{"id":506,"date":"2010-10-26T09:22:57","date_gmt":"2010-10-26T07:22:57","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=506"},"modified":"2019-11-28T17:08:54","modified_gmt":"2019-11-28T16:08:54","slug":"223-olg-hamm-urteil-vom-26-10-2010-1-21-u-16308","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsprechung\/urteile-medizinrecht\/223-olg-hamm-urteil-vom-26-10-2010-1-21-u-16308\/","title":{"rendered":"OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2010 (1-21 U 163\/08)"},"content":{"rendered":"

OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2010 (1-21 U 163\/08)<\/h1>\n

Medizinrecht<\/a><\/h2>\n

Mitgeteilt von Rechtsanw\u00e4ltin Dr. Ruth Schultze-Zeu, Fachanw\u00e4ltin f\u00fcr Medizinrecht<\/p>\n

Produktfehler eines implantierten Herzschrittmachers aufgrund der Zugeh\u00f6rigkeit zu einer Produktserie mit einer konstruktionsbedingt erh\u00f6hten Fehlerrate\u00a0(mit Anmerkung: Dr.\u00a0Ruth Schultze-Zeu)<\/p>\n

ProdHaftG \u00a7\u00a7 1, 3:\u00a0Es stellt einen Produktfehler eines Herzschrittmachers dar, wenn der Herzschrittmacher zu einer Produktserie geh\u00f6rt, die konstruktionsbedingt eine erh\u00f6hte Fehlerrate aufweist.\u00a0(223) OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2010 (1-21 U 163\/08)<\/strong><\/p>\n

Aus den Gr\u00fcnden:<\/h3>\n

Die KI. hat einen Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung von 5363,23 Euro aus \u00a7 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG i. V. m. \u00a7 116 Abs. 1 SGBX.<\/p>\n

1. Der Versicherten der KI., S., ist ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Bekl. in H\u00f6he der Beh\u00e4ndlungskosten f\u00fcr den Austausch des Herzschrittmachers der Marke X., Modell „X2“, Seriennummer X3, in H\u00f6he von 5363,23 Euro aus \u00a7 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG entstanden.<\/p>\n

Dieser Anspruch richtet sich gegen die Bekl. Gem. \u00a7 1 Abs. 1 ProdHaftG trifft die Haftung den Hersteller des fehlerhaften Produkts. Die Bekl. ist zwar nicht selbst Herstellerin i. S. d. \u00a7 4 Abs. 1 ProdHaftG. Der Herzschrittmacher wird von der in den USA ans\u00e4ssigen Muttergesellschaft der Bekl., der X. Corporation mit Sitz in Y., hergestellt. Die Bekl. steht aber gem. \u00a7 4 Abs. 2 ProdHaftG dem Hersteller gleich. Sie ist alleinige Importeurin des hier zu beurteilenden Herzschrittmachers in den Europ\u00e4ischen Wirtschaftsraum. Als solche haftet sie neben dem Hersteller.<\/p>\n

Der Herzschrittmacher Marke X., Modell „X2“, Seriennummer X3 weist auch einen Produktfehler i. S. d. \u00a7 3 ProdHaftG auf.<\/p>\n

Entgegen der Ansicht der Bekl. ist die KI. mit ihrer erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Argumentation, der streitgegenst\u00e4ndliche Herzschrittmacher weise einen Produktfehler auf, nicht gem. \u00a7 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn dieser Vortrag stellt kein neues Angriffsmittel i. S. d. \u00a7\u00a7 530, 531 ZPO dar. Der Begriff des Angriffsmittels umfasst nach \u00a7 282 Abs. 1 ZPO den Tatsachenvortrag der Parteien (Behauptungen und Bestreiten), Einwendungen und Einreden, sowie Beweismittel und Beweiseinreden (Musielak, ZPO 6. Aufl. \u00a7 530 Nr. 11). Nicht zu den Angriffsmitteln geh\u00f6ren hingegen Rechtsausf\u00fchrungen, da das Gericht das Recht ohnehin „von Amts wegen“ richtig anzuwenden hat (Z\u00f6ller\/GummerIHe\u00dfler, ZPO 27. Aufl. \u00a7 530 Rn. 8). Nach den vorstehenden Grunds\u00e4tzen ist zwischen dem Tatsachenvortrag, der einen Fehler i. S. d. \u00a7 1 Abs. 1, 3 ProdHaftG begr\u00fcnden soll, und der rechtlichen Wertung, ob die Tatsachengrundlage f\u00fcr diese Annahme ausreichend ist, zu unterscheiden. Es ist unbeachtlich i. S. d. \u00a7 531 ZPO, wenn die KI. – wie im vorliegenden Fall – lediglich ihre Rechtsmeinung \u00e4ndert. Die KI. hat in der Berufungsinstanz ihren tats\u00e4chlichen Vortrag, der die Voraussetzungen f\u00fcr das Vorliegen eines Produktfehlers betrifft, nicht ge\u00e4ndelt. Sie hat sich weiterhin auf das berufen, was sie erstinstanzlich vorgetragen hat. So hat sie bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das „Sicherheitsschreiben“ der Bekl. vom 22. 7. 2005 vorgetragen, ein in dem Herzschrittmacher „verwendetes Bauteil zur hermetischen Verriegelung unterliege m\u00f6glicherweise einem sukzessiven Verfall“. Au\u00dferdem hat sie die hieraus resultierenden m\u00f6glichen Folgen, wie z. B. vorzeitige Batterieersch\u00f6pfung, Verlust der Stimulationsfunktion usw., erstinstanzlich vorgetragen. Die sich aus diesem Tatsachenvortrag ergebende Frage, ob eine Fehlfunktion weniger Ger\u00e4te die Fehlerhaftigkeit der ganzen Serie und damit einen Produktfehler des hier zu beurteilenden Schrittmachers begr\u00fcnden kann, ist hingegen eine Rechtsfrage.<\/p>\n

Der hier zu beurteilende Herzschrittmacher geh\u00f6rt zu einer Untergruppe des Modells „X2“, bei der ein Bauteil zur hermetischen Verriegelung verwendet worden ist, das m\u00f6glicherweise einem sukzessiven Verfall unterliegt, was zu einer Fehlerrate f\u00fcr die noch implantierten, aktiven Herzschrittmacher von mindestens 0,17 bis % f\u00fchrt (It. Sicherheitsinformation der Herstellerin vom 7.2005), die der Hersteller in seinem ver\u00f6ffentlichten Informationsschreiben vom 23. 1. 2006 sogar mit 0,31 % bis 0,88% angegeben hat. Hierin liegt ein Produktfehler i. S. d. \u00a7 3 ProdHaftG.<\/p>\n

Ein Produkt hat gem. \u00a7 3 ProdHaftG einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die der Verkehr unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde im Zeitpunkt des Inverkehrbringens erwarten kann. Grunds\u00e4tzlich muss ein Produkt daher bez\u00fcglich der Konstruktion, der Fabrikation und Instruktion so beschaffen sein, dass es die k\u00f6rperliche Unversehrtheit nicht beeintr\u00e4chtigt. Ma\u00dfstab sind hier die berechtigten Erwartungen, die ein Endverbraucher nach der Verkehrsauffassung an die Sicherheit des Produkts stellen kann (Sprau in Palandt, BGB 69. Auf!. \u00a7 3 ProdHaftG Rn. 2, 3). Diese Sicherheitserwartungen, die der Verkehr berechtigterweise an einen bestimmten Gegenstand richtet, sind nach einem objektiven Ma\u00dfstab zu bestimmen.<\/p>\n

Entscheidend sind elie Erwartungen, die die Allgemeinheit und insbesondere die an der Herstellung, dem Verkauf und dem Gebrauch beteiligten Verkehrskreise haben. Demgegen\u00fcber spielen die subjektiven Sicherheitserwartungen des jeweiligen Benutzers keine Rolle. (Wagner in M\u00fcnch. Komm. zum BGB 5. Auf!. 2009 \u00a7 3 ProdHaftG Rn. 2). Die Erwartungen m\u00fcssen berechtigt sein, denn die Allgemeinheit kann nicht von Produkt in jeder Situation totale Sicherheit erwarten (Spreu in Palandt, BGB 68. Aufl. \u00a7 3 ProdHaftG Rn. 3).<\/p>\n

Der Sachverst\u00e4ndige hat \u00fcberzeugend ausgef\u00fchrt, dass das Herstellungsverfahren des Herzschrittmachers so kompliziert sei, dass es st\u00f6ranf\u00e4llig sei. Diese St\u00f6ranf\u00e4lligkeit hat dazu gef\u00fchrt, dass in bestimmten Ger\u00e4ten identifizielter Modelluntergruppen ein Fehler am Bauteil zur hermetischen Verriegelung aufgetreten ist, sodass dieses Bauteil einem sukzessiven Verfall unterlag. Damit liegt ein Produktfehler vor. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, dass speziell auch das in dem hier zu beurteilenden Herzscllrittmacher verwendete Bauteil zur hermetischen Verriegelung dem sukzessiven Verfall unterlag und zu einem Funktionsausfall gerade desjenigen Herzschrittmachers gef\u00fchrt h\u00e4tte, der der Versicherten der Bekl. implantiert war. Darauf kommt es aber auch nicht an. Denn es gen\u00fcgt, dass der zu beurteilende Herzschrittmacher zu einer Modelluntergruppe geh\u00f6rt, die eine nicht zu vertretende Fehlerh\u00e4ufigkeit aufweist.<\/p>\n

Der Sachverst\u00e4ndige hat \u00fcberzeugend festgestellt, der implantierte Herzschrittmacher habe aufgrund der prognostizierten Fehlerwahrscheinlichkeit in jedem Fall vorzeitig ausgetauscht werden m\u00fcssen, selbst wenn das zu beurteilende Ger\u00e4t in Ordnung gewesen sein sollte. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des Dichtelements bei der Modelluntergruppe, zu der der hier zu beurteilende Herzschrittmacher geh\u00f6re, sei 17- bis 20-mal h\u00f6her als bei Herzschrittmachern \u00fcblich. Damit bieten die Herzschrittmacher dieser Modelluntergruppe nicht die Sicherheit, die der Verkehr unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde im Zeitpunkt des Inverkehrbringens erwarten kann.<\/p>\n

Dem steht nicht entgegen, dass es voraussichtlich lediglich in einer geringen Anzahl von F\u00e4llen bei Herzschrittmacllern dieser Modelluntergruppe zu einem Ausfall des Ger\u00e4ts kommen wird. Die berechtigten Erwartungen, die ein Endverbraucher nach der Verkehrsauffassung an die Sicherheit des Produkts stellen kann, sind sehr hoch. Ausschlaggebend ist dabei, dass der Herzschrittmacher nach der Art des Gebrauchs regelm\u00e4\u00dfig im menschlichen K\u00f6rper eingesetzt wird. Der Nutzer kann den Gebrauch des Produkts nicht einfach einstellen. Aufgrund der Verwendung im menschlichen K\u00f6rper ist eine Wartung des Produkts bzw. ein nachtr\u00e4glicher Austausch fehlerhafter Komponenten nur mit erheblichem Aufwand m\u00f6glich. Beides ist f\u00fcr den Nutzer zwingend mit einer Operation verbunden. Eine Fehlfunktion des Herzschrittmachers ist f\u00fcr den Nutzer nicht ohne Weiteres erkennbar. Entscheidend ist, dass die Folgen des Versagens des Produkts in der Regel gravierend sind; Sie f\u00fchren\u00a0insbesondere wenn der Nutzer, wie die Versicherte der KI., „herzschrittmacherabh\u00e4ngig“ ist, zu einer schwerwiegenden Gesllndheitssch\u00e4digung bis zum Tod. Unter Ber\u00fccksichtigung dieser Sicherheitserwartungen ist eine Wahrscheinlichkeit des Ausfalls des Dichtelements, die der Hersteller in seinem ver\u00f6ffentlichten Informationsschreiben vom 23. 1. 2006 mit 0,31 % bis 0,88 % angegeben hat, nicht akzeptabel. Zu dieser Wertung ist auch der Sachverst\u00e4ndige \u00fcberzeugend in seinem Gutachten vom 7. 9. 2009 gelangt.<\/p>\n

Der Sachverst\u00e4ndige hat weiter \u00fcberzeugend ausgef\u00fchrt, dass das innerhalb der identifizierten Modelluntergruppen eingebaute „Bauteil zur hel’metischen Versiegelung“ nicht den im Jahr 1999 geltenden und notwendigen Sicherheitsstandards entsprochen habe. Es h\u00e4tte vielmehr unter Ber\u00fccksichtigung des Stands der Technik im Jahr 1999 so konstruiert und produziert werden k\u00f6nnen, dass der „sukzessive Verfall“ des Bauteils auszuschlie\u00dfen gewesen w\u00e4re. Dies ergibt sich insbesondere schon allein daraus, dass die Herzschrittmacher der \u00fcbrigen Modelluntergruppen desselben Herstellers die vorgenannte statistische Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufwiesen.<\/p>\n

Die Angriffe der Bekl. gegen das Sachverst\u00e4ndigengutacllten \u00dcberzeugen nicht. Soweit sie beanstandet, dass der Sachverst\u00e4ndige seine Informationen zur Fehlerh\u00e4ufigkeit aus den Informationsschreiben der Herstellerin bezieht, stehen keine anderen Informationsquellen zur Verf\u00fcgung. Nur die Herstellerin hat Kenntnis dar\u00fcber, wie h\u00e4ufig einzelne der von ihr hergestellten Ger\u00e4te ausgefallen sind. Es gibt keinen Anlass, an der von ihr mitgeteilten Fehlerh\u00e4ufigkeit zu zweifeln. Au\u00dferdem hat die Bekl. die Richtigkeit der Information der Herstellerin zur Fehlerh\u00e4ufigkeit in den Modelluntergruppen nicht bestritten. Soweit die Bekl. geltend macht, der Sachverst\u00e4ndige habe aus prozessualen Gr\u00fcnden nicht auf Unterlagen der Herstellerin, n\u00e4mlich die Anlagen 1 und 2 zum Gutachten, zur\u00fcckgreifen d\u00fcrfen, verkennt sie, dass es sich um Pressemitteilungen handelt, die allgemein zug\u00e4nglich sein d\u00fcrften und auf die die Bekl. sich selbst mit Schriftsatz vom 20. 5. 2008 bezieht.<\/p>\n

Auch der Einwand der Bekl., der Sachverst\u00e4ndige begehe einen schweren R\u00fcckschaufehler, indem er von der jetzigen Wahrscheinlichkeit des Fehlereintritts ausgehe und nicht auf das Jahr 1999 abstelle, \u00fcberzeugt nicht. Die Fehlerwahrscheinlichkeit, die sich jetzt zeigt, war bereits im Jahr der Herstellung angelegt und kann nur errechnet werden anhand der Fehler, die dann auch zutage getreten sind. Soweit die Bekl. geltend macht, dass f\u00fcr einen im Jahr 2009 in Verkehr gebrachten Herzschritt- macher andere Standards und Sicherheitserwartungen gelten w\u00fcrden als f\u00fcr den hier zu beurteilenden Herzschrittmacher, der im Jahr 1999 in Verkehr gebracht worden sei, \u00fcbersieht sie, dass die Ger\u00e4te der anderen Modelluntergruppen im gleichen Jahr in Verkehr gebracht wurden, aber die hier aufgetretene Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufweisen.<\/p>\n

Dass der Sachverst\u00e4ndige keine Untersuchungen an dem konkret in Rede stehenden Herzschrittmacher durchgef\u00fchrt hat und hierzu keine Aussagen getroffen hat, steht der \u00dcberzeugungskraft des Gutachtens entgegen der Ansicht der Bekl. nicht entgegen. Denn der Produktfehler liegt in der abstrakten Fehlerwahrscheinlichkeit f\u00fcr dieses Ger\u00e4t, nicht darin, dass dieses Ger\u00e4t einen Funktionsausfall erlitten hat oder erleiden w\u00fcrde. Die Argumentation der Bekl., der Hersteller habe im Jahr 1999 kein besseres Ger\u00e4t in Verkehr bringen k\u00f6nnen, weil die Konstruktion auch aus der Sicht des Sachverst\u00e4ndigen fehlerfrei sei, wird bereits dadurch widerlegt, dass der Hersteller Herzschrittmacher produziert hat, die nicht in die identifizierten Produktuntergruppen fallen und deren nichtakzeptable Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufgewiesen haben.<\/p>\n

Die Angriffe der Bekl. gegen die Qualifikation des Sachverst\u00e4ndigen und seine Arbeitsweise \u00fcberzeugen nicht. Insoweit ergeht sich die Bekl. in Mutma\u00dfungen. Der Sachverst\u00e4ndige hat zu seiner Qualifikation und zu seiner Erfahrung in der Untersuchung von Herzschrittmachern ausf\u00fchrlich Stellung genommen. Der Sachverst\u00e4ndige ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und als solcher seit 30 Jahren im Bereich der Medizintechnik t\u00e4tig. Insbesondere hat er f\u00fcnf Modelle von Herzschrittmachern gepr\u00fcft und schon mehrere hundert Herzschrittmacher im Einzelnen \u00fcberpr\u00fcft. Er verf\u00fcgt also sowohl \u00fcber die erforderlichen theoretischen Kenntnisse als auch \u00fcber die erforderliche praktische Erfahrung zur Beurteilung der hier vorliegenden Fragestellung.<\/p>\n

Entgegen der Ansicht der Bekl. kommt es auch nicht auf die von dem Hersteller im Voraus errechnete Fehlereintrittswahrscheinlichkeit an. Entscheidend ist, in welcher H\u00e4ufigkeit sp\u00e4ter tats\u00e4chlich Fehler aufgetreten sind. Auch aus der von der Bekl. aufgeworfenen Frage, welche DIN-Normen Anwendung finden, ergibt sich nichts f\u00fcr den hier zu entscheidenden Fall. Selbst wenn – wie die Bekl. argumentiert – in einer Studie vom 16. 9. 2005 eine tats\u00e4chliche durchschnittliche Fehlerrate f\u00fcr alle Herzschrittmacher von 0,15 % pro Jahr festgestellt worden ist, so \u00e4ndert das nichts daran, dass in den vom Hersteller identifizierten Modelluntergruppen eine Fehlerwahrscheinlichkeit festgestellt worden ist, die \u00fcber der vergleichbarer Herzschrittmacher liegt. Entgegen der Ansicht der Bekl. kommt es auch nicht auf die Sicherheitserwartung des behandelnden Arztes, sondern auf die des Patienten an. Denn dieser ist Verwender des Herzschrittmachers, ihm wird das Ger\u00e4t implantiert.<\/p>\n

Auch die Einwendungen der Sekt. gegen das Gutachten, die sich auf das Herstellungsverfahren, die rechtliche Stellung der Z., el10lgte Zertifizierungen und Definitionen beziehen, spielen f\u00fcr die hier zu beurteilende Fragestellung keine Rolle.<\/p>\n

Nach alledem sind die Ausf\u00fchrungen des Sachverst\u00e4ndigen \u00fcberzeugend, wonach die Fehlereintrittswahrscheinlichkeit als h\u00e4ufig zu bewerten sei, der Schweregrad der zu erwartenden Beeintr\u00e4chtigung des Verwenders, n\u00e4mlich des Patienten, hingegen als katastrophal, was zu einem nicht akzeptablen Ergebnis hinsichtlich der Sicherheitserwartungen f\u00fchre. Hierin liegt der Produktfehler aller Herzschrittmacher aus den identifizierten Modelluntergruppen, zu denen auch der hier zu beurteilende Herzschrittmacher geh\u00f6rt.<\/p>\n

Die Haftung ist nicht nach \u00a7 1 Abs. 2 ProdHaftG ausgeschlossen. Insbesondere liegt der Ausschlusstatbestand des \u00a7 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG nicht vor. Die Bekl. hat nicht dargelegt, dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Herzschrittma- chers im Jahr 1999 nach dem damaligen Stand von Wissen- schaft und Technik das Risiko, dass die hier entscheidende Dichtung „einem Zerfall unterliegen k\u00f6nnte“, nicht erkennbar gewesen sei. Soweit die Bekl. hierzu vortr\u00e4gt, im Jahr 1999 sei nicht erkennbar gewesen, dass die in den Sicherheitsschrei- ben genannte Fehlereintrittswahrscheinlichkeit vorliege, kommt es darauf nicht an. Die Fehlereintrittswahrscheinlichkeit kann immer nur ex post beurteilt werden, n\u00e4mlich nachdem Fehler bereits aufgetreten sind. Entscheidend ist aber, ob Fehler an den Dichtungen objektiv nicht erkennbar gewesen w\u00e4ren. Daf\u00fcr liegen keine Anhaltspunkte vor. Darlegungs- und Beweispflichtig daf\u00fcr, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte, ist die Bekt. Diese hat hierf\u00fcr aber nichts vorgetragen. Der Hinweis der Bekl. auf die Einf\u00fchrung eines Qualit\u00e4tsmanagementsystems nach der europ\u00e4ischen Richtlinie 90\/385\/EWG reicht hierf\u00fcr nicht aus. Sie kann sich im Rahmen des \u00a7 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG nicht darauf zur\u00fcckziehen, zu der Ursache des sukzessiven Zerfalls der Dichtung zu schweigen und auf das Qualit\u00e4tsmanagementsystem des Herstellers zu verweisen.<\/p>\n

Der Produktfehler hat auch ad\u00e4quat kausal zu einer K\u00f6rperverletzung der Versicherten gef\u00fchrt. Diese musste zum Zweck der vorzeitigen Explantation des Herzschrittmachers operiert werden.<\/p>\n

Durch die durch den Produktfehler verursachte K\u00f6rperverletzung ist der Versicherten ein Schaden in H\u00f6he der Behandlungskosten entstanden. In diesem Zusammenhang kann die Bekl. nicht damit geh\u00f6rt werden, dass ein Austausch des Herz- schrittmachers wegen der begrenzten Lebensdauer ohnehin h\u00e4tte erfolgen m\u00fcssen, wenn auch sp\u00e4ter („Sowieso-Kosten“). Zwar ist anerkannt, dass bei Vorliegen einer sogenannten Schadensanlage, die auch ohne das schadenstiftende Ereignis in nicht allzu ferner Zukunft ohnehin zum gleichen Schaden gef\u00fchrt h\u00e4tte, die Schadensersatzpflicht auf die Nachteile be- schr\u00e4nkt ist, die durch den fr\u00fcheren Schadenseintritt bedingt sind (BGH vom 23. 10. 1984 – VI ZR 24\/83 VersR 1985, 60 := NJW 1985, 676). Eine solche „Schadensanlage“ liegt hier jedoch nicht vor. Der jetzt eingetretene Umstand der Notwendig- keit einer Operation beruht auf anderen Gr\u00fcnden, als es – unter dem Gesichtspunkt eines hypothetischen Kausalverlaufs – am Ende der Lebensdauer des Herzschrittmachers der Fall gewesen w\u00e4re. Der Herzschrittmacher ist eben nicht wegen seiner abgelaufenen Nutzungszeit, sondern wegen der Gefahr einer Fehlfunktion ausgetauscht worden.<\/p>\n

Der Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten ist auch nicht nach den Grunds\u00e4tzen des Abzugs neu f\u00fcr alt gemindert. Eine Vorteilsanrechnung ist bereits nicht zumutbar. Bei Gegenst\u00e4nden, auf die der Gesch\u00e4digte zwingend angewiesen ist und die er am oder wie hier sogar im K\u00f6rper tr\u00e4gt, wird ein Vorteilsausgleich allgemein als unzumutbar abgelehnt (Schubert in BeckOK zum BGB Edition 12 \u00a7 249 Rn. 139 m. w. N.).<\/p>\n

Der bei der KI. versicherten S. ist damit ein Anspruch gegen die Sekl. auf Schadensersatz auf \u00a7 1 ProdHaftG in H\u00f6he Behandlungskosten von 5363,23 Euro entstanden.<\/p>\n

2. Dieser Schadensersatzanspruch ist auch aufgrund \u00a7 116 SGB X auf die KI. als SVT \u00fcbergegangen, weil diese aufgrund des Schadensereignisses als Tr\u00e4ger der gesetzlichen Krankenversicherung Sozialleistungen zu erbringen hatte, die der Behebung des Schadens dienten und sich auf denselben Zeit- raum wie der vom Sch\u00e4diger zu leistende Schadensersatz bezogen.<\/p>\n

3. Die Berufung war teilweise zur\u00fcckzuweisen. Die KI. hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus \u00a7\u00a7 280, 286 BGB, weil nicht ersichtlich ist, dass die Bekl. sich im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts in Verzug befunden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bekl. bereits vor dem Schreiben vom 1. 10. 2007 zur Zahlung aufgefordert worden w\u00e4re oder aber sie gegen\u00fcber der KI. die Leistung „ernsthaft und endg\u00fcltig“ i. S. d. \u00a7 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert h\u00e4tte. Erst das Schreiben vom 1. 10. 2007 war verzugsbegr\u00fcndend. Zu diesem Zeitpunkt hatte die KI. ihre Anw\u00e4ltin aber bereits beauftragt. Die Rechtsanwaltskosten waren damit im Zeitpunkt des Verzugseintritts entstanden.<\/p>\n

Anmerkung<\/h2>\n

I. Sachverhalt<\/h3>\n

Die KI. machte als gesetzlicher Krankenversicherer gegen die Bekl. aus \u00fcbergegangenem Recht einer VN einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Austauschs des Herzschrittmachers unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung geltend. Die Bekl. ist Importeurin des streitgegenst\u00e4ndlichen Herzschrittmachers, welcher in den USA hergestellt wurde und von ihr in den Euro- p\u00e4ischen Wirtschaftsraum eingef\u00fchrt wurde. Der Herzschritt- macher der VN geh\u00f6rte zu einer Modellgruppe, bei der ein Bauteil zur hermetischen Dichtung verwendet wurde, der m\u00f6g- licherweise einem sukzessiven Verfall unterliegt. Die Fehlerrate f\u00fcr noch implantierte, aktive Herzschrittmacher dieser Modell- gruppe liegt nach erg\u00e4nzenden Informationen der Hersteller- firma bei 0,31 % bis zu 0,88 %. Die VN der KI. lie\u00df sich das Ger\u00e4t austauschen aus Sorge, es k\u00f6nne auch bei ihr der De- fekt auftreten. Ob am konkreten Herzschrittmacher tats\u00e4chlich ein solcher Defekt vorlag, konnte nicht \u00fcberpr\u00fcft werden.<\/p>\n

II. Stellungnahme<\/h3>\n

Das Urteil des OLG Hamm ist eine erste Grundsatzentschei- dung, die sich vor allem mit der Frage befasst, unter welchen Bedingungen bei implantierten Herzschrittmachern ein Produktfehler i. S. d. \u00a7 3 ProdHaftG vorliegt.<\/p>\n

1. Der Produktfehler<\/strong><\/p>\n

Nach zutreffender Auffassung des Gerichts war der Herzschrittmacher in \u00dcbereinstimmung mit \u00a7 3 Abs. 1 ProdHaftG fehlerhaft, weil er nicht die Sicherheit bot, die unter Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde, insbesondere des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.<\/p>\n

a) Die Sicherheitserwartungen bezogen auf implantierte Herzschrittmacher<\/p>\n

Dem Gericht ist darin zuzustimmen, dass auf die objektiven Sicherheitserwartungen des Patienten abzustellen ist. Denn diesem ist der Herzschrittmacher in den K\u00f6rper implantiert worden. Er ist herzschrittmacherabh\u00e4ngig. Das hei\u00dft, seine k\u00f6rperliche Unversehrtheit h\u00e4ngt vom fehlerfreien Funktionieren des ihm eingesetzten Ger\u00e4ts ab. Dies entspricht auch st\u00e4ndiger Rechtsprechung des BGH, wonach regelm\u00e4\u00dfig auf die Sicherheitserwartungen der am wenigsten informierten und damit sch\u00fctzenswertesten Benutzergruppe abzustellen ist.<\/p>\n

Zudem geht das Urteil zutreffend davon aus, der Umfang der Sicherheitserwartungen richte sich stets danach, um was f\u00fcr ein Produkt es sich konkret handelF. Wenn ein Herzschrittmacher versagt, sind die Folgen f\u00fcr den Patienten tragisch, n\u00e4mlich ein schwerer Gesundheitsschaden bis hin zum Tod. Der bevorstehende Ausfall eines Herzschrittmachers k\u00fcndigt sich nicht an, sondern tritt pl\u00f6tzlich und unerwartet ein. Die Gesundheit, ja sogar sein Leben, h\u00e4ngen vom fehlerfreien Funktionieren seines Herzschrittmachers ab. Deshalb sind hier die berechtigten Sicherheitserwartungen extrem hoch. In der Literatur wird sogar die Meinung vertreten, es gebe Produkte, bei denen berechtigterweise eine 1OO%ige Sicherheit erwartet werden m\u00fcsse. Als Beispiele werden Bremsen, Alarmanlagen und Schwimmwesten genannt. Allerdings erwartet vorliegend das OLG Hamm eine solche 1OO%ige Sicherheit nicht.<\/p>\n

Bei der Frage, welche Sicherheitserwartungen bei Herzschrittmachern berechtigt sind, kommt es ferner darauf an, welches Ausfallrisiko die Modellgruppe aufweist, der der streitgegenst\u00e4ndliche Herzschrittmacher angeh\u00f6rt. Dieses Ausfallrisiko ist sodann mit der \u00fcblichen Ausfallquote von Herzschrittmachern insgesamt zu vergleichen, die im gleichen Zeitraum in den Verkehr gebracht worden sind. Dies gilt unabh\u00e4ngig davon, wer diese Ger\u00e4te konstruiert und fabriziert hat. Vorliegend hat der Gerichtssachverst\u00e4ndige festgestellt, bei der Modellgruppe, zu welcher der streitgegenst\u00e4ndliche Herzschrittmacher geh\u00f6rte, sei die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls des Dichtungselements 17- bis 20-mal h\u00f6her als bei sonstigen Herzschrittmachergruppen.<\/p>\n

Damit wird gleichzeitig best\u00e4tigt: Schon 1999 h\u00e4tte die Herstellerfirma Herzschrittmacher mit funktionierenden Dichtungselementen konstruieren und produzieren k\u00f6nnen. Zudem wird im Urteil ausdr\u00fccklich hervorgehoben, sogar eigene andere Modellgruppen des Herstellers h\u00e4tten eindeutig niedrigere Fehlerquoten gehabt.<\/p>\n

b) Zum abstrakten Fehlerbegriff bei Herzschrittmachern
\nBesonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Klarstellung, es komme nicht auf die Funktionsunt\u00fcchtigkeit des konkreten Herzschrittmachers an. Ein Produktfehler liegt n\u00e4mlich bei einem Herzschrittmacher schon dann vor, wenn er abstrakt gef\u00e4hrlich ist. Es gen\u00fcgt damit, dass das Ger\u00e4t zu einer Grup- pe geh\u00f6rt, die im Vergleich zu anderen Modellgruppen des gleichen Zeitraums eine nicht zu vertretende Fehlerh\u00e4ufigkeit aufweist.
\nAnders als bei der Kontrolle eines Autos ist es offensichtlich keinem Patienten zumutbar, einen ihm implantierten Herzschrittmacher herausoperieren zu lassen, sieh mit einem Ersatzger\u00e4t ausstatten zu lassen, um dann in Ruhe die Funktionst\u00fcchtigkeit des explantierten Herzschrittmachers zu \u00fcberpr\u00fcfen. Die Alternative f\u00fcr den vom Herzschrittmacher abh\u00e4ngigen Patienten w\u00e4re, mit dem Risiko zu leben, dass sein Herzschrittmacher pl\u00f6tzlich nicht mehr funktioniert und er einen schweren K\u00f6rperschaden erleidet. Beides ist ihm nicht zumutbar. Auch deshalb muss in F\u00e4llen der vorliegenden Art den Feststellun- gen des OLG Hamm zur abstrakten Fehlerwahrscheinlichkeit gefolgt werden.<\/p>\n

Die Ausf\u00fchrungen des OLG Hamm zur abstrakten Fehlerwahrscheinlichkeit sind auch nicht aus der Luft gegriffen, denn das Gericht kn\u00fcpft an die \u00fcberdurchschnittlich hohe Fehlerrate der Modellgruppe an, zu welcher der streitgegenst\u00e4ndliche Herzschrittmacher geh\u00f6rt. Ein Produktfehler i. S. d. \u00a7 3 ProdHaftG liegt damit vor. Denn es geh\u00f6rt zu den berechtigten Sicherheitserwartungen eines vom Herzschrittmacher abh\u00e4ngigen Patienten, dass Funktionsfehler, die bei gleichartigen Ger\u00e4ten geh\u00e4uft aufgetreten sind, bei seinem Ger\u00e4t nicht auftreten.<\/p>\n

Da der konkrete Herzschrittmacher nicht mehr vorhanden war, konnte nicht mehr \u00fcberpr\u00fcft werden, ob sein Dichtungselement tats\u00e4chlich fehlerhaft war und ob dieser Fehler auf einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler zur\u00fcckzuf\u00fchren war. Darauf kommt es aber nach alledem nicht an.<\/p>\n

c) Zum Vorliegen des Produktfehlers bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens
\nDer Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Herzschrittmachers richtet sich regelm\u00e4\u00dfig danach, gegen welchen Hersteller i. S. d. \u00a7 4 ProdHaftG eine Klage erhoben wird. Ist der eigentliche Hersteller i. S. d. \u00a7 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG verklagt, ist auf dem Zeitpunkt abzustellen, in welchem das Ger\u00e4t auf den Markt gebracht wurde. Richtet sich, wie vorliegend, die gegen die importierende Tochtergesellschaft nach \u00a7 4 Abs. ProdHaftG, kommt es auf den Moment an, in welchem die ma\u00dfgeblichen Herzschrittmacher in den Europ\u00e4ischen Wirtschaftsraum eingef\u00fchrt worden sind.<\/p>\n

Zugunsten der gesch\u00e4digten VN wird zudem vermutet, dass ihr Herzschrittmacher bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens fehlerhaft war. Diese gesetzliche Vermutung folgt aus der Beweislastregel des \u00a7 1 Abs. 4 S. 2 ProdHaftG. Danach wird bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen, dass kein Haftungsausschlussgrund i. S. d. \u00a7 1 Abs. 2 NI‘. 2 ProdHaftG vorliegt“. Die Bekl. konnte das Vorliegen der Voraussetzungen des \u00a0Ausschlusstatbestands des \u00a7 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG nicht beweisen. Hierf\u00fcr gilt, ebenso wie f\u00fcr die restlichen Ausschlusstatbest\u00e4nde, grunds\u00e4tzlich der Strengbeweis des \u00a7 286 ZPO.<\/p>\n

2. Zu den Anforderungen an die Darlegung des Ausschlusstat- bestands des \u00a7 1 Abs. 2 NI: 5 ProdHaftG<\/strong><\/p>\n

Der Senat verneint zutreffend das Vorliegen des Ausschlusstatbestands des \u00a7 1 Abs. 2 NI‘. 5 ProdHaftG. Danach ist die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn der konkrete Produktfehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht erkannt werden konnte. Die insoweit beweispflichtige Bekl. kann sich im Rahmen des \u00a7 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG nicht da- rauf zur\u00fcckziehen, zu der Ursache des sukzessiven Zerfalls der Dichtung zu schweigen und auf das Qualit\u00e4tsmanagementsystem des Herstellers zu verweisen. Damit gen\u00fcgt sie ihrer Darlegungslast nicht.<\/p>\n

Entscheidend ist, ob der Fehler an den Dichtungen 1999 objektiv nicht erkennbar war. Abzustellen ist hierbei nicht auf die deutschen, sondern auf die internationalen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens galten. Dagegen, dass der Mangel am Dich- tungselement nicht erkennbar war, spricht schlicht bereits folgende Tatsache: Der amerikanische Hersteller hatte – ebenso wie andere Herzschrittmacherhersteller im Jahr 1999 auch Herzschrittmacher ohne anf\u00e4llige Dichtungselemente produziert.\u00a0Die Erkennbarkeit des Produktfehlers kann, wie das OLG Hamm hierzu zutreffend feststellt, immer nur ex post beurteilt werden. Erst wenn ein Fehler auftritt, kann seine Ursache r\u00fcckschauend untersucht werden.<\/p>\n

3. Die Schadenskausalit\u00e4t<\/strong><\/p>\n

Der Fehler am Herzschrittmacher war auch kausal f\u00fcr die K\u00f6rperverletzung der VN der KI. gem. \u00a7 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG. Denn aufgrund der Fehlerhaftigkeit dieses Herzschrittmachers wurde eine vorzeitige Operation zum Austausch dieses Ger\u00e4ts erforderlich. Der an dieser Stelle h\u00e4ufig vorgebrachte Einwand, der Patient sei umfassend \u00fcber die M\u00f6glichkeit eines Herzschrittmacherausfalls aufgekl\u00e4rt worden und habe dennoch der Implantation zugestimmt, hilft dem Hersteller nicht weiter. Die Aufkl\u00e4rung bezieht sich, wenn \u00fcberhaupt, nur auf den Umstand, dass ein Herzschrittmacher in seltensten F\u00e4llen einen technischen Defekt erleidet, wobei auf die „\u00fcbliche“ Fehlerrate abgestellt wird. Ebenso wenig wie eine Patienteneinwilligung den Arzt von einer Haftung wegen Behandlungsfehlern freistellt, befreit eine Patienteneinwilligung den Hersteller von einer Haftung im Zusammenhang mit einem implantierten fehlerhaften Herzschrittmacher. Denn in beiden F\u00e4llen verwirklichen sich „vermeidbare“ Risiken.
\nDie haftungsausf\u00fcllende Kausalit\u00e4t bei einer erlittenen K\u00f6rperverletzung ist in \u00a7 8 ProdHaftG gesondert geregelt. Entstehen bei einer K\u00f6rperverletzung Heilungskosten, sind auch diese zu erstatten.<\/p>\n

4. Zum Einwand der „Sowieso-Kosten“<\/strong><\/p>\n

Eine K\u00fcrzung der Operationskosten unter dem Gesichtspunkt der „Sowieso-Kosten“ lehnt das OLG Hamm ausdr\u00fccklich ab. Bei diesem Einwand handelt es sich um einen Anwendungsfall der hypothetischen Kausalit\u00e4t. Deswegen greift der Einwand nur, wenn wirklich der Produktfehler hinweggedacht – zum gleichen Zeitpunkt ein gleicher Eingriff notwendig gewesen w\u00e4re. Damit k\u00f6nnen in solchen F\u00e4llen regelm\u00e4\u00dfig die vollen Behandlungskosten geltend gemacht werden.<\/p>\n

5. Fazit<\/strong><\/p>\n

Zusammenfassend lassen sich folgende Grunds\u00e4tze bei Herzschrittmacherf\u00e4llen aufstellen:<\/p>\n