{"id":1323,"date":"2024-07-26T10:57:14","date_gmt":"2024-07-26T08:57:14","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=1323"},"modified":"2024-09-19T19:12:37","modified_gmt":"2024-09-19T17:12:37","slug":"anspruch-auf-schmerzensgeld-und-schadensersatz-bei-fehlerhafter-aufklaerung","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsgebiete\/anwalt-arzthaftung\/anspruch-auf-schmerzensgeld-und-schadensersatz-bei-fehlerhafter-aufklaerung\/","title":{"rendered":"Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz bei fehlerhafter Aufkl\u00e4rung"},"content":{"rendered":"
Macht der Patient Aufkl\u00e4rungsfehler des behandelnden Arztes oder Krankenhauses geltend, so braucht er nichts beweisen. Es gen\u00fcgt, dass er vortr\u00e4gt bzw. behauptet, vom behandelnden Arzt oder Krankenhaus weder \u00fcber den Eingriff noch \u00fcber die damit verbundenen Risiken noch \u00fcber bestehende alternative Behandlungsmethoden aufgekl\u00e4rt worden zu sein. Behauptet er dieses, so muss der behandelnde Arzt bzw. das behandelnde Krankenhaus beweisen, dass er\/es den Patienten umfassend und ordnungsgem\u00e4\u00df aufgekl\u00e4rt hat.<\/p>\n
Gelingt dem Arzt oder Krankenhaus dieser Beweis nicht, dann stehen dem Patienten Anspr\u00fcche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie der gesetzlichen Krankenversicherung Anspr\u00fcche auf Schadensersatz gegen den sch\u00e4digenden Arzt bzw. das sch\u00e4digende Krankenhaus zu. In der Tat verh\u00e4lt es sich so, dass das Vorliegen von Aufkl\u00e4rungsfehlern gen\u00fcgt, um gegen\u00fcber dem sch\u00e4digenden Arzt bzw. gegen\u00fcber dem sch\u00e4digenden Krankenhaus Schadensersatzanspr\u00fcche geltend zu machen. Das Vorliegen von Behandlungsfehlern ist nicht daneben erforderlich.<\/p>\n
Im Klartext: Aufkl\u00e4rungsfehler reichen v\u00f6llig aus, um Schadensersatzanspr\u00fcche gegen den sch\u00e4digenden Arzt oder das sch\u00e4digende Krankenhaus geltend zu machen! <\/strong><\/p>\n In der Tat verh\u00e4lt es sich so, dass die meisten Arzthaftungsprozesse aufgrund von Aufkl\u00e4rungsfehlern gewonnen werden! Da Aufkl\u00e4rungsfehler eine gro\u00dfe Chance f\u00fcr gesch\u00e4digte Patienten und deren gesetzliche Krankenkassen darstellen k\u00f6nnen, stelle ich nachfolgend die einzelnen Aufkl\u00e4rungsfehlergruppen anhand neuerer Gerichtsentscheidungen da. Eine ordnungsgem\u00e4\u00dfe Aufkl\u00e4rung setzt folgendes voraus: – eine Beschreibung des bevorstehenden Eingriffes, – eine Aufkl\u00e4rung \u00fcber bestehende Behandlungsalternativen, – eine Aufkl\u00e4rung \u00fcber s\u00e4mtliche mit dem Eingriff verbundene Risiken, – eine Aufkl\u00e4rung \u00fcber den Umfang der Erfolgschancen und des Misserfolges des beabsichtigten Eingriffs, – eine Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Dringlichkeit des Eingriffs, – eine rechtzeitige Aufkl\u00e4rung. Nur wenn der behandelnde Arzt den Patienten \u00fcber s\u00e4mtliche der oben genannten Punkte aufgekl\u00e4rt hatte und die Aufkl\u00e4rung auch rechtzeitig war, liegt eine ordnungsgem\u00e4\u00dfe Aufkl\u00e4rung vor.<\/p>\n Dies ist Grundlage sowie Voraussetzung f\u00fcr die wirksame Einwilligung des Patienten in den beabsichtigten Eingriff regelm\u00e4\u00dfig. War hingegen die Aufkl\u00e4rung nicht ordnungsgem\u00e4\u00df, konnte der Patient auch nicht wirksam in die beabsichtigte Behandlung einwilligen. Die \u00e4rztliche Behandlung stellt dann eine rechtswidrige, fahrl\u00e4ssige K\u00f6rperverletzung dar, welche regelm\u00e4\u00dfig Schmerzensgeld und Schadenersatzanspr\u00fcche zur Folge hat (vgl. \u00a7\u00a7 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. \u00a7 229 StGB).<\/p>\n Zu den einzelnen Voraussetzungen einer ordnungsgem\u00e4\u00dfen Aufkl\u00e4rung: <\/strong><\/p>\n Vor Beginn einer \u00e4rztlichen Behandlung muss der Arzt dem Patienten einen \u00dcberblick \u00fcber s\u00e4mtliche mit dem Eingriff verbundenen Gefahren verschaffen. Damit sind dauerhafte oder\u00a0vor\u00fcbergehende nachteilige Folgen eines Eingriffs gemeint, die sich auch bei Anwendung\u00a0der gebotenen Sorgfalt nicht immer ausschlie\u00dfen lassen. Entscheidend f\u00fcr die \u00e4rztliche\u00a0Aufkl\u00e4rungspflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikoverwirklichung, insbesondere nicht\u00a0eine bestimmte Statistik. K\u00f6nnen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Eingriff,\u00a0Dauersch\u00e4den, wenn auch sehr selten auftreten, ist der Patient \u00fcber diese seltenen Risiken\u00a0aufzukl\u00e4ren, wenn sie bei ihrer Verwirklichung die Lebensf\u00fchrung des Patienten stark\u00a0belasten w\u00fcrden.<\/p>\n Die Einwilligung des Patienten erstreckt sich regelm\u00e4\u00dfig nur auf Risiken, die auch\u00a0 bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht vermieden werden k\u00f6nnen. Verletzt der\u00a0 Arzt jedoch im Rahmen der Behandlung aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung\u00a0 den Patienten, so wird diese K\u00f6rperverletzung nie von der zuvor abgegebenen\u00a0Einwilligung des Patienten abgedeckt sein.<\/p>\n Hinweis: Der Arzt muss \u00fcber s\u00e4mtliche, auch seltene, Risiken, die auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt auftreten k\u00f6nnen, den Patienten aufkl\u00e4ren.<\/p>\n Die Aufkl\u00e4rung des Patienten darf sich nicht auf das Risikopotential der\u00a0beabsichtigten zahn\u00e4rztlichen Ma\u00dfnahme beschr\u00e4nken. Vielmehr muss der Patient\u00a0auch dar\u00fcber aufgekl\u00e4rt werden, in welchem Umfang die Ma\u00dfnahme m\u00f6glicherweise\u00a0trotz Einhaltung der gebotenen \u00e4rztlichen Sorgfaltspflicht Scheitern kann, z.B. bei\u00a0geplanten kosmetischen Eingriffen. Erst wenn der Patient den Nutzen des Eingriffs\u00a0und die Wahrscheinlichkeit seiner Realisierung einzusch\u00e4tzen wei\u00df, kann er eine\u00a0wirksame Zustimmung abgegeben.<\/p>\n Kann eine Ma\u00dfnahme noch aufgeschoben werden, so muss der Patient auch dar\u00fcber aufgekl\u00e4rt werden. Dem Arzt obliegt es in diesem Fall, die Vor- und Nachteile des sofortigen T\u00e4tigwerdens einerseits und die Vor- und Nachteilen des Abwartens darzustellen.<\/p>\n Die Rechtsprechung verlangt, dass der Patient \u00fcber den beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig unterrichtet wird, dass er die Vor- und Nachteile des Eingriffs selbst abw\u00e4gen und damit wirksam seine Einwilligung erteilen kann. Im ambulanten Bereich gen\u00fcgt grunds\u00e4tzlich, dass die Aufkl\u00e4rung am Tag des Eingriffs erfolgt. Bei bevorstehender station\u00e4rer Behandlung ist eine Aufkl\u00e4rung erst am Tag des Eingriffs hingegen grunds\u00e4tzlich versp\u00e4tet (vgl. BGH-Urteil vom 25. M\u00e4rz 2003, VI ZR 131\/02, das dargestellt wird).<\/p>\n Der Arzt tr\u00e4gt regelm\u00e4\u00dfig die Beweislast daf\u00fcr, dass er den Patienten umfassend und ordnungsgem\u00e4\u00df (vgl. die Punkte I. bis VI.) aufgekl\u00e4rt hat. Der Patient braucht lediglich zu behaupten, dass die Aufkl\u00e4rung des Arztes nicht ausreichend war. Um eine ordnungsgem\u00e4\u00dfe Aufkl\u00e4rung zu beweisen, gen\u00fcgt es in der Regel nicht, wenn der Arzt eine vom Patienten unterschriebene Einwilligungserkl\u00e4rung vorlegt.<\/p>\n Die Aush\u00e4ndigung und Unterschreibung von Aufkl\u00e4rungsb\u00f6gen und Merkbl\u00e4ttern ersetzen nicht das erforderliche Aufkl\u00e4rungsgespr\u00e4ch zwischen Arzt und Patient. Eine ordnungsgem\u00e4\u00dfe Aufkl\u00e4rung des Patienten setzt zwingend ein umfassendes Gespr\u00e4ch zwischen Arzt und Patient voraus2. Die Existenz einer unterschriebenen Einwilligungserkl\u00e4rung des Patienten kann nur ein widerlegbares Indiz daf\u00fcr sein, dass \u00fcberhaupt ein Aufkl\u00e4rungsgespr\u00e4ch stattgefunden hat. Vgl. BGH-Urteil vom 15. M\u00e4rz 2005, VI ZR 313\/03: Der BGH f\u00fchrt in dieser Entscheidung aus, wie zu verfahren ist, wenn Aufkl\u00e4rungsfehler feststehen, d.h., wenn die Behandlungsseite eine ordnungsgem\u00e4\u00dfe Aufkl\u00e4rung nicht nachweisen konnte. In einem solchen Fall geht es wie folgt weiter: Die Behauptungs- und Beweislast daf\u00fcr, dass sich der Patient auch bei ordnungsgem\u00e4\u00dfer Aufkl\u00e4rung zu der tats\u00e4chlich durchgef\u00fchrten Behandlung entschlossen h\u00e4tte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur \u00dcberzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er – w\u00e4ren ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden h\u00e4tte (vgl. BGH-Urteil vom 15. M\u00e4rz 2005, VI ZR 313\/03, S. 9 und S. 10).<\/p>\n Hierzu f\u00fchrt der BGH (a.a.o.) aus: „Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Pr\u00fcfung der Plausibilit\u00e4t eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die pers\u00f6nliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf, ob ein vern\u00fcnftiger Patienten dem entsprechenden \u00e4rztlichen Rat gefolgt w\u00e4re. Ma\u00dfgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden h\u00e4tte. Ausreichend ist, dass er durch die Aufkl\u00e4rung in einem echten Entscheidungskonflikt geraten w\u00e4re“. In einer anderen Entscheidung des sechsten Zivilsenats vom 1. Februar 2005, Az.: VI ZR 174\/03 f\u00fchrt der BGH auf Seite 5 (unten) und Seite 6 (oben) aus: – Freilich trifft den Patienten die Verpflichtung plausibel darzulegen, weshalb er aus seiner Sicht bei Kenntnis der Aufkl\u00e4rungspflichten Umst\u00e4nde vor einem Entscheidungskonflikt gestanden h\u00e4tte, ob er die ihm empfohlene Behandlung gleichwohl ablehnen sollen.<\/p>\n Dieser Verpflichtung ist die Kl\u00e4gerin jedoch in dem Schriftsatz vom 7. Februar 2003 nachgekommen. Dort ist im Einzelnen dargelegt, weshalb sie im Hinblick auf Ihre bestehenden Beeintr\u00e4chtigungen und in Anbetracht ihres bisherigen Lebensweges ein Inkontinenzrisiko keinesfalls akzeptiert h\u00e4tte. Diese Ausf\u00fchrungen gen\u00fcgen den Anforderungen, die der erkennende Senat an die Substantiierung des Vortrags des Patienten stellt.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz bei fehlerhafter Aufkl\u00e4rung Macht der Patient Aufkl\u00e4rungsfehler des behandelnden Arztes oder Krankenhauses geltend, so braucht er nichts beweisen. Es gen\u00fcgt, dass er vortr\u00e4gt bzw. behauptet, vom behandelnden Arzt oder Krankenhaus weder \u00fcber den Eingriff noch \u00fcber die damit verbundenen Risiken noch \u00fcber bestehende alternative Behandlungsmethoden aufgekl\u00e4rt worden zu sein. Behauptet […]<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":24,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"class_list":["post-1323","page","type-page","status-publish","hentry"],"acf":[],"yoast_head":"\n\n
\n– 1. OLG D\u00fcsseldorf, Urteil vom 13.2.03 (8 U 41\/02) in VersR 2005, 230: Wenn zur Korrektur einer dislozierten Radiusbasisfraktur grunds\u00e4tzlich sowohl eine konservative Behandlung als auch eine chirurgische Versorgung in Betracht kommen, sind die unterschiedlichen Therapiem\u00f6glichkeiten sowie ihre jeweiligen Chancen und Risiken vor \u00a0der Behandlung mit dem Patienten im einzelnen zu er\u00f6rtern.
\n– 2. OLG Hamm, Entscheidung vom 1. Dezember 2003 (3 U 128\/03): Beim Achillessehnenabriss stellt die konservative Behandlung eine echte Behandlungsalternative zur operativen Therapie dar. Es muss daher sowohl \u00fcber die konservative Alternativbehandlung als auch \u00fcber die operative Behandlung gleicherma\u00dfen aufgekl\u00e4rt werden.<\/li>\n<\/ul>\nIII. Zur ordnungsgem\u00e4\u00dfen Risikoaufkl\u00e4rung:<\/h3>\n
IV. Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Erfolgschancen des beabsichtigten Eingriffs:<\/h3>\n
Die nachfolgenden zwei Urteile werden beispielhaft vorgestellt:<\/h3>\n
\n
V. Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Dringlichkeit des Eingriffs:<\/h3>\n
VI. Zur Rechtzeitigkeit der Aufkl\u00e4rung:<\/h3>\n
Nachweis der Aufkl\u00e4rung sowie Beweislast:<\/h3>\n
Zum Entscheidungskonflikt:<\/h3>\n