{"id":252,"date":"2016-05-31T16:43:21","date_gmt":"2016-05-31T14:43:21","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=252"},"modified":"2016-06-17T19:26:34","modified_gmt":"2016-06-17T17:26:34","slug":"urteilsanmerkung-zur-produkthaftung","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/publikationen-arzthaftung-behandlungsfehler\/urteilsanmerkung-zur-produkthaftung\/","title":{"rendered":"Urteilsanmerkung zur Produkthaftung (OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2010 (1-21 U 163\/08))"},"content":{"rendered":"
ProdHaftG \u00a7\u00a7 1, 3 <\/strong><\/p>\n Es stellt einen Produktfehler eines Herzschrittmachers dar, wenn der Herzschrittmacher zu einer Produktserie geh\u00f6rt, die konstruktionsbedingt eine erh\u00f6hte Fehlerrate aufweist.<\/strong><\/p>\n (223) OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2010 (1-21 U 163\/08)<\/p>\n Aus den Gr\u00fcnden:<\/strong><\/em><\/p>\n Die Kl. hat einen Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung von 5363,23 Euro aus \u00a7 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG i. V. m. \u00a7 116 Abs. 1 SGBX.<\/p>\n 1. Der Versicherten der Kl., S., ist ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Bekl. in H\u00f6he der Behandlungskosten f\u00fcr den Austausch des Herzschrittmachers der Marke X., Modell „X2“, Seriennummer X3, in H\u00f6he von 5363,23 Euro aus \u00a7 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG entstanden.<\/p>\n Dieser Anspruch\u00a0richtet sich gegen die Bekl. Gem. \u00a7 1 Abs. 1 ProdHaftG trifft die Haftung den Hersteller des fehlerhaften Produkts. Die Bekl. ist zwar nicht selbst Herstellerin i. S. d. \u00a7 4 Abs. 1 ProdHaftG. Der Herzschrittmacher wird von der in den USA ans\u00e4ssigen Muttergesellschaft der Bekl., der X. Corpora- tion mit Sitz in Y., hergestellt. Die Bekl. steht aber gem. \u00a7 4 Abs. 2 ProdHaftG dem Hersteller gleich. Sie ist alleinige Importeurin des hier zu beurteilenden Herzschrittmachers in den Europ\u00e4ischen Wirtschaftsraum. Als solche haftet sie neben dem Hersteller.<\/p>\n Der Herzschrittmacher Marke X., Modell „X2“, Seriennummer X3 weist auch einen Produktfehler i. S. d. \u00a7 3 ProdHaftG auf.<\/p>\n Entgegen der Ansicht der Bekl. ist die Kl. mit ihrer erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Argumentation, der streitgegenst\u00e4ndliche Herzschrittmacher weise einen Produktfehler auf, nicht gem. \u00a7 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn dieser Vortrag stellt kein neues Angriffsmittel i. S. d. \u00a7\u00a7 530, 531 ZPO dar. Der Begriff des Angriffsmittels umfasst nach \u00a7 282 Abs. 1 ZPO den Tatsachenvortrag der Parteien (Behauptungen und Bestreiten), Einwendungen und Einreden, sowie Beweismittel und Beweiseinreden (Musielak, ZPO 6. Aufl. \u00a7 530 Nr. 11). Nicht zu den Angriffsmitteln geh\u00f6ren hingegen Rechtsausf\u00fchrungen, da das Gericht das Recht ohnehin „von Amts wegen“ richtig anzuwenden hat (Z\u00f6ller\/GummerIHe\u00dfler, ZPO 27. Aufl. \u00a7 530 Rn. 8). Nach den vorstehenden Grunds\u00e4tzen ist zwischen dem Tatsachenvortrag, der einen Fehler i. S. d. \u00a7 1 Abs. 1, 3 ProdHaftG begr\u00fcnden soll, und der rechtlichen Wertung, ob die Tatsachengrundlage f\u00fcr diese Annahme ausreichend ist, zu unterscheiden.<\/p>\n Es ist unbeachtlich i. S. d. \u00a7 531 ZPO, wenn die Kl. – wie im vorliegenden Fall – lediglich ihre Rechtsmeinung \u00e4ndert. Die KI. hat in der Berufungsinstanz ihren tats\u00e4chlichen Vortrag, der die Voraussetzungen f\u00fcr das Vorliegen eines Produktfehlers betrifft, nicht ge\u00e4ndert. Sie hat sich weiterhin auf das berufen, was sie erstinstanzlich vorgetragen hat. So hat sie bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das „Sicherheitsschreiben“ der Bekl. vom 22. 7. 2005 vorgetragen, ein in dem Herzschrittmacher „verwendetes Bauteil zur hermetischen Verriegelung unterliege m\u00f6glicherweise einem sukzessiven Verfall“. Au\u00dferdem hat sie die hieraus resultierenden m\u00f6glichen Folgen, wie z. B. vorzeitige Batterieersch\u00f6pfung, Verlust der Stimulationsfunktion usw., erstinstanzlich vorgetragen. Die sich aus diesem Tatsachenvortrag ergebende Frage, ob eine Fehlfunktion weniger Ger\u00e4te die Fehlerhaftigkeit der ganzen Serie und damit einen Produktfehler des hier zu beurteilenden Schrittmachers begr\u00fcnden kann, ist hingegen eine Rechtsfrage.<\/p>\n