{"id":177,"date":"2016-05-31T11:40:20","date_gmt":"2016-05-31T09:40:20","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=177"},"modified":"2019-08-01T12:43:35","modified_gmt":"2019-08-01T10:43:35","slug":"die-schutzpflichten-vollstationaerer-pflegeeinrichtungen-fuer-ihre-bewohner","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/kanzlei\/dr-ruth-schultze-zeu-anwalt-arzthaftung\/vortraege\/die-schutzpflichten-vollstationaerer-pflegeeinrichtungen-fuer-ihre-bewohner\/","title":{"rendered":"Die Schutzpflichten vollstation\u00e4rer Pflegeeinrichtungen f\u00fcr ihre Bewohner"},"content":{"rendered":"
Das Heimgesetz gilt gem\u00e4\u00df \u00a7 1 Abs. 1 f\u00fcr Einrichtungen, die dem Zweck dienen, \u00e4ltere Menschen oder pflegebed\u00fcrftige oder behinderte Vollj\u00e4hrige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu \u00fcberlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verf\u00fcgung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabh\u00e4ngig sind und entgeltlich betrieben werden. Der Zweck des Gesetzes wird in folgender Regelung beschrieben:<\/p>\n
(1) Zweck des Gesetzes ist es,<\/p>\n
1. die W\u00fcrde sowie die Interessen und Bed\u00fcrfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeintr\u00e4chtigungen zu sch\u00fctzen,<\/p>\n
2. die Selbst\u00e4ndigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner zu wahren und zu f\u00f6rdern,<\/p>\n
3. die Einhaltung der dem Tr\u00e4ger des Heims (Tr\u00e4ger) gegen\u00fcber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern,<\/p>\n
4. die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner zu sichern,<\/p>\n
5. eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualit\u00e4t des Wohnens und der Betreuung zu sichern,<\/p>\n
Offensichtlich sind die Ziffern 1 und 3 f\u00fcr Regressf\u00e4lle einschl\u00e4gig, denn hier wird auf die Schutzpflichten der Einrichtung abgestellt. Zur Qualit\u00e4t der Leistungen der Einrichtung wird folgendes hervorgehoben:<\/p>\n
(1) Die Heime sind verpflichtet, ihre Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen.<\/p>\n
Dies erinnert an die Ma\u00dfgabe im Arzthaftungsrecht, wonach der Mediziner sich an dem jeweils anerkannten Stand medizinischer Kenntnisse auszurichten hat. Von besonderer Wichtigkeit ist die folgende Vorschrift:<\/p>\n
(1) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn der Tr\u00e4ger und die Leitung<\/p>\n
1. die W\u00fcrde sowie die Interessen und Bed\u00fcrfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeintr\u00e4chtigungen sch\u00fctzen,<\/p>\n
2. die Selbst\u00e4ndigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner wahren und f\u00f6rdern, insbesondere bei behinderten Menschen die sozialp\u00e4dagogische Betreuung und heilp\u00e4dagogische F\u00f6rderung sowie bei Pflegebed\u00fcrftigen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenw\u00fcrde gew\u00e4hrleisten,<\/p>\n
3. eine angemessene Qualit\u00e4t der Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie pflegebed\u00fcrftig sind, in dem Heim selbst oder in angemessener anderer Weise einschlie\u00dflich der Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-\u00adpflegerischer Erkenntnisse sowie die \u00e4rztliche und gesundheitliche Betreuung sichern,<\/p>\n
4. die Eingliederung behinderter Menschen f\u00f6rdern,<\/p>\n
5. den Bewohnerinnen und Bewohnern eine nach Art und Umfang ihrer Betreuungsbed\u00fcrftigkeit angemessene Leb ensgestaltung erm\u00f6glichen und die erforderlichen Hilfen gew\u00e4hren,<\/p>\n
6. die hauswirtschaftliche Versorgung sowie eine angemessene Qualit\u00e4t des Wohnens erbringen,<\/p>\n
7. sicherstellen, dass f\u00fcr pflegebed\u00fcrftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden,<\/p>\n
8. gew\u00e4hrleisten, dass in Einrichtungen der Behindertenhilfe f\u00fcr die Bewohnerinnen und Bewohner F\u00f6rder – und Hilfepl\u00e4ne aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden,<\/p>\n
9. einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gew\u00e4hrleisten und sicherstellen, dass von den Besch\u00e4ftigten die f\u00fcr ihren Aufgabenbereich einschl\u00e4gigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden, und<\/p>\n
10. sicherstellen, dass die Arzneimittel bewohnerbezogen und ordnungsgem\u00e4\u00df aufbewahrt und die in der Pflege t\u00e4tigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr \u00fcber den sachgerechten Umgang mit Arzneimitteln beraten werden.<\/p>\n
(2) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn der Tr\u00e4ger<\/p>\n
1. die notwendige Zuverl\u00e4ssigkeit, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsf\u00e4higkeit zum Betrieb des Heims, besitzt,<\/p>\n
2. sicherstellt, dass die Zahl der Besch\u00e4ftigten und ihre pers\u00f6nliche und fachliche Eignung f\u00fcr die von ihnen zu leistende T\u00e4tigkeit ausreicht,<\/p>\n
3. angemessene Entgelte verlangt und<\/p>\n
4. ein Qualit\u00e4tsmanagement betreibt.<\/p>\n
(3) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn<\/p>\n
1. die Einhaltung der in den Recht sverordnungen nach \u00a7 3 enthaltenen Regelungen gew\u00e4hrleistet ist,<\/p>\n
2. die vertraglichen Leistungen erbracht werden und<\/p>\n
3. die Einhaltung der nach \u00a7 14 Abs. 7 erlassenen Vorschriften gew\u00e4hrleistet ist.<\/p>\n
(4) Bestehen Zweifel daran, dass die Anforderungen an den Betrieb eines Heims erf\u00fcllt sind, ist die zust\u00e4ndige Beh\u00f6rde berechtigt und verpflichtet, die notwendigen Ma\u00dfnahmen zur Aufkl\u00e4rung zu ergreifen.<\/p>\n
Hier werden also die Pflichten angesprochen, die notwendigen Hilfsmittel zur Verf\u00fcgung zu stellen und f\u00fcr einen sachgerechten Einsatz durch Fachkr\u00e4fte zu sorgen. Umfassend werden zudem die Dokumentationspflichten geregelt:<\/p>\n
(1) Der Tr\u00e4ger hat nach den Grunds\u00e4tzen einer ordnungsgem\u00e4\u00dfen Buch – und Aktenf\u00fchrung Aufzeichnungen \u00fcber den Betrieb zu machen und die Qualit\u00e4tssicherungsma\u00dfnahmen und deren Ergebnisse so zu dokumentieren, dass sich aus ihnen der ordnungsgem\u00e4\u00dfe Betrieb des Heims ergibt. Insbesondere muss ersichtlich werden:<\/p>\n
1. die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Heims,<\/p>\n
2. die Nutzungsart, die Lage, die Zahl und die Gr\u00f6\u00dfe der R\u00e4ume sowie die Belegung der Wohnr\u00e4ume,<\/p>\n
3. der Name, der Vorname, das Geburtsdatum, die Anschrift und die Ausbildung der Besch\u00e4ftigten, deren regelm\u00e4\u00dfige Arbeitszeit, die von ihnen in dem Heim ausge\u00fcbte T\u00e4tigkeit und die Dauer des Besch\u00e4ftigungsverh\u00e4ltnisses sowie die Dienstpl\u00e4ne,<\/p>\n
4. der Name, der Vorname, das Geburtsdatum, das Geschlecht, der Betreuungsbedarf der Bewohnerinnen und Bewohner sowie bei pflegebed\u00fcrftigen Bewohnerinnen und Bewohnern die Pflegestufe,<\/p>\n
5. der Erhalt, die Aufbewahrung und die Verabreichung von Arzneimitteln einschlie\u00dflich der pharmazeutischen \u00dcberpr\u00fcfung der Arzneimittelvorr\u00e4te und der Unterweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter \u00fcber den sachgerechten Umgang mit Arzneimitteln,<\/p>\n
6. die Pflegeplanungen und die Pflegeverl\u00e4ufe f\u00fcr pflegebed\u00fcrftige Bewohnerinnen und Bewohner,<\/p>\n
7. f\u00fcr Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen der Behindertenhilfe F\u00f6rder – und Hilfepl\u00e4ne einschlie\u00dflich deren Umsetzung,<\/p>\n
8. die Ma\u00dfnahmen zur Qualit\u00e4tsentwicklung sowie zur Qualit\u00e4tssicherung,<\/p>\n
9. die freiheitsbeschr\u00e4nkenden und die freiheitsentziehenden Ma\u00dfnahmen bei Bewohnerinnen und Bewohnern sowie der Angabe des f\u00fcr die Anordnung der Ma\u00dfnahme Verantwortlichen,<\/p>\n
10. die f\u00fcr die Bewohnerinnen und Bewohner verwalteten Gelder oder Wertsachen.<\/p>\n
Betreibt der Tr\u00e4ger mehr als ein Heim, sind f\u00fcr jedes Heim gesonderte Aufzeichnungen zu machen. Dem Tr\u00e4ger bleibt es vorbehalten, seine wirtschaftliche und finanzielle Situation durch Vorlage der im Rahmen der Pflegebuchf\u00fchrungsverordnung geforderten Bilanz sowie der Gewinn – und Verlustrechnung nachzuweisen. Aufzeichnungen, die f\u00fcr andere Stellen als die zust\u00e4ndige Beh\u00f6rde angelegt worden sind, k\u00f6nnen zur Erf\u00fcllung der Anforderungen des Satzes 1 verwendet werden.<\/p>\n
(2) Der Tr\u00e4ger hat die Aufzeichnungen nach Absatz 1 sowie die sonstigen Unterlagen und Belege \u00fcber den Betrieb eines Heims f\u00fcnf Jahre aufzubewahren. Danach sind sie zu l\u00f6schen. Die Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind, soweit sie personenbezogene Daten enthalten, so aufzubewahren, dass nur Berechtigte Zugang haben.<\/p>\n
(3) Das Bundesministerium f\u00fcr Familie, Senioren, Frauen und Jugend legt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium f\u00fcr Gesundheit und Soziale Sicherung durch Recht sverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Art und Umfang der in den Abs\u00e4tzen 1 und 2 genannten Pflichten und das einzuhaltende Verfahren n\u00e4her fest.<\/p>\n
(4) Weitergehende Pflichten des Tr\u00e4gers eines Heims nach anderen Vorschriften oder auf Grund von Pflegesatzvereinbarungen oder Vereinbarungen nach \u00a7 93 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes bleiben unber\u00fchrt.<\/p>\n
„Gemeinsame Grunds\u00e4tze und Ma\u00dfst\u00e4be zur Qualit\u00e4t und Qualit\u00e4tssicherung sowie f\u00fcr die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualit\u00e4tsmanagements in vollstation\u00e4ren Pflegeeinrichtungen“<\/strong><\/p>\n Gesetzliche Grundlage dieser Vereinbarung zwischen den einschl\u00e4gigen Spitzenverb\u00e4nden ist die folgende Vorschrift:<\/p>\n \u00a7 80 SGB XI Ma\u00dfst\u00e4be und Grunds\u00e4tze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalit\u00e4t<\/strong><\/p>\n (1) Die Spitzenverb\u00e4nde der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der \u00fcber\u00f6rtlichen Tr\u00e4ger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverb\u00e4nde und die Vereinigungen der Tr\u00e4ger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren gemeinsam und einheitlich unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverb\u00e4nde der Krankenkassen sowie unabh\u00e4ngiger Sachverst\u00e4ndiger Grunds\u00e4tze und Ma\u00dfst\u00e4be f\u00fcr die Qualit\u00e4t und die Qualit\u00e4tssicherung der ambulanten und station\u00e4ren Pflege sowie f\u00fcr die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualit\u00e4tsmanagements, das auf eine stetige Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalit\u00e4t ausgerichtet ist. Sie arbeiten dabei mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V., den Verb\u00e4nden der Pflegeberufe sowie den Verb\u00e4nden der Behinderten und der Pflegebed\u00fcrftigen eng zusammen.<\/p>\n Die Vereinbarungen sind im Bundesanzeiger zu ver\u00f6ffentlichen; sie sind f\u00fcr alle Pflegekassen und deren Verb\u00e4nde sowie f\u00fcr die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich.<\/p>\n Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung haben die genannten Spitzenverb\u00e4nde „Gemeinsame Grunds\u00e4tze und Ma\u00dfst\u00e4be zur Qualit\u00e4t und Qualit\u00e4tssicherung sowie f\u00fcr die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualit\u00e4tsmanagements in vollstation\u00e4ren Pflegeeinrichtungen“ (Qualit\u00e4tsvereinbarung) verabschiedet, die am 1.4.2004 in Kraft getreten sind. Diese Vereinbarung gilt ausnahmslos f\u00fcr Pflegeeinrichtungen im Sinne von \u00a7 1 Heimgesetz, ist unmittelbar verbindlich und ist damit einem Gesetz gleichgestellt.<\/p>\n (BSG vom 06.08.1998, Az B 3 P 8\/97 R).<\/p>\n Die hiernach geltenden Pflichten zur umfassenden pflegerischen Versorgung des Bewohners und dessen Recht e konkretisiert der Aufnahmevertrag (Versorgungsauftrag). Im Regressfall – vorliegend bei einem Sturz des Bewohners – kann diese Vereinbarung eine gro\u00dfe Bedeutung haben. Dies gilt vor allem dann, wenn die Ursache f\u00fcr den Sturz unbekannt ist, und die Einrichtung durch besondere Zus\u00e4tze best\u00e4tigt hat, sie werde ihre pflegerischen Ma\u00dfnahmen auf die Verhinderung eines solchen Vorfalls richten. In der Regel kann davon ausgegangen werden, da\u00df im konkreten Fall des Versicherten der im jeweiligen Bundesland geltende Rahmenvertrag komplett \u00fcbernommen worden ist. Im Falle Niedersachsen:<\/p>\n