{"id":1301,"date":"2003-09-17T09:56:14","date_gmt":"2003-09-17T07:56:14","guid":{"rendered":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/?page_id=1301"},"modified":"2019-11-28T17:19:23","modified_gmt":"2019-11-28T16:19:23","slug":"olg-frankfurt-urteil-vom-17-9-03-az-17-u-7303-2","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ratgeber-arzthaftung.de\/de\/rechtsprechung\/urteile-verkehrsrecht\/olg-frankfurt-urteil-vom-17-9-03-az-17-u-7303-2\/","title":{"rendered":"OLG Frankfurt Urteil vom 17.9.03 AZ: 17 U 73\/03"},"content":{"rendered":"
Das schuldunf\u00e4hige Kind muss sich auch eine grob fahrl\u00e4ssige Mitverursachung eines Unfalls durch den Vater nicht zurechnen lassen, weil zwischen dem schuldunf\u00e4higen Kind und dem Vater keine Haftungs- oder Zurechnungseinheit bestehen kann.<\/p>\n
Fundstellen:<\/strong> Verfahrensgang: Aufsichtspflichtverletzung eines Elternteils: Gesamtschuldnerische Haftung mit Sch\u00e4diger bei fahrl\u00e4ssig mitverursachter Verletzung des eigenen Kindes; Sorgfaltswidrigkeit einer kurzfristigen Nichtbeaufsichtigung<\/p>\n 1. 1. Die Haftung der Eltern gegen\u00fcber ihrem Kind f\u00fcr durch Verletzung der Aufsichtspflicht verursachte Sch\u00e4den ist gem BGB \u00a7 1664 Abs 1 auf die Sorgfalt beschr\u00e4nkt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen; das gilt auch im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs.<\/p>\n 2. 2. Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten ist nicht verletzt, wenn eine Mutter ihr dreij\u00e4hriges Kind kurzzeitig mit einer Spielzeugpistole allein l\u00e4\u00dft, das Kind aber aus eigener Kraft die Pistole nicht spannen kann und auch nicht \u00fcber die zugeh\u00f6rigen Pfeile verf\u00fcgt.<\/p>\n Fundstellen:<\/strong> Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 12. August 1998 teilweise abge\u00e4ndert und die Klage auch gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen. 1 Die zul\u00e4ssige Berufung der Beklagten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Der Kl\u00e4gerin steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf anteiligen Ausgleich der von ihr an den Sohn der Beklagten erbrachten Schmerzensgeldzahlung zu.<\/p>\n 2 Als Anspruchsgrundlage kommt nur \u00a7 426 Abs. 2 BGB in Betracht. Die daf\u00fcr erforderliche Voraussetzung, da\u00df die Beklagte zu 1) ihrerseits als Gesamtschuldnerin neben der Versicherungsnehmerin der Kl\u00e4gerin ihrem Sohn gegen\u00fcber zum\u00a0Schadensersatz verpflichtet w\u00e4re, ist nicht erf\u00fcllt.<\/p>\n 3 Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) gegen\u00fcber ihrem Sohn aus \u00a7\u00a7 823 Abs. 1 BGB und 823 Abs. 2 BGB i.V.m. \u00a7 230 a.F. StGB besteht nicht, auch wenn sie dadurch, da\u00df sie ihrem nur drei Jahre alten Sohn die Spielzeugpistole \u00fcberlie\u00df und ihn, wenn auch nur kurze Zeit, damit unbeaufsichtigt lie\u00df, objektiv ihre Aufsichtspflicht verletzt hat.<\/p>\n 4 Die Haftung der Beklagten zu 1) ist n\u00e4mlich gem\u00e4\u00df \u00a7 1664 Abs. 1 BGB auf die Sorgfalt beschr\u00e4nkt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Dieser Sorgfaltsma\u00dfstab ist hier nicht verletzt.<\/p>\n 5 Mit dem OLG Hamm (OLGR Hamm 1992, 197, 199 = NJW 1993, 542) und entgegen OLG Stuttgart (VersR 1980, 952) ist die Anwendbarkeit \u00a7 1664 BGB auf F\u00e4lle der vorliegenden Art zu bejahen, was der Senat in der Vorentscheidung 22 U 5\/97 (OLGR D\u00fcsseldorf 1998, 52-54 = NJW-RR 1998, 98\/99 = VersR 1998, 721\/722 = FamRZ 1998, 234-dort nur LS) unentschieden gelassen hat. Das OLG Hamm weist zu Recht darauf hin, da\u00df Haftungserleichterungen wie in \u00a7 1664 BGB auf umfassende Wirkung angelegt und Ausnahmen daher nur gerechtfertigt sind, wenn besondere Regeln, wie etwa im Stra\u00dfenverkehr, gelten. Die Vorschrift ist nicht auf die Verm\u00f6genssorge beschr\u00e4nkt, erfa\u00dft daher auch die Personensorge. Im Rahmen der Personensorge gem\u00e4\u00df \u00a7 1631 BGB ist aber die Aufsicht neben der Erziehung und der Pflege zentrale Aufgabe der Eltern. Ihre Verletzung beinhaltet aufgrund der Garantenstellung der Eltern bei daraus folgenden Gesundheitssch\u00e4digungen regelm\u00e4\u00dfig auch eine unerlaubte Handlung. Diesen ganzen Bereich aus der Anwendung des \u00a7 1664 BGB auszunehmen, erscheint wegen der umfassenden Anlage der Vorschrift nicht gerechtfertigt (so auch Soergel-Str\u00e4tz, BGB, 12. Aufl., \u00a7 1664 Rdn. 4, a.A. Hinz in M\u00fcnchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl., \u00a7 1664 Rdn. 6; Staudinger-Engler, BGB, 12. Aufl., \u00a7 1664 Rdn. 4). Auch f\u00fchrt das OLG Hamm zutreffend aus, da\u00df \u00a7 832 BGB eine ausdr\u00fcckliche Regelung f\u00fcr den Fall enth\u00e4lt, da\u00df aufgrund der Verletzung der Aufsichtspflicht Sch\u00e4digungen Dritter eintreten, aber eben nicht f\u00fcr Sch\u00e4digungen des eigenen Kindes. Schlie\u00dflich k\u00f6nnen sich Eltern gegen die Inanspruchnahme aus \u00a7 832 BGB durch eine Haftpflichtversicherung sch\u00fctzen, nicht dagegen im Falle der Verletzung des eigenen Kindes, dem sie andererseits gerade f\u00fcr die Folgen eines solchen Falles pers\u00f6nliche F\u00fcrsorge und Schutz gew\u00e4hren werden.<\/p>\n 6 Wertungswiderspr\u00fcche wegen einer Anrechnung des Verschuldens der Eltern bei \u00e4lteren Kindern ergeben sich, wie das OLG Hamm (a.a.O. 199, 200) ausgef\u00fchrt hat, unter diesem Gesichtspunkt nicht. Die Anrechnung eines Mitverschuldens \u00fcber \u00a7 831 BGB d\u00fcrfte kaum in Betracht kommen und \u00a7 278 BGB ist im Rahmen des haftungsbegr\u00fcndenden Verschuldens nicht anwendbar (vgl. BGHZ 103, 338, 343). Soweit eine Anrechnung unter dem Gesichtspunkt der Zurechnungseinheit in Betracht zu ziehen ist, d\u00fcrfte ebenfalls \u00a7 1664 BGB anzuwenden sein, denn innerhalb der Zurechnungseinheit kann niemand stehen, der den Schaden nicht in zurechenbarer Weise verursacht hat (vgl. OLG D\u00fcsseldorf VersR 1982, 300, 301). Ist den Eltern im Verh\u00e4ltnis zum Kind der Schaden wegen der Einhaltung der gem\u00e4\u00df \u00a7 1664 BGB zu fordernden Sorgfalt nicht zuzurechnen, so mu\u00df eine Anrechnung im Rahmen der Zurechnungseinheit Eltern-Kind ebenso ausscheiden, wie der fingierte Gesamtschuldnerausgleich zwischen Eltern und familienfremdem Sch\u00e4diger (vgl. dazu BGHZ 103, 338, 346f.).<\/p>\n 7 Die gem\u00e4\u00df \u00a7 1664 BGB anzuwendende Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten hat die Beklagte nicht verletzt. Es handelt sich dabei um einen subjektiven Sorgfaltsma\u00dfstab, der allerdings nicht von vornherein auf grobe Fahrl\u00e4ssigkeit beschr\u00e4nkt ist und den zentralen Stellenwert, den die Gesundheit der Kinder f\u00fcr die Eltern hat, ber\u00fccksichtigen mu\u00df (BGHZ 103, 338, 345f.).<\/p>\n 8 Grobe Fahrl\u00e4ssigkeit ist der Beklagten nicht anzulasten. Es ist nicht festzustellen, da\u00df sie die Anstellung einfachster, ganz naheliegender \u00dcberlegungen vers\u00e4umt h\u00e4tte. Denn es ist unstreitig, da\u00df der Sohn der Beklagte nicht \u00fcber die zu der Spielzeugpistole geh\u00f6renden Pfeile verf\u00fcgte und da\u00df er aus eigener Kraft nicht in der Lage war, die Pistole zu spannen, sondern allenfalls bei Anwendung von Hilfsmitteln. Unstreitig ist auch, da\u00df die Beklagte zu 1) nur f\u00fcr einen kurzen Moment die Kinder allein lie\u00df und da\u00df sie andererseits wu\u00dfte, da\u00df auch die Mutter des anderen Jungen die Kinder beobachtete. Wenn sie dann nicht damit rechnete, da\u00df innerhalb der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit nicht nur der andere Junge die Spielzeugpistole an sich nehmen, sondern auch noch einen passenden Stock finden und abschie\u00dfen k\u00f6nnte, so ist das zwar fahrl\u00e4ssig, aber nicht grob fahrl\u00e4ssig. Auch die unterhalb der Grenze der groben Fahrl\u00e4ssigkeit unter Ber\u00fccksichtigung des besonderen Schutzgutes der Gesundheit des Kindes anzusiedelnde Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten hat die Beklagte nicht verletzt. Im Rahmen dieses subjektiven Sorgfaltsma\u00dfstabs ist zu ber\u00fccksichtigen, da\u00df die Beklagten es offenbar nicht f\u00fcr erforderlich hielten, solche Spielzeugpistolen g\u00e4nzlich von ihrem kleinen Kind fernzuhalten, sondern es f\u00fcr ausreichend erachteten, da\u00df das Kind nicht \u00fcber die zu der Spielzeugpistole geh\u00f6renden Pfeile verf\u00fcgte und aus eigener Kraft nicht in der Lage war, die Pistole zu spannen. Dies hielt die Beklagte zu 1) offenbar f\u00fcr ausreichende Sicherungen, damit w\u00e4hrend einer kurzen Zeit, in der das Kind unbeaufsichtigt blieb, ihm keine Gefahr drohte, so da\u00df ihr subjektiv kein Vorwurf zu machen ist.<\/p>\n 9 Damit scheidet eine Haftung der Beklagten aus, es kommt auch kein fingierter Gesamtschuldnerausgleich unter dem Gesichtspunkt des gest\u00f6rten Innenverh\u00e4ltnisses in Betracht, da der Beklagten eine Mitbeteiligung wegen der Haftungsbeschr\u00e4nkung gem\u00e4\u00df \u00a7 1664 BGB nicht zugerechnet werden kann und es damit schon an der Grundlage eines Gesamtschuldverh\u00e4ltnisses fehlt (vgl. BGHZ 103, 338, 345f.).<\/p>\n 10 Die Kostenentscheidung beruht auf \u00a7 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung \u00fcber die vorl\u00e4ufige Vollstreckbarkeit auf \u00a7\u00a7 708 Nr. 10, 713 ZPO.<\/p>\n 11 Gesetzliche Gr\u00fcnde, die die Zulassung der Revision gem\u00e4\u00df \u00a7 546 Abs. 1 ZPO rechtfertigten, bestehen nicht.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" OLG Frankfurt Urteil vom 17.9.03 AZ: 17 U 73\/03 Verkehrsrecht Keine Haftungseinheit zwischen schuldunf\u00e4higem Kind und dessen Vater Orientierungssatz Das schuldunf\u00e4hige Kind muss sich auch eine grob fahrl\u00e4ssige Mitverursachung eines Unfalls durch den Vater nicht zurechnen lassen, weil zwischen dem schuldunf\u00e4higen Kind und dem Vater keine Haftungs- oder Zurechnungseinheit bestehen kann. Fundstellen: MDR 2004, 688 […]<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":130,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"class_list":["post-1301","page","type-page","status-publish","hentry"],"acf":[],"yoast_head":"\n
\nMDR 2004, 688 (red. Leitsatz)<\/p>\n
\n<\/strong>vorgehend LG Limburg, kein Datum verf\u00fcgbar, Az: 1 O 497\/02
\nOLG D\u00fcsseldorf Urteil vom 26.2.99 AZ: 22 U 201\/98:<\/p>\nLeitsatz<\/h3>\n
\nNJW-RR 1999, 1042-1043 (Leitsatz und Gr\u00fcnde) FamRZ 2000, 438-439 (Leitsatz und Gr\u00fcnde)<\/p>\nTenor<\/h3>\n
\nDie Kosten des Rechtsstreits tr\u00e4gt die Kl\u00e4gerin.
\nDas Urteil ist vorl\u00e4ufig vollstreckbar.<\/p>\nGr\u00fcnde<\/h3>\n