deren St\u00e4rke proportional mit der Entfernung des Arbeitsplatzes von der Rundschleifmaschine abgenommen habe. Der h\u00f6chste Wert habe sich bei dem Erblasser ergeben, weil er an der Rundschleifmaschine t\u00e4tig gewesen sei. Ab Januar 1988 seien Nitrit- und PCB-freie K\u00fchlschmiermittel verwendet worden. Danach seien die Messungen der NDELA-Kontamination der Arbeiter aufgrund der durchgef\u00fchrten Urinproben bis Null gesunken. Allein daraus ergebe sich die NDELA-Vergiftung aufgrund des an der Rundschleifmaschine verwendeten K\u00fchlschmiermittels der Beklagten. Der verstorbene Herr Z. habe lediglich die Entnahme von Urinproben veranlasst und an das Deutsche Krebsforschungszentrum \u00fcbersandt. Dort seien sie von Dr. S. im Rahmen seiner wissenschaftlichen T\u00e4tigkeit korrekt untersucht und ausgewertet worden. Die hohe NDELA-Kontamination k\u00f6nne ohne weiteres auf den an der Rundschleifmaschine Fortuna verwendeten K\u00fchlschmierstoff zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Dass es sich bei dem im Untersuchungszeitraum 1987 verwendeten K\u00fchlschmierstoff um x. gehandelt habe, stehe nach der Beweisaufnahme fest. Der fr\u00fchere Betriebsleiter Z. habe dies in seinen Unterlagen festgehalten. Anhaltspunkte daf\u00fcr, dass es hierbei zu Unrichtigkeiten gekommen sei, seien nicht vorhanden. Wegen der aufgekommenen Diskussion \u00fcber Gesundheitsgefahren bei der Verwendung von K\u00fchlschmiermitteln seien die Aufzeichnungen bereits aus arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten angefertigt worden. Auch der Zeuge J. habe best\u00e4tigt, dass x. an der Rundschleifmaschine bis Ende Dezember 1987 eingesetzt worden sei und er x. regelm\u00e4\u00dfig eingekauft habe. Zumindest ab August 1987 sei ausschlie\u00dflich x. verwendet worden. Eine etwaige Resteverwertung habe vor August 1987 stattgefunden, wenn dies \u00fcberhaupt geschehen sei. Die Behauptung der Beklagten, wonach es zu einer NDELA-Kontamination nur bei sekund\u00e4ren Aminen komme, bleibe streitig. Allein der Nitritgehalt des K\u00fchlschmierstoffs der Beklagten k\u00f6nne zur NDELA-Bildung f\u00fchren. Dies habe der sachverst\u00e4ndige Zeuge Dr. S. im Einzelnen \u00fcberzeugend dargestellt. x. sei wegen des hohen Nitrit-Anteils gesundheitsgef\u00e4hrlich. Der NDELA-Gehalt von x. sei im Rahmen der Untersuchungen im Jahr 1987 nachgewiesen worden. Auch das Gutachten des Prof. P. ergebe die Gef\u00e4hrlichkeit sowohl von Di- als auch Triethanolamin in K\u00fchlschmiermitteln. Die Beklagte habe durch Schreiben vom 5. Mai 1987 an Herrn Z. auch eine nitritfreie Alternative angeboten und somit die Gef\u00e4hrlichkeit ihres Produkts gekannt. Die Angaben der Beklagten \u00fcber die Zusammensetzung ihres K\u00fchlschmierstoffes seien streitig. Hochreines Triethanolamin k\u00f6nne wegen der hohen Herstellungskosten nicht verwendet worden sein. Die Beweislast f\u00fcr die Behauptung, hochreines Triethanolamin verwendet zu haben, treffe die Beklagte aufgrund der Notwendigkeit der Befundsicherung. Des weiteren habe der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der Beklagten einger\u00e4umt, x. nicht auf den Nitrosamingehalt untersucht zu haben. Wegen der bereits Mitte der 80er Jahre aufgekommenen Diskussion \u00fcber die Gef\u00e4hrlichkeit von K\u00fchlschmierstoffen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihr Produkt im Labor und in der praktischen Anwendung auf den NDELA-Gehalt \u00fcberpr\u00fcfen zu lassen und die Befunde zu sichern. Aufgrund medizinischer Untersuchungen sei anerkannt, dass Nitrosamine mit einer hohen Wahrscheinlichkeit krebserzeugend seien. Dies zeige auch ein Gutachten von Prof. R., das auch auf erh\u00f6hte Zahlen von Krebserkrankungen bei in der Metallbearbeitung t\u00e4tigen Schleifern, die mit wasserl\u00f6slichen K\u00fchlschleifmitteln in Ber\u00fchrung gekommen seien, eingehe. Hierbei sei ein erh\u00f6htes Vorkommen von b\u00f6sartigen Tumoren im Verdauungstrakt und insbesondere auch im Dickdarmbereich festgestellt worden. Die Bildung von Karzinomen im Dickdarmbereich aufgrund von Nitrosaminen sei beim Menschen wissenschaftlich anerkannt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Erblasser mit x. durch Hautkontakt und Inhalation in Ber\u00fchrung gekommen sei. Dies k\u00f6nne den Aussagen der Zeugen J. und St. entnommen werden. Andere Ursachen f\u00fcr die Krebserkrankung des Erblassers m\u00fcssten au\u00dfer Betracht bleiben. Insoweit sei das Landgericht zutreffend von einer Beweislastumkehr ausgegangen. Die Beklagte habe x. ohne vorherige Kontrolle auf NDELA in Verkehr gebracht. Auf jeden Fall habe sie ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt. Mit der Krebserkrankung des Erblassers habe sich die Gefahr verwirklicht, die die Beklagte h\u00e4tte verh\u00fcten m\u00fcssen. Deshalb m\u00fcsse sie beweisen, dass die Krebserkrankung nicht von ihrem Produkt verursacht worden sei. W\u00e4hrend der T\u00e4tigkeit als Kraftfahrer sei der Erblasser nur in geringem Umfang einer Belastung durch das Verheizen von Alt\u00f6l, wenn dies tats\u00e4chlich geschehen sein sollte, ausgesetzt gewesen. Auch die Belastung mit Sch\u00e4dlingsbek\u00e4mpfungsmitteln w\u00e4hrend der T\u00e4tigkeit als Nebenerwerbswinzer sei allenfalls gering gewesen. Im Weinberg habe ein Schlepper mit Anbauger\u00e4ten benutzt werden k\u00f6nnen. Die Spritzmittel h\u00e4tten weder PCB noch Nitrosamine enthalten. PCB k\u00f6nne Krebs nicht verursachen, sondern lediglich beschleunigen. Der Verschuldensvorwurf sei begr\u00fcndet, weil die Beklagte einger\u00e4umt habe, dass ein Verdacht auf krebserzeugende Wirkung aufgrund des Nitritgehalts bestanden habe. Dennoch habe die Beklagte die erforderlichen Untersuchungen und Warnungen unterlassen. Die einzelnen Schadenspositionen k\u00f6nnten aufgrund der Aufstellung in der Klageschrift nachvollzogen werden. Erforderlichenfalls m\u00fcssten die in der Berufungserwiderung enthaltenen zus\u00e4tzlichen Hinweise beachtet werden. Auch die H\u00f6he des Schmerzensgeldes sei nicht zu beanstanden. Es m\u00fcsse davon ausgegangen werden, dass der Erblasser gewusst habe, wie es um ihn gestanden habe. Der Tod des Erblassers sei durch grobe Fahrl\u00e4ssigkeit der Beklagten verursacht worden. Erg\u00e4nzend wird wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schrifts\u00e4tze Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben. Auf die Beweisbeschl\u00fcsse vom 29.02.2000 (Bl. 328 d.A.), 10.10.2000 (Bl. 376 – 378 d.A.), 30.09.2003 (Bl. 484 d.A.) und 10.05.2004 (Bl. 503 d.A.) wird Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 29.02.2000 (Bl. 327 – 335 d.A.) und 01.03.2005 (Bl. 532 – 537 d.A.) sowie auf die Gutachten des Sachverst\u00e4ndigen Dr. S. vom 12.04.2001 (Bl. 402 – 414 d.A.) und vom 25.02.2005 (Bl. 531 b – 531 i d.A.) sowie des Sachverst\u00e4ndigen Prof. B. vom 04.10.2004 (Bd. 2 hintere Dehntasche) verwiesen.<\/p>\n
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Beweisaufnahme hat nicht mit hinreichender Sicherheit ergeben, dass die Darmkrebserkrankung des Erblassers durch das K\u00fchlschleifmittel x. verursacht wurde.<\/p>\n
Grundvoraussetzung f\u00fcr die einzelnen Anspr\u00fcche der Kl\u00e4ger ist eine Haftung der Beklagten gem\u00e4\u00df \u00a7 823 Abs. 1 BGB, die eintreten w\u00fcrde, wenn die Beklagte als Hersteller des K\u00fchlschmierstoffs x. vorwerfbar ein krebserregendes Produkt in den Verkehr gebracht und dadurch den beim Erblasser aufgetretenen Dickdarmkrebs verursacht h\u00e4tte. Ist dies der Fall, k\u00f6nnen die Kl\u00e4ger von der Beklagten aus eigenem Recht gem\u00e4\u00df \u00a7 844 Abs. 2 BGB die Zahlung einer Geldrente und gem\u00e4\u00df \u00a7 844 Abs. 1 BGB die Erstattung der Beerdigungskosten verlange. Als Erben k\u00f6nnten sie dar\u00fcber hinaus im Fall einer Haftung der Beklagten gem\u00e4\u00df \u00a7\u00a7 847 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB die Zahlung des dem Erblasser zustehenden Schmerzensgeld und gem\u00e4\u00df \u00a7\u00a7 843 Abs. 1, 252, 1922 Abs. 1 BGB die Zahlung der Differenz zwischen dem Arbeitseinkommen und dem Krankengeld bis zum Tod des Erblassers verlangen.<\/p>\n
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte zumindest ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt hat, weil sie noch 1987 x. mit m\u00f6glicherweise krebsf\u00f6rdernden Substanzen vertrieb, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Ver\u00f6ffentlichung entsprechender Untersuchungen das Risiko der Krebsbildung aufgrund von Nitrosaminen zumindest in Fachkreisen bekannt war oder h\u00e4tte bekannt sein m\u00fcssen. Im Rahmen des Zumutbaren hat der Hersteller alle Gefahren abzuwenden, die sich bei der Benutzung seines Produkts ergeben und von denen er im Rahmen der Produktbeobachtung Kenntnis erh\u00e4lt. Ein Hersteller muss einen Produktmangel unabh\u00e4ngig davon abstellen, ob Konkurrenten ihre Produkte schon umgestellt haben. Dar\u00fcber hinaus darf er nicht die \u00c4nderung von DIN-Normen oder Unfallverh\u00fctungsvorschriften abwarten, weil derartige Normen oder Vorschriften h\u00e4ufig die technische Entwicklung erst mit einer Verz\u00f6gerung nachvollziehen. Bei medizinischen Risiken muss ein Hersteller laufend die Entwicklung der Technik auf seinem Arbeitsbereich weiter verfolgen (BGH NJW 1990, 906, 907 f.; 1994, 3349, 3350). Der Sachverst\u00e4ndige Dr. S. hat bei seiner Anh\u00f6rung durch das Landgericht bekundet, es habe seit 1976 Untersuchungen und Ver\u00f6ffentlichungen \u00fcber das Vorkommen von NDELA in K\u00fchlschmiermitteln gegeben. US-Hersteller h\u00e4tten seit 1985 keine nitrithaltigen K\u00fchlschmierstoffe mehr hergestellt. x. sei eindeutig als stark Diethanolnitrosamin-kontaminiert erkannt worden. Diese Analyse sei 1987 angestellt worden. Der Sachverst\u00e4ndige Dr. S. hat seine vor dem Landgericht gemachten Bekundungen im Rahmen der Anh\u00f6rung durch den Senat best\u00e4tigt. Im Rahmen der Anh\u00f6rung vom 29.02.2000 hat er ausgesagt, er habe eine eigene Analyse von x. vorgenommen, weil ihm die Produktspezifikation nicht offengelegt worden sei. Aufgrund eigener Messungen stehe unzweifelhaft fest, dass in dem Produkt x. in erheblichem Umfang NDELA vorhanden sei. Bei einem Konzentrat habe er nach Untersuchungen seines Labors 0,95 % NDELA festgestellt. Bei der Nitrosierung sei im Allgemeinen ein sekund\u00e4res Amin im Zusammenhang mit einem Nitrit erforderlich. Es sei auch schon Anfang bis Mitte der 80er Jahre Wissensstand gewesen, dass sich Nitrosamine auch bei Verwendung eines terti\u00e4ren Amins bilden k\u00f6nnten. In diesen F\u00e4llen sei die Ausbeute nur schlechter. Der Sachverst\u00e4ndige Dr. S. hat die zitierten Ausf\u00fchrungen auch in seinem wissenschaftlich-toxikologischen Gutachten vom 12.04.2001 wiederholt. Aufgrund dieser gutachterlichen Ausf\u00fchrungen und der Anh\u00f6rung des Sachverst\u00e4ndigen Dr. S. ist der Senat davon \u00fcberzeugt, dass x. krebserzeugende Amine enthielt und die Beklagte aufgrund von einschl\u00e4gigen Ver\u00f6ffentlichungen noch vor 1987 dies h\u00e4tte erkennen k\u00f6nnen und m\u00fcssen. Die gegenteiligen Ausf\u00fchrungen des Privatsachverst\u00e4ndigen H. lassen keine Zweifel an dem vom Sachverst\u00e4ndigen Dr. S. gewonnenen Untersuchungsergebnis aufkommen, denn ein Privatsachverst\u00e4ndigengutachten stellt im Regelfall nur einen substantiierten Parteivortrag dar. Soweit einem Privatsachverst\u00e4ndigengutachten im Einzelfall auch Beweiswert zukommen kann, reicht die vom Privatsachverst\u00e4ndigen H. an den Feststellungen des Sachverst\u00e4ndigen Dr. S. ge\u00fcbte Kritik nicht aus, um Zweifel an den Untersuchungsmethoden und dem gewonnenen Ergebnis des Sachverst\u00e4ndigen Dr. S. hervorzurufen. Aufgrund seiner unabh\u00e4ngigen T\u00e4tigkeit als gerichtlicher Sachverst\u00e4ndiger und seiner langj\u00e4hrigen einschl\u00e4gigen Befassung mit der toxischen, krebsf\u00f6rdernden Wirkung einzelner Bestandteile von K\u00fchlschmierstoffen ist seinen gutachtlichen Feststellungen der Vorzug zu geben. Unter Zugrundelegung der Ausf\u00fchrungen des Sachverst\u00e4ndigen Dr. S., wonach die Nitrosaminbildung aufgrund von Aminen in K\u00fchlschmierstoffen bereits Anfang bis Mitte der 80er Jahre Wissensstand gewesen sei, ist eine Verletzung der Produktbeobachtungspflicht durch die Beklagte anzunehmen. Sp\u00e4testens zu diesem Zeitpunkt w\u00e4re die Beklagte verpflichtet gewesen, x. darauf zu untersuchen, ob es auch die nach Auffassung der Wissenschaft krebserzeugend wirkenden Substanzen enthielt und, falls dies der Fall gewesen sein sollte, x. vom Markt zu nehmen. Eine blo\u00dfe Warnung der Abnehmer w\u00e4re nicht ausreichend gewesen, weil es sich bei der krebsf\u00f6rdernden Wirkung um ein besonders gef\u00e4hrliches Gesundheitsrisiko handelt und keine Sicherheit bestand, dass bei der Verwendung von x. \u00dcbertragungen krebsf\u00f6rdernder Stoffe oder die Veranlassung krebsf\u00f6rdernder Reaktionen beim Menschen ausgeschlossen werden konnten. Im \u00dcbrigen hat es auch an Warnungen der Beklagten bei der Anwendung von x. gefehlt. Dies steht bereits deshalb fest, weil die Beklagte ihr Produkt f\u00fcr ungef\u00e4hrlich hielt und h\u00e4lt und deshalb aus ihrer Sicht kein Anlass f\u00fcr eine Warnung bestand. Ein derartiger unterlassener Hinweis kann ebenfalls schadensersatzpflichtig machen, weil ein Produzent trotz Einhaltung der technischen Regeln und Wahrung beh\u00f6rdlicher Zulassungsvoraussetzungen eine von seinem Erzeugnis ausgehende, erkennbare Gefahr dem Benutzer mitteilen muss (BGH NJW 1999, 2815, 2816).<\/p>\n
Die vom Senat f\u00fcr bewiesen erachtete Verletzung der Produktbeobachtungspflicht macht es entbehrlich, auch darauf einzugehen, ob m\u00f6glicherweise ein Konstruktionsfehler oder lediglich ein haftungsfreier Entwicklungsfehler bei der Herstellung von x. vorlag, weil auch ein weiterer Haftungsgrund die Rechtsstellung der Kl\u00e4ger nicht verbessern w\u00fcrde. Die Kl\u00e4ger k\u00f6nnen gleichwohl von der Beklagten nicht Schadensersatz wegen der Verletzung der Produktbeobachtungspflicht verlangen, weil nur bewiesen ist, dass der Erblasser der Einwirkung von x. ausgesetzt war, nicht aber da\u00df dies zur Darmkrebserkrankung f\u00fchrte. Aufgrund der Aussagen der Zeugen O., J., St. und R. ist davon auszugehen, dass an der Rundschleifmaschine Fortuna in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1987 x. zum Einsatz kam. Dies ergaben nicht nur die Beobachtungen der Zeugen, sondern auch die Einkaufsunterlagen belegen, in welcher Zeit welcher K\u00fchlschmierstoff gekauft und verwendet wurde. Nach der Aussage des Zeugen J. wurden die K\u00fchlschmiermittel regelm\u00e4\u00dfig untersucht. Anhaltspunkte daf\u00fcr, dass andere nitrosaminverd\u00e4chtige Produkte verwendet wurden, hat die Beweisaufnahme nicht bekr\u00e4ftigt. Der vom Landgericht vernommene sachverst\u00e4ndige Zeuge Dr. S. hat bekundet, dass er an den Untersuchungen in der Firma K. und B. mitgewirkt habe. Soweit der verstorbene Betriebsleiter Z. Urinproben von Mitarbeitern und auch vom Erblasser entnommen hatte und die Beklagte bezweifelt, dass dies ordnungsgem\u00e4\u00df geschehen sei, l\u00e4sst sich der Einwand durch die Bekundung des Dr. S. widerlegen, der ausgesagt hat (Bl. 147 d.A.):<\/p>\n
„Wir haben sowohl durch Untersuchung verd\u00fcnnter L\u00f6sungen als auch durch L\u00f6sungen, wie sie vom Hersteller zur Verf\u00fcgung gestellt werden, als auch durch die Urinuntersuchungen festgestellt, dass eindeutig zu hohe Nitrosaminwerte in diesem Produkt enthalten waren.“<\/p>\n
Wenn das vom Hersteller \u00fcberlassene K\u00fchlschmiermittel x. zu hohe Nitrosaminwerte enthielt, liegt es nahe, dass diese Werte aufgrund der Tatsache, dass der menschliche K\u00f6rper Nitrosamine aufnahm, auch in Urinuntersuchungen auftauchten. Da somit die Urinuntersuchungen zu den neutralen Untersuchungen passten, ist der durch nichts belegte Verdacht der Beklagten, der verstorbene Betriebsleiter Z. sei bei den Urinproben m\u00f6glicherweise nicht korrekt vorgegangen, unbegr\u00fcndet. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Betriebsleiter Z. f\u00fcr den Arbeitsschutz seiner Arbeitnehmer verantwortlich war und er dar\u00fcber hinaus die Untersuchungen f\u00fcr eine Dissertation verwenden wollte und somit besonders genau sein musste, daf\u00fcr, dass er bei der Kennzeichnung der Urinproben mit der erforderlichen Sorgfalt vorging. Auch wenn nach Auffassung des Senats feststeht, dass der Erblasser in der Zeit vom 01.02. bis 31.12.1987 an einer Rundschleifmaschine mit dem K\u00fchlschmierstoff x. arbeitete, hat der Senat sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass die Darmkrebserkrankung des Erblassers durch x. verursacht wurde. Der Sachverst\u00e4ndige Prof. B. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2004 zur Frage der Urs\u00e4chlichkeit zwischen dem Einsatz von x. an der Rundschleifmaschine im Betrieb des Erblassers und dessen Darmkrebserkrankung Stellung genommen. Der Sachverst\u00e4ndige hat ausgef\u00fchrt, der Erblasser sei im Jahre 1987 gegen\u00fcber dem K\u00fchlschmiermittel x. exponiert gewesen. W\u00e4hrend dieser Exposition lie\u00dfen sich im Urin stark erh\u00f6hte Belastungen mit N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) nachweisen. Nach Wechsel des K\u00fchlschmiermittels sistierte diese innere Belastung. NDELA habe sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Beim Menschen k\u00f6nne eine krebserzeugende Wirkung von NDELA nach dem gegenw\u00e4rtigen Kenntnisstand nicht nachgewiesen werden, insbesondere w\u00fcrden keine \u00fcberzeugenden Hinweise f\u00fcr das \u00fcberh\u00e4ufige Auftreten von b\u00f6sartigen Dickdarmtumoren vorliegen. Demzufolge k\u00f6nne es auch keine Erkenntnisse geben, ab welcher Urin-Konzentration das Risiko f\u00fcr Dickdarmtumore beim Menschen ansteigen k\u00f6nne. Somit w\u00fcrden die gemessenen NDELA-Konzentrationen im Harn auch keine erh\u00f6hte Dickdarmkrebsgef\u00e4hrdung oder eine akute Gesundheitsgef\u00e4hrdung im Sinne einer Intoxikation belegen. Die geringe Dauer von Expositions- und Tumorinduktionszeit spreche gegen einen Zusammenhang zwischen der x. -Belastung im Jahr 1987 und der Dickdarmkrebserkrankung im Jahr 1993. Dar\u00fcber hinaus werde das Auftreten von Dickdarmkrebs bei j\u00fcngeren Menschen auch ohne Nachweis pr\u00e4disponierender Faktoren in der internationalen wissenschaftlichen Literatur mehrfach beschrieben. Es Lasse sich nicht mit dem erforderlichen Grad der Sicherheit feststellen, dass der von der Beklagten hergestellte K\u00fchlschmierstoff x. die Dickdarmkrebserkrankung des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters der Kl\u00e4ger verursacht habe. In der m\u00fcndlichen Anh\u00f6rung durch den Senat hat der Sachverst\u00e4ndige B. bekundet, f\u00fcr ihn w\u00fcrden mehr Argumente gegen als f\u00fcr einen Zusammenhang zwischen x. und dem Tod des Erblassers sprechen. Schon die Unsicherheit, dass man Erkenntnisse aus Tierversuchen m\u00f6glicherweise nicht auf Menschen \u00fcbertragen k\u00f6nne, spreche dagegen. Auch die relativ kurze Zeit zwischen dem Einwirken von x. auf Herrn D. und seinem Tod spreche dagegen. Die Zeit habe lediglich sechs Jahre betragen. Auch wenn sich in dieser kurzen Zeit Krebs entwickeln k\u00f6nne, sei es weniger wahrscheinlich als nach etwa 15 Jahren. Das Krebsrisiko von Schleifern sei gegen\u00fcber der Normalbev\u00f6lkerung nicht einmal verdoppelt. Es gebe keine Untersuchungen, wonach NDELA speziell im Dickdarm Krebs ausl\u00f6se. Es gebe nur allgemeine Untersuchungen zum Dickdarmkrebs. Die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung durch x. sei durch die nur elf Monate dauernde Exposition gesenkt worden. Diese Umst\u00e4nde f\u00fchrten zu Zweifeln daran, dass der Tod von Herrn D. auf x. zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Auszuschlie\u00dfen sei dies aber nicht. Ohnehin k\u00f6nne bei mehr als 50 % der Dickdarmkrebsf\u00e4lle die Ursache nicht festgestellt werden. Nach den Ausf\u00fchrungen des Sachverst\u00e4ndigen Prof. B. ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der Darmkrebserkrankung des Erblassers und der elfmonatigen Verwendung von x. an seinem Arbeitsplatz eher unwahrscheinlich. W\u00e4hrend der Sachverst\u00e4ndige Prof. B. aus medizinischer Sicht die Darmkrebserkrankung des Erblassers aufgrund der Verwendung von x. f\u00fcr unwahrscheinlich gehalten hat, hat der Sachverst\u00e4ndige Dr. S. als Toxikologe die Urs\u00e4chlichkeit der Krebserkrankung durch x. f\u00fcr hinreichend wahrscheinlich bzw. wahrscheinlich angesehen. Diese Einsch\u00e4tzung gibt aber keine sichere \u00dcberzeugung von der Urs\u00e4chlichkeit wieder, so dass sich zwischen den Gutachten der Sachverst\u00e4ndigen Prof. B. und Dr. S. lediglich graduelle Unterschiede hinsichtlich der Bewertung des Nachweises einer durch x. verursachten Krebserkrankung ergeben. Aufgrund der im Berufungsverfahren eingeholten Sachverst\u00e4ndigengutachten ist deshalb die Urs\u00e4chlichkeit nicht bewiesen worden. Auch die in weiteren Verfahren eingeholten Sachverst\u00e4ndigengutachten ergeben keinen sicheren Hinweis auf die Urs\u00e4chlichkeit von x. f\u00fcr die Darmkrebserkrankung des Erblassers. Lediglich Prof. R. hielt die Darmkrebserkrankung des Erblassers f\u00fcr berufsbedingt. Prof. N. war der Auffassung, dass die Krebserkrankung des Versicherten D. mit h\u00f6herer Wahrscheinlichkeit auf seine berufliche T\u00e4tigkeit urs\u00e4chlich zur\u00fcckgef\u00fchrt werden m\u00fcsse als auf andere Lebensumst\u00e4nde. Prof. P. hat einen kausalen Zusammenhang zwischen der langj\u00e4hrigen Arbeitsexposition des Erblassers und seiner zum Tode f\u00fchrender Krebserkrankung als wahrscheinlich betrachtet. Der Sachverst\u00e4ndige Prof. Bo. ist in dem im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten zum Ergebnis gelangt, dass nicht mit der versicherungsrechtlich geforderten Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden k\u00f6nne, dass zwischen der beruflichen Schadstoffexposition als Dreher\/Schleifer und dem zu Lebzeiten festgestellten Dickdarmkarzinom ein kausaler Zusammenhang bestehe. Die Sachverst\u00e4ndigen Prof. Ei. und Prof. Sch. haben die Urs\u00e4chlichkeit von x. f\u00fcr das Dickdarmkarzinom des Erblassers f\u00fcr \u00fcberwiegend wahrscheinlich gehalten. Bezieht man die genannten Gutachten in die Beweisw\u00fcrdigung mit ein, kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass eine graduell unterschiedliche Wahrscheinlichkeit f\u00fcr die Urs\u00e4chlichkeit krebserzeugender Stoffe in x. f\u00fcr die sp\u00e4ter aufgetretene Krebserkrankung des Erblassers angenommen werden k\u00f6nnte. Das reicht aber f\u00fcr eine Beweisf\u00fchrung zur Urs\u00e4chlichkeit nicht aus. Die Klage muss auf die Berufung der Beklagten abgewiesen werden, weil die Kl\u00e4ger die Beweislast nicht nur f\u00fcr den Versto\u00df gegen die Produktbeobachtungspflicht, sondern auch f\u00fcr die Urs\u00e4chlichkeit zwischen dem Versto\u00df und dem Eintritt eines Schadens trifft. Dieser Beweis ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht erbracht worden. Beweiserleichterungen f\u00fcr die haftungsbegr\u00fcndende Kausalit\u00e4t kommen nicht zum Zug. Wenn feststeht, dass ein Produkt mangelhaft ist und die bestimmungsgem\u00e4\u00dfe Verwendung zu einem Schaden gef\u00fchrt hat, muss der Hersteller sich hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit oder des Verschuldens entlasten (BGH NJW 1996, 2507, 2508; 1999, 1028, 1029 und 2815, 2816). Dieser Grundsatz kann hier nicht angewendet werden, weil bei einem Einwirken von x. allenfalls ein erh\u00f6htes Krebsrisiko festzustellen ist, die Risikoerh\u00f6hung aber nicht so stark ausgefallen ist, dass angenommen werden muss, dass der Erblasser deshalb an einem Dickdarmkarzinom erkrankte.<\/p>\n
Beweiserleichterungen f\u00fcr die Kausalit\u00e4tsfrage, die bis zur Beweislastumkehr reichen k\u00f6nnen, k\u00f6nnen bei \u00dcberschreitung der im Rahmen einer Betriebsgenehmigung durch Verwaltungsvorschriften oder durch Bestimmungen und Auflagen festgelegten Emissions- und Immissionswerte gerechtfertigt sein (BGH NJW 1997, 2748). Insoweit kann auf die TRGS 552 und TRGS 611 verwiesen werden, wonach Nitrosaminverbindungen als krebserzeugend eingestuft wurden und in K\u00fchlschmiermitteln nicht verwendet werden durften. Diese Vorschriften sind aber erst 1996 und 1997 erlassen worden. 64 Auch ein Anscheinsbeweis, der darauf beruhen k\u00f6nnte, dass bei empirischen Erhebungen eine H\u00e4ufigkeit von Darmkrebserkrankungen bei Exposition gegen\u00fcber Nitrosaminen festgestellt wurde und dadurch ein typischer Sachverhalt vorliegen k\u00f6nnte, greift nicht ein. Zwar ist auch bei der Produkthaftung ist ein Anscheinsbeweis m\u00f6glich (BGH NJW 1988, 2611, 2612; 1991, 1948, 1949; 1997, 2748). Der Beweis des ersten Anscheins ist zul\u00e4ssig, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als ma\u00dfgeblich f\u00fcr den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. In der Entscheidung BGH NJW 1991, 1948, 1949 ff. wurde im Hinblick darauf, dass ein direkter Nachweis einer Kontamination einer Blutkonserve mit HIV-Erregern nicht m\u00f6glich war, ein dreifacher Anscheinsbeweis zugelassen, durch den die Kausalkette hinreichend geschlossen wurde. Bei Krebserkrankungen ist wegen der Vielzahl der Risikofaktoren ein derartiger Anscheinsbeweis aber nicht m\u00f6glich, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehlt, denn allein das Bestehen eines Risikofaktors l\u00e4sst nicht auf den sp\u00e4teren Eintritt einer Krebserkrankung schlie\u00dfen, die auf einer bestimmten Ursache beruht. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass allein x. als Krebsursache feststeht. Die Nebenentscheidungen beruhen auf \u00a7\u00a7 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 25 Abs. 2 GKG. Die Streitwertfestsetzung entspricht dem Beschluss vom 28.01.1999 (Bl. 262 d.A.). Ein Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 11. Zivilsenat, 07.04.2005, 11 U 132\/98 Medizinrecht Normen: \u00a7 823 Abs 1 BGB, \u00a7 286 ZPO Produkthaftung: Anscheinsbeweis f\u00fcr die Verursachung einer Krebserkrankung durch einen bestimmten Risikofaktor. Orientierungssatz Zwar ist auch bei der Produkthaftung ein Anscheinsbeweis m\u00f6glich. Bei Krebserkrankungen ist aber wegen der Vielzahl der Risikofaktoren ein derartiger Anscheinsbeweis nicht m\u00f6glich, weil es […]<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":127,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"class_list":["post-695","page","type-page","status-publish","hentry"],"acf":[],"yoast_head":"\n