Arzthaftungsrecht

Herausgabe von Patientenunterlagen: Recht auf Akteneinsicht

Was Sie beachten müssen, wenn Sie Krankenakten oder Patientenunterlagen einsehen möchten

Frage 1: Was bildet die Grundlage des Rechts des Patienten auf Akteneinsicht?

a) vertragliches Akteneinsichtsrecht

Der Patient hat ein Recht auf Einsichtnahme in seine Behandlungsunterlagen.

Grundsätzlich obliegt dem Arzt eine Pflicht zur umfassenden Dokumentation bezüglich aller Umstände, die die von ihm behandelte Krankheit des Patienten betreffen.

Verletzt der behandelnde Arzt die Dokumentationspflicht, können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Zudem können sich für den Arzt Nachteile infolge der Beweislastumkehr ergeben.

Dies gilt insbesondere auch zur Vorbereitung eines Arzthaftungsprozesses.

Der Anspruch auf Einsicht in die Krankenunterlagen ergibt sich für den Patienten aus dem Behandlungsvertrag, der eine Reihe vertraglicher Nebenpflichten, die nicht unmittelbar dem Integritätsschutz dienen, begründet.

Die Führung ordnungsgemäßer Krankenunterlagen und das Einsichtsrecht können nach ZPO § 888 erzwungen werden .

b) Gesetzliches Akteneinsichtsrecht des Patienten gem. § 810 BGB

Grundsätzlich stellt auch der § 810 BGB (Einsicht von Urkunden) vom Wortlaut eine Anspruchsgrundlage auf Einsicht in die Krankenunterlagen dar.

Voraussetzung der Vorschrift ist, dass es sich um eine Originalurkunde handelt, die sich im Besitz eines anderen befindet. Weiterhin muss ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme bestehen und es muss eine bestimmte Beziehung des Anspruchstellers zur Urkunde bestehen.

Bei einer Krankenunterlage handelt es sich um eine Originalurkunde, die sich im Besitz eines anderen (Krankenhaus oder Arzt) befindet. Der Patient hat meist ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme, da er einen Arzthaftungsprozess vorbereitet.

Die Patientenakte wird auch im Interesse des Patienten angelegt und dient nicht lediglich dem Erinnerungsvermögen des Arztes.

Jedoch wird diese Vorschrift nur subsidiär angewendet, da ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankenakte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Behandlungsvertrag steht (s.o.) und folglich aus diesem hergeleitet wird. Die Rechtsprechung hat daher bisher offengelassen, ob tatsächlich ein Anspruch aus § 810 BGB besteht.

c) Akteneinsichtsrecht aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Art. 1 Abs.1, Art 2 Abs. 1 GG

Weiterhin besteht ein verfassungsrechtliches Akteneinsichtsrecht des Patienten.

Das Recht auf Selbstbestimmung und die personale Würde des Patienten (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) gebieten es, jedem Patienten gegenüber seinem Arzt und Krankenhaus grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen einzuräumen.

Ärztliche Krankenunterlagen betreffen nämlich mit ihren Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen den Patienten unmittelbar in seiner Privatsphäre.

Der Anspruch auf Einsicht in Krankenunterlagen begründet sich im wesentlichen mit dem durch grundrechtliche Wertung geprägten Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Patienten, die es verbieten, ihm im Rahmen der Behandlung die Rolle eines bloßen Objekts zuzuweisen.

Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert unter Berücksichtigung des Rechts auf Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die menschliche Handlungsfreiheit im weitesten Sinne.

Das Einsichtsrecht in die Krankenunterlagen besteht jedoch nicht unbeschränkt, sondern findet seine Grenze an grundrechtlich verbürgten Rechten des Arztes oder Dritter .

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Art. 1 Abs.1, Art 2 Abs. 1 GG hat 1999 der Gesetzgeber durch das Berliner Informationsfreiheitsgesetz ( s. Anlage ) konkretisiert. Danach hat der Patient u. a. ein Akteneinsichtsrecht gegen Krankenhausbetriebe des Landes Berlin, wozu auch Universitätskliniken gehören. Hier sind insbesondere die folgenden Vorschriften zu beachten:

§ 2 Anwendungsbereich:

(1) Dieses Gesetz regelt die Informationsrechte gegenüber den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen (insbesondere nicht rechtsfähige Anstalten, Krankenhausbetriebe, Eigenbetriebe und Gerichte) des Landes Berlin, […]

§ 3 Informationsrecht:

(1) Jeder Mensch hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Die Rechte nach Satz l können auch von juristischen Personen geltend gemacht werden.

(2) Akten im Sinne dieses Gesetzes sind alle schriftlich, elektronisch, optisch, akustisch oder auf andere Weise festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnungen, insbesondere Schriftstücke, Magnetbänder, Disketten, Filme, Fotos, Tonbänder, Pläne, Diagramme, Bilder und Karten, soweit sie amtlichen Zwecken dienen.

(3) Weitergehende Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

§ 4 Umfang der Informationsfreiheit

Akteneinsicht oder Aktenauskunft ist in dem beantragten Umfang zu gewähren, es sei denn, eine der in Abschnitt 2 geregelten Ausnahmen findet Anwendung.

§ 5 Schutz personenbezogener Daten

(1) Das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft besteht nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (§ l) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt.

(2) Der Offenbarung personenbezogener Daten stehen schutzwürdige Belange der Betroffenen in der Regel nicht entgegen, wenn die Betroffenen zustimmen oder […]

Frage 2: Kann der Patient bestimmen, wie sein Akteneinsichtsrecht ausgeübt wird, d.h. ob ihm die Originalakte übersandt werden kann, oder ob er sie einsehen muss nach den Vorgaben des Krankenhauses?

Der Anspruch des Patienten im vorprozessualen Stadium geht inhaltlich primär dahin, Einsicht in die Original-Krankenunterlagen beim Arzt zu nehmen und Herausgabe von Fotokopien an sich zu verlangen.

Einen Anspruch auf Zusendung der Original- Krankenunterlagen für einen bestimmten Zeitraum hat der Patient nicht. Es kann lediglich verlangt werden, dass die Kopien bereitgehalten werden.

Denn es handelt sich bei dem Akteneinsichtsrecht um eine Holschuld. Gemäß § 811 Abs. 1 BGB ist in den Fällen des § 810 BGB der Vorlegungsort derjenige, an dem sich die Unterlagen befinden, also das Krankenhaus bzw. die Arztpraxis.

Auch aus dem Behandlungsvertrag ergibt sich kein anderer Erfüllungsort, da die vertragscharakteristische Leistung aus dem Behandlungsvertrag im Krankenhaus bzw. in der Arztpraxis zu erbringen ist.

§ 269 Abs. 1 BGB legt als Erfüllungsort ebenfalls den Wohnsitz bzw. den Gewerbebetrieb des Schuldners fest, so dass sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine abweichende Beurteilung ergibt. Erfüllungsort für die Einsichtnahmerechte eines Patienten ist das Krankenhaus bzw. die Arztpraxis, in der der Patient behandelt wurde. Die Kopien der Behandlungsunterlagen sind daher von dem Patienten abzuholen, wenn sich das Krankenhaus bzw. die Arztpraxis weigert, diese zu verschicken.

Maschinenschriftliche Abschriften und Transkriptionen der vom Arzt verwandten Kürzel kann der Patient nur verlangen, wenn sich einem von ihm zur Unterstützung beigezogenen Mediziner das Material ebenfalls nicht erschließt .

Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass schon das Einsichtsrecht als solches seine Grundlage in § 242 BGB findet. Dem Einsichtsrecht korrespondiert eine Verpflichtung des Patienten zur Rücksichtnahme, die ihn hindert, die Einsicht zur Unzeit oder unter übermäßiger Inanspruchnahme des Arztes und seiner Hilfskräfte, die durch das Anfertigen maschinenschriftlicher Abschriften nötig wird, in Anspruch zu nehmen.

Frage 3: Hat die Krankenkasse ein eigenes Akteneinsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen ihres Versicherungsnehmers?

Hierzu verweise ich auf meinen Aufsatz „Die Durchsetzung von zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen der Krankenkassen gegen Ärzte, Kliniken und Pflegeheime“ in Versicherungsrecht 2009, S.1050 ff. Diesen können Sie hier als PDF herunterladen.

Frage 4: Kann ein Patient seinen Anspruch auf Akteneinsicht an seine gesetzliche Krankenkasse abtreten?

Hierzu verweise ich ebenfalls auf meinen Aufsatz in Versicherungsrecht 2009, S. 1050 ff (siehe oben).